Guillotine

 

 

Guillotine

von Paul Peterson

für 2 bis 5 Spieler ab 12 Jahren

Wizards of the Coast 1998

ca. 30 Minuten

 

WIN-Wertung:

* WW UU AA 3-5 (2-5) m

 

Vergleichbare Spiele:

Family Business (M, T)

 

Als am 14. Juli 1789 die Bastille, das verhaßte Pariser Staatsgefängnis, gestürmt wurde, bedeutete dies den Auftakt der Französischen Revolution. In den darauffolgenden turbulenten Jahren gab es - vor allem im Jahr der "Schreckensherrschaft" (Sommer 1793 bis Sommer 1794) eine Vielzahl von Hinrichtungen, bei der geschätzte 40.000 Menschen ihr Leben lassen mußten.

 

In diese Epoche versetzt und das Spiel "Guillotine" von Paul Peterson. Der Spieler steigt in die Rolle eines Henkers und versucht, so viele prominente Köpfe wie möglich zu sammeln. Wer da jetzt ein düsteres, schauriges Spiel mit blutrünstiger Untermalung erwartet, wird aber schon bei der Durchsicht der 110 Karten, aus denen das Spiel besteht, eines Besseren belehrt. Sowohl die 50 Karten, die die Noblen darstellen, welche im Spiel ihren Kopf verlieren sollen, als auch die 60 Aktionskarten sind eher im Comic-Stil gehalten und beabsichtigen gar nicht, die Grausamkeiten dieser Zeit zu vermitteln.

 

Die Noblen-Karten und die Aktionskarten werden getrennt voneinander gemischt. Von den Aktionskarten erhält jeder angehende Henker fünf Stück, der Rest wird als Talon beiseite gelegt. Vom Noblen-Stapel werden 12 Karten offen in einer Reihe aufgelegt. Dies sind die armen Teufel, die am ersten Tag den Weg zur Guillotine antreten müssen. Die Bezeichnung "Noble" ist übrigens etwas irreführend. Zwar ist ein beträchtlicher Teil der abgebildeten Personen adeliger Abstammung (Baron, Gräfin, Herzog, etc.). doch unter den Verurteilten finden sich auch viele andere Personen, wie zum Beispiel der unpopuläre Richter, die Palastwache, der Steuereinnehmer, der Erzbischof und so weiter. Zur besseren Übersicht sind die Personen farblich an ihrer gesellschaftlichen Stellung zu erkennen: Violette Karten für die Adeligen, grün für die Personen des öffentlichen Lebens, rot für das Militär und blau für die Kirche. Je höher die Position eines Verurteilten, desto größer ist das Ansehen, welches ein Henker bei dessen Hinrichtung genießt. So erhält man für einen kleinen Polizisten gerade mal einen mickrigen Ruhmespunkt, während ein Colonel der Garde schon deren 4 einbringt. Wer es schafft, so unbeliebte Persönlichkeiten wie Marie Antoinette um einen Kopf kürzer zu machen, darf sich sogar 5 Punkte gutschreiben. Dann gibt es aber auch Karten mit grauem Rand: Personen, deren Hinrichtung die Scharfrichter nicht gerade mit Ruhm bedecken, da ihnen die Sympathien des Volkes gehören. Diese bringen natürlich Punkteabzüge, wie beispielweise die arme Märtyrerin mit 1 Minuspunkt.

 

Generell muß der Spieler, der an der Reihe ist, die vorderste Person der Reihe köpfen und die Karte vor sich ablegen. Davor darf er aber noch eine Aktionskarte spielen, Zumeist versucht man mit deren Hilfe, die Reihenfolge der verurteilten Noblen so zu ändern, daß man prestigeträchtigere Köpfe bekommt oder zumindest nicht die "schlechten" ganz vorne enthaupten muß. Einige Karten bewirken, daß Noble einige Plätze nach vorne rutschen, andere können Noble ein paar Positionen nach hinten befördern, Die vordersten 5 Noblen-Karten können neu gemischt und aufgelegt werden, der vorderste Noble kann einfach auf den Ablagestapel wandern, ein beliebiger Nobler in der Reihe kann auf den vordersten Rang vorgerückt werden, und vieles mehr.

 

Andere Aktionskarten können direkt gegen einen oder mehrere Mitspieler gespielt werden, wiederum andere bringen in der Endabrechnung Sonderpunkte, und und und ... Kurz: Es gibt eine große Vielfalt an verschiedenen Aktionskarten.

 

So nimmt das grausige Schauspiel seinen Lauf, und ein Nobler nach dem anderen kommt an die Guillotine. Bis schließlich auch der letzte aus der Reihe der Verurteilten seinen Kopf verloren hat. Dann beginnt ein neuer Tag, an dem zwölf neue Noble ihren letzten Weg antreten müssen. Und wieder rollen die Köpfe, bis die Reihe leer ist. Schließlich wird auch noch ein dritter Tag gespielt. Wer am Ende mit seiner Köpfesammlung die höchste Summe an Ruhmespunkten erreicht, kann sich als der populärste Henker von Paris feiern lassen.

 

Das Spiel betrachtet das historische Geschehn wie gesagt von der komischen Seite, was sich nicht nur in den herrlichen Zeichnungen ausdrückt. Die beiden Magic-Grafiker Mike Raabe und Quinton Hoover haben die Karten mit viel skurrilem Humor gestaltet. Sogar die Titel der Aktionskarten haben einen lustigen Bezug zur Funktion der jeweiligen Karte. Die heitere Aufmachung paßt sehr gut zu diesem Spiel, welches ja auch nicht gerade von Taktik und Strategie geprägt ist. Der Einfluß der Spieler beschränkt sich auf das Ausspielen einer Aktionskarte vor dem Köpfen, und so wird die französische Revolution nicht gerade realitätsgetreu eher als großés Volksfest dargestellt. Ein großes "Hurrah", wenn jemand Robespierre köpft, ein "Braove" für den Cardinal, gellende Pfiffe der Menge hingegen, wenn es um den Helden des Volkes geht.

 

"Guillotine" ist somit - sofern man des Englischen mächtig ist - spielerisch recht leichte Kost mit einer Spieldauer von ungefähr einer halben Stunde. Mich und alle meine Mitspieler in den diversen Spielerunden hat allerdings gesört, daß man meist einen Haufen Aktionskarten in der Hand hält, die man alle nicht spielen kann. Wenn man anfangs 5 Karten hat, jede Runde eine nachzieht und durch dieverse Karteneffekte noch einige dazu erhalten kann, und dann trotzdem maximal eine Karte pro Runde spielen kann, ist das einfach unbefriedigend. Daher mein Tip: Zwei Karten dürfen pro Runde gespielt werden. Dies erhäht die eigenen Einflußmöglichkeiten zwar nicht immens, dafür tut sich mehr und die Aktionskarten kommen besser zur Geltung.

 

Mir gefällt "Guillotine" recht gut. Es ist an unseren Spieleabenden eine schöne Alternative zu "Family Business" geworden, zu welchem es ja vom Spielprinzip Ähnlichkeiten aufweist. Und noch etwas verbindet beide Spiele: Es gibt Spieler,. Die sich an diesem recht lockeren Umgang mit grausamen geschichtlichen Ereignissen stoßen. Im deutschsprachigen Raum, wo bereits Spiele Schwierigkeiten haben, bei denen von Eroberung gesprochen wird, könnte so ein Spiel gar nicht erst herausgebracht werden. Ich persönlich habe moralisch keine Bedenken, es handelt sich dabei schließlich immer noch bloß um Spiele, oder etwa nicht? w