UNSERE REZENSION

 

Truhen und Fässer in den Rahen

 

Riff Raff

 

Fracht verstauen auf hoher See

 

Als Freund von Segelbooten und Geschichten der Segelschifffahrt des 18. und 19. Jahrhunderts konnte ich gar nicht an diesem Spiel vorbei und darf meine journalistische Absenz hiermit wieder einmal unterbrechen. Wobei die Hoffnung lebt, dass ich jetzt wieder öfters hier meine Kommentare zu verschiedenen Spielen schreiben kann.

 

Die Geschichte zum Spiel erzählt von einem Piraten, der seine Fracht, zumindest die wertvollste, hoch in den Rahen verstauen lässt. Durch den hohen Seegang fallen immer wieder Truhen, Fässer oder andere Ladungsteile herunter und müssen von der Mannschaft aufgefangen werden.

 

Kleines 1x1 der Seeschifffahrt:

Rahen -  Das sind die Querverstrebungen am Hauptmast wo die Segel befestigt werden. Meuterer und andere zum Tode Verurteilte wurden auf See dort auch aufgehängt.

Bug - Vorderteil des Schiffs

Heck - Hinterteil des Schiffs, genau genommen meint man damit den hinteren erhöhten Bereich wo der Steuermann stand

Achtern - Der gesamte Bereich von der Mitte bis zum Ende des Schiffs

Kielholen -  Eine Bestrafungsart die meist tödlich war. Der Übeltäter wurde an ein Seil gehängt und am Bug ins Wasser geworfen und unter dem Schiff, der Länge nach, zum Heck gezogen. Der Straftäter musste nicht nur extrem lange unter Wasser ausharren, er musste auch noch den Muschelbewuchs des Schiffes überstehen.

Luv - die Seite des Bootes die dem Wind zugekehrt ist

Lee - die Seite des Bootes die vom Wind abgewandt ist

Steuerbord grünes Licht - rechte Seite des Schiffes

Backbord rotes Licht - linke Seite des Schiffes

Und zu guter Letzt die Vorfahrtregeln auf See wenn es sich um gleichwertige Schiffe handelt (beide mit Motor oder beide mit Segel).

 

Wird rot an Steuerbord geseh’n
so musst Du aus dem Wege geh’n.

Sieht man jedoch an Backbord grün,
brauchst Du Dich weiter nicht zu müh’n,

in diesem Fall soll grün sich klaren
und muss Dir aus dem Wege fahren

 

Sollte ich hier einige Fachausdrücke verwenden, so hoffe ich dass mein Exkurs in die Segelkunde oder besser Schifffahrtskunde hilfreich ist. Aber nun zum Spiel.

 

In der klassischen quadratischen Schachtel von Zoch, findet sich ungewöhnliches aber sehr hochwertiges Spielmaterial. Der Schachtelboden wird mit dem Einsatz für das Spiel benötigt und in die Einfassung des Einsatzes wird ein sechseckiger Einsatz aus Karton gesteckt, der eine riesige Welle darstellt. Am Wellenkamm, dem höchsten Punkt einer Welle, befindet sich eine Öffnung, in die man einen hölzernen Ring steckt.

 

In diesem Ring wird ein Gelenk eingesetzt, auf dem eine Stange (der Mast) mit einer schweren Eisenkugel befestigt ist. Die Kugel wird durch das Loch versenkt und auf den Mast wird als erstes der Rumpf gesteckt. Durch drei Öffnungen am Mast werden ca. 7 cm lange, dünne Holzstäbchen gesteckt auf die wiederum die Rahen gesteckt werden. Die Stäbchen dienen nur zur Stabilisierung der Rahen.

