UNSERE REZENSION

 

Die berühmteste Schlacht Napoleons

 

WATERLOO

 

Auf sehr persönliche Art nachempfunden

 

Zur Entscheidungsschlacht von Waterloo wurden schon viele War Games entworfen und veröffentlicht, von strategischen Spielen (wie das hochberühmte WAR AND PEACE oder auch NAPOLEON von Avalon Hill) zu operativen Spielen (von denen das bekannteste SPI’s NAPOLEON LAST BATTLES ist) und zu sehr detaillierten Aktionen innerhalb dieses Napoleonischen Feldzugs oder auch solche, die sich auf einen Tag der dreitägigen Schlacht beschränken.

 

Wenn sie, so wie ich, ein alter Hase in War Games sind, werden sie beim ersten Öffnen der Schachtel schockiert sein; anstelle der traditionellen vorgestanzten Pappendeckel-Marker findet man einige farbige Holzfiguren – für Infanterie, Artillerie, Kavallerie und Anführer.

Aaaaaarrrrggggghhhh! Sakrileg!!!! Was traut sich dieser verflixte Wallace????

 

Ich war entsetzt, aber mit dem Kauf von Waterloo habe ich einiges investiert und so musste ich es zumindest einige Male ausprobieren, nur um herauszufinden, wie Martin diesmal an die Sache herangegangen ist – Ich besitze alle Spiele dieses Autors und im allgemeinen bin ich mehr als zufrieden mit dem, wofür ich mein Geld ausgegeben habe!!!

 

Nun, das Ergebnis ist, das ich bis heute mehr als ein Dutzend Partien mit den unterschiedlichsten Gegnern gespielt habe; einige von ihnen sehr erfahrene War Gamer und andere durchschnittliche Brettspieler; alle von ihnen wurden zum Spielen “verpflichtet”, auch wenn meistens, die erste Reaktion genau die gleiche war wie meine. Ich muss zugeben, ich mag das Spiel, auch wenn der Zugang zur Schlacht nur zwei bis drei Richtungen haben mag (Angriff rechts, Angriff in der Mitte oder Angriff links), sind die Folgereaktionen in jedem Spiel sehr verschieden, also will man zurück aufs Schlachtfeld und eine andere Taktik ausprobieren.

 

Was man für sein Geld bekommt, ist eine Standard Treefrog/Warfrog Schachtel, kompakt und gut gemacht, mit einem Plan der Waterloo Region (von Plancenoit nach Mont St. Jean, durch die mythischen Bauernhöfe La Belle Alliance und La Haye Sainte oder das befestigte Hougomont), unterteilt in kleinere Flächen. Auf jeder Fläche sind die Ikonen jener Kampfeinheiten abgebildet, die die Schlacht hier beginnen, daher ist das Aufstellen des Spiels sehr schnell und einfach zu erledigen. Das Gelände beinhaltet offenes Gelände, Senken (die die Sichtlinie für die Gewehre verringern), Wald, Dörfer, Flüsse, Befestigungen etc.

 

Kampfeinheiten (52 französische und 58 alliierte) werden durch farbige Holzsteine dargestellt: Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Anführer. Die französische Armee ist blau (bzw. Dunkelblau für die Gardeeinheiten) und die Alliierten sind rot (Briten), orange (Holland), Grün (Deutsche) und Schwarz/Grau (Preußen).

 

Es gibt auch den üblichen Mix an Holzwürfeln, vor allem zum Markieren der Treffer, runde Marker für die Aktionen und flache Quadrate aus dem Wallace Spiele-Arsenal: 8 schwarze Marker, nummeriert von 2 bis 5, definieren die Länge jedes Spielerzuges; vier D6 Würfel komplettieren die Ausstattung.

 

Der Ablauf einer Runde:

(1)   – Wahl der entsprechenden Nummer an Aktionsscheiben; Man benutzt sie für Befehle an die Kampfeinheiten, von BEWEGEN (Grüne Scheibe), Strategische Bewegung (Grün oder Lila), Artillerie Feuer (Grün), Angriff (Rot oder Grün), Aufstellungsänderung (Grün) und Mobilisieren (Grün) Die Anzahl Scheiben jeder Farbe wird durch Nationalität und Runde bestimmt.

(2)   – Eingriff der Preußen: Nach Runde 3 müssen die Alliierten die Anzahl und Art Preußischer Verstärkung prüfen, die das Schlachtfeld betritt.

(3)   – