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PORTUGIESISCHES WEINSPIEL

 

VINHOS

              

Export, Verkauf oder Weinausstellung?

 

2010 war das Jahr des Weines, zumindest wenn man sich die Neuvorstellungen der Spielemesse in Essen ansieht. Das für mich interessanteste Weinspiel heißt Vinhos (=Weine (pl.) auf portugiesisch) und kommt vom kleinen italienischen Verlag What's Your Game?, der mir erstmals im Jahr zuvor mit Vasco da Gama aufgefallen ist. Ich hätte ja nicht erwartet, dass ein italienischer Verlag nach einem Spiel über portugiesische Seefahrer ein Spiel über portugiesischen Wein veröffentlicht, aber scheinbar hat dort jemand ein Faible für das südwesteuropäische Land und dem Spiel schadet es mit Sicherheit nicht.

Dass es nicht um italienischen Wein geht wird wohl hauptsächlich am Autor, Vital Lacerda liegen, der kommt nämlich aus Portugal. Dieser Name war mir bisher vollkommen unbekannt, was aber insofern kein Wunder ist, als seine einzige bisherige Veröffentlichung eine Age-of-Steam-Erweiterung (Portugalkarte) war.

Die Spieler schlüpfen also in die Rollen von Weinproduzenten und versuchen, ihre Marke im In- und Ausland zu vermarkten.

Vinhos läuft über 6 Runden (= Jahre). Jede Runde besteht aus mehreren Phasen. Am Ende der dritten, fünften und sechsten Runde gibt es zusätzlich Ausstellungen, bei der die Spieler je einen Wein präsentieren  müssen.

Jede Runde beginnt mit einer Wettervorhersage für das kommende Jahr, in Form eines zufällig aufgedeckten Plättchens. Dies beeinflusst die Qualität des Weines der am Ende des Jahres gelesen wird. Weiters sind auf dem Plättchen die aktuellen Vorlieben der Manager abgebildet, was das bewirkt folgt noch, und einige Merkmale auf der Merkmaleskala werden weiter gezogen.

Danach folgen 2 Aktionsphasen in denen jeder Spieler je eine Aktion durchführt.

Es gibt neun unterschiedliche Aktionen die auf einem 3x3-Raster angeordnet sind. Jeder Spieler hat einen Aktionsmarker der auf diesem Raster bewegt wird um die auf dem Zielfeld befindliche Aktion auszuführen. Bewegungen auf ein Nachbarfeld sind gratis, wobei auch diagonal als benachbart zählt. Bewegungen darüber hinaus kosten 1000 Bagos. Stehen bleiben ist nicht erlaubt. Für jeden Aktionsmarker, der schon am Zielfeld steht, muss man zusätzlich 1000 Bagos an den jeweiligen Besitzer bezahlen.

Die möglichen Aktionen sind das Erwerben von Weinbergen, Weinkellern, Weingütern oder Önologen, die alle auf die eine oder andere Weise die Qualität des Weines verbessern oder dessen Produktion überhaupt es erlauben, die Banco do Vinho, die das herumschachern von Geld zwischen  Konto, Investitionen und Bargeld erlauben (eine genauere Erläuterung würde den Rahmen dieser Rezension sprengen), der Weinverkauf, der den Kontostand in Abhängigkeit der Qualität der verkauften Weine erhöht, der Weinexport, der ähnlich wie der Weinverkauf funktioniert, aber Siegpunkte statt Geld einbringt, das Anheuern von Weinexperten, die während des Spiels kleine Vorteile bringen oder bei den Ausstellungen genutzt werden können, und zu guter Letzt das Passen. Beim Passen kann man sich eine neue Position in der Spielerreihenfolge aussuchen (gilt ab der nächsten Phase) und, falls gewünscht, einen Wein für die nächste Ausstellung präsentieren.

Jeder Spieler kann bei jeder Ausstellung nur einen Wein präsentieren.

Dazu wählt man einen Wein aus und bestimmt dessen Wert, davon abhängig ist wie viele Weinexperten in der nächsten Ausstellung für diesen Wein geopfert werden können. Dann wählt man ein freies Ausstellungsfeld. Jedes Ausstellungsfeld gibt zwei von vier Merkmalen an. Je nachdem wie weit die Merkmale auf der Merkmaleskala vorgerückt sind gibt es dafür  Ausstellungspunkte. Außerdem können bei der nächsten Ausstellung dann auch nur Weinexperten der entsprechenden Merkmale geopfert werden (Es gibt vier verschieden Weinexpertentypen die den vier Merkmalen entsprechen). Jedes Ausstellungsfeld bringt auch einen Bonus, entweder Geld, Ausstellungspunkte, oder einen Weinexperten.

Zu guter Letzt werden noch die aktuellen Anforderungen der Manager am Wetterplättchen mit dem ausgestellten Wein verglichen. Auf befriedigte Manager kann man Weinfässer stellen. Jeder Manager erlaubt 5 unterschiedliche Vorteile. Vor, während oder nach einer eigenen Aktion kann man einen beliebigen Wein abgeben um einen Vorteil eines Managers zu nützen, vorausgesetzt man hat ein Weinfass dort dass man bewegen darf. Diese Vorteile bringen zusätzliche Aktionen oder Siegpunkte für unterschiedliche Besitztümer, hat man aber sein Fass aber einmal auf ein Siegpunktfeld bewegt darf man es nicht mehr bewegen.