 

An Deck des Schiffes sind 4 Felder, am Bug die Zahl 1 und 2 und achtern 3 und 4. Die unterste Rahe hat auf der einen Seite die Zahl 5 und auf der anderen 6. Die darüber liegenden folgen mit 7 und 8 sowie 9 und 10. Jeder Spieler bekommt einen identen Kartensatz mit Zahlenkarten von 1 – 10 und 8 Stückgut (Ladungsteile). Diese haben die Formen eines Bootes, Fasses, Kiste, Matrose etc. Spielt man zu zweit bekommt man die doppelte Menge an Stückgut.

 

Zu Beginn einer Runde legt jeder Spieler eine seiner Handkarten verdeckt vor sich und alle decken gleichzeitig auf. Wer die höchste Karte gespielt hat ist der neue Kapitän und darf als Erster ein Stückgut platzieren, auf dem Teil des Schiffes, das der von ihm gewählten Zahl entspricht.

 

Für den Fall das zwei oder mehr Spieler gleiche Karten gespielt haben, bestimmt der amtierende Kapitän wer als erster an die Reihe kommt. Die gespielten Karten bleiben liegen und stehen nicht mehr zur Verfügung.

 

Wie wird nun gelegt? Da gibt es nur wenige Einschränkung, mal abgesehen davon dass man das Feld mit der gleichen Zahl nimmt wie die gespielte Karte zeigt. Das Stückgut darf beim Platzieren nicht in einen anderen Bereich ragen, was aber genaugenommen nur auf dem Hauptdeck passieren kann. Es darf aber über das Schiff hinausragen.

 

Sollte auf einer Rahe (Felder 5 bis 10) bereits mindestens ein Stückgut vorhanden sein, kann der Spieler ein oder zwei Teile platzieren. Dies muss er aber vorher bekannt geben und kann nachträglich nicht mehr verändert werden. Ob man dazu eine oder beide Hände zu Hilfe nimmt ist belanglos. Bereits geladenes Stückgut darf mit dem zu platzierenden Stückgut verschoben werden, aber niemals mit einem Körperteil.

 

Sollte der Fall eintreten und das passiert öfters als man es gerne hätte, dass Stückgut vom Schiff herunterfällt, dann versucht der aktive Spieler diese Teile aufzufangen. Die gefangenen Teile kommen aus dem Spiel; die Teile die herunterfallen muss der Spieler in seinen Vorrat legen und darf sie später wiederum aufladen.

 

Die abgelegten Karten muss der Spieler nicht mehr herzeigen, wodurch ein wenig Taktik ins Spiel kommt, wobei das Merken aller Karten bei 4 Spielern eine Herausforderung ist und nur geübten Kartenspielern gelingen wird, oder Kindern, die alle in Memory schlagen.

 

Sollte ein Spieler zum Abschluss seines Zuges keine Holzteile mehr vor sich liegen haben, beendet er das Spiel sofort als Sieger. Ansonsten endet es wenn alle Spieler ihre 10 Karten ausgespielt haben. Es gewinnt dann derjenige, der die wenigstens Teile besitzt. Dies können auch mehrere Spieler sein.

Im Spiel zu zweit werden nach der 10. Karte wieder alle Karten aufgenommen und solange gespielt bis eine der beiden Siegbedingungen eintritt. Das kann aber auch schon vor der 10. Karte sein.

 

Das Spiel besticht sicher durch die Ausstattung, was wiederum aber auch ein Markenzeichen des Zoch Verlags ist. Das gesamte Schiff und auch das Stückgut bestehen aus Holz und sind hinsichtlich Größe und Gewicht gut gewählt um es zu einer Herausforderung zu machen, diese Teile zu platzieren.

 

Absolut genial ist aber das Gelenk mit der Kugel als Gegengewicht. Das Schiff schlingert und schaukelt dadurch in alle erdenklichen Richtungen. Worauf man aber besonders aufpassen muss ist die Gegenbewegung, denn beim Platzieren fallen selten Teile herunter, erst wenn das Schiff zurück schaukelt purzeln die meisten herunter. So mancher Kahn würde auf hoher See kentern wenn er diese Schräglage hätte.

 

Worauf man auf jeden Fall achten sollte, ist der verfügbare Platz und darauf, dass speziell Kinder die Möglichkeit haben das Schiff von allen Seiten gut zu erreichen. Kurze Hände sind der Untergang, da man ja die Teile auch auffangen muss. Hier sollten Eltern sich selbst auch Einschränkungen auferlegen, wie zum Beispiel nur mit einer Hand fangen oder fangen verboten, das möge aber jeder für sich selbst herausfinden. In meinem Fall durfte ich nur mehr eine Hand benutzen, sowohl beim Platzieren als auch beim Fangen.

 

Wer keine ruhige Hand hat, wird hier seine Schwierigkeiten haben, denn wer zittert, der bringt viel Unruhe in das Schiff. Diese Spieler sollten geübte Fänger sein. Eine interessante Variante hat mein Sohn benutzt. Er hat seinen Teil nicht ruhig gesetzt sondern relativ rasch, ja manchmal richtiggehend fallen gelassen und war somit sehr rasch mit seinen Händen in der Stellung zum Fangen. Dadurch hat das Stückgut das Schiff nicht lange genug belastet um eine starke Bewegung auszulösen, er hat einfach das Trägheitsmoment ausgenutzt.

 

Zwei weitere wichtige Aspekte sind natürlich das Merken der gespielten Karten, damit man weiß, welche Möglichkeiten haben die anderen noch und wie wahrscheinlich ist es das man selbst Kapitän wird, sowie das taktische Setzen der Teile.

 

Der einzige Mangel sind die Holzstäbchen, die leider sehr filigran sind, aber das war auch nicht anders zu lösen. Da müssen Eltern beim Auf- und Abbau behilflich sein oder aus dem nahegelegenen Baumarkt Ersatzholz heranschaffen. Abgesehen davon hat das Gegengewicht ausreichend Gewicht um Fliesen, teure Parkettböden und schön furnierte Holztische zu zerstören oder nachhaltig zu beschädigen. Dies sei nicht als Kritik gedacht, sondern eher als Hinweis wo man dieses Spiel nicht spielen sollte, zumindest nicht wenn man die Kinder damit alleine lässt.

 

Es spricht aber nichts dagegen, das Spiel ständig aufgebaut zu lassen. Hat man ausreichend Platz im Zimmer ist es schönes Stück Dekoration, dass immer wieder zum Spielen einlädt.

 

Unterm Strich, tolle Ausstattung, ein funktionierendes Spiel mit kurzer Spieldauer das immer wieder zu einen neuen Partie verführt. Wir hatten unseren Spaß, solange dem Papa beide Hände auf dem Rücken gebunden werden. Denn eine sichere Hand beim Auflegen, schnelle Hände beim Fangen und das Wissen über Gewichtsverteilung kann die Freude der anderen drücken. Ich denke aber der Kreativität, wie man solche Experten einschränkt, sind keine Grenzen gesetzt.

 

Kurt Schellenbauer

 

Spieler: 2 -4

Alter: 8+

Dauer: 20+

Autor: Christoph Cantzler

Grafik: Michael Menzel

Preis: ca. 50 Euro

Verlag: Zoch 2012

Web: www.zoch-verlag.com

Genre: Geschicklichkeitsspiel

Zielgruppe: Für Familien

Spezial: 2 Spieler

Version: multi

Regeln: de en fr it

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Wunderschöne, stimmige Ausstattung

Kartengedächtnis hilfreich

Trainiert Hand-Auge-Koordination und räumliches Denken

 

Vergleichbar:

Bamboleo, Hamsterrolle und andere Balance-Spiele mit beweglicher Unterlage

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Kurt Schellenbauer:

Man fühlt sich wie auf einem Dreimaster im 19. Jahrhundert auf hoher See, das Schiff schlingert und pflügt durch die Kreuzseen. Der einzige Unterschied, hier wird einem nicht übel.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 0

Strategie (blau): 0

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 3

Action (dunkelgrün): 3