Nach den Aktionsphasen kommt der Unterhalt. Jeder Önologe kostet 1000 Bagos. Außerdem bekommt man Geld für getätigte Investitionen, oder muss umgekehrt für aufgenommene Schulden bezahlen.

Danach altert der Wein. Jeder Wein im Besitz wird um ein Feld nach rechts bewegt. Gibt es kein Feld mehr rechts, ist der Wein sauer und muss abgeworfen werden. Hier hilft der Weinkeller, der längeres Lagern erlaubt und zudem den Wert gereifter Weine erhöht.

Am Schluss der Runde wird noch die Ausstellung abgehandelt, sofern eine stattfindet. Alle Spieler können nun noch gleichzeitig Weinexperten opfern, mit den oben angeführten Einschränkungen. Jeder Weinexperte bringt so viele Ausstellungspunkte wie es seinem Merkmal in der Merkmaleskala entspricht. Dann wird geschaut wer die meisten Ausstellungspunkte hat und entsprechend der Reihenfolge Siegpunkte verteilt.

Zu Spielende können noch verbliebene Weine für Manageraktionen genutzt werden. Dann werden noch Siegpunkte für Manager, Geld am Konto und exportierte Weine, nach einem Mehrheitsprinzip das ich hier nicht näher erläutern werde. Wer  dann am meisten Siegpunkte hat, hat gewonnen, welch Überraschung.

 

Man erkennt wohl schon an dieser Kurzzusammenfassung, dass Vinhos nicht gerade ein leicht zu erlernendes Spiel ist. Für das erste Spiel sollte man etwa 45 Minuten fürs Erklären einrechnen, wenn man jemanden hat der es erklären kann, zum Lesen muss man noch etwas Zeit draufschlagen. Wer diese Hürde aber genommen hat wird mit einem sehr schönen, gut durchdachten und gestalteten Spiel belohnt. Die größte Stärke ist gleichzeitig die größte Schwäche. Vinhos bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten zu Punkten zu kommen und damit mehrere Strategien die sich ausprobieren lassen und somit für Wiederspielreiz sorgen. Die vielen Optionen geben Optimierern aber auch viel zum Tüfteln was natürlich in längeren Wartezeiten und Spieldauer resultiert. Vor allem die letzte Runde und das Schlussspiel laden zum Herumrechnen ein, zumal die Ergebnisse meist knapp sind.

Somit hängt die Spieldauer sehr stark von den Mitspielern ab, steigt aber auch quasi linear mit der Anzahl an Mitspielern. Erlaubt sind zwei bis vier Spieler, wobei ich aber den Eindruck gewonnen habe dass das Spiel für vier Spieler optimiert wurde. Selbst für zwei Spieler gibt es keine geänderten Spielregeln oder Einschränkungen beim vorhandenen Spielmaterial. Folglich stößt man beim Spiel zu zweit auch kaum auf Grenzen, während zu viert schon mal das verfügbare Material knapp werden kann und Mitspieler regelmäßig für Aktionen bezahlt werden müssen. Das Spiel zu dritt liegt irgendwo dazwischen. Was aber nicht bedeutet dass das Spiel zu zweit oder dritt nicht problemlos funktioniert.

Am Spielmaterial und der grafischen Gestaltung kann man nichts aussetzen. Highlight sind die hölzernen Weinfässer, den Großteil bilden aber die funktionalen und hübsch gestalteten Kartonplättchen, mehr als 200 zusammengerechnet. Zippsackerl zum Wiedereinpacken wurden erfreulicherweise in ausreichender Anzahl beigepackt.

Wenn man meckern möchte könnte man die Farbwahl der Weinregionen kritisieren, die teilweise zu ähnlich sind. Im Spiel selbst stört das aber gar nicht, nur bei der Vorbereitung muss man genauer hinschauen.

Auch die (umfangreichen) Spielregeln sind vorbildlich gestaltet, gut aufgebaut, übersichtlich und lassen keine Fragen offen.

In einem Satz zusammengefasst, ist Vinhos ein hervorragendes Spiel für Freunde komplexer Spiele, das auch im Vergleich mit den Größen des Genres, wie Agricola oder Le Havre, gut mithalten kann.

 

Spieler      2-4

Dauer       90-180 min

 

Autor:      Vital Lacerda

Grafik:      Mariano Ianelli

Titel;        ident

Preis:       ca. 35 Euro

Verlag:     What's Your Game? 2010

               www.whatsyourgame.it

 

Genre       :Aufbauspiel

Zielgruppe: Für Experten

 

Version     : de

Regeln      : de en fr it

Text im Spiel : nein

 

Kommentar:            

viele Regeln, viele Möglichkeiten

zahlreiche Strategien zum Ausprobieren    

schönes Spielmaterial

Regeln gut verständlich

lange Spieldauer

 

Vergleichbar mit

Agricola, Le Havre

 

Gesamt: 6

 

Markus Wawra:

Ich mag komplexe Aufbauspiele die viele Möglichkeiten bieten und mich stört es auch nicht wenn so ein Spiel mal bis zu vier Stunden dauern kann … daher mag ich auch Vinhos, denn in diesem Genre gehört zu den allerbesten.

 

Zufall                     2

Taktik                    2

Strategie__           3

Kreativität            

Wissen_                

Gedächtnis            1

Kommunikation    

Interaktion            2

Geschicklichkeit   

Action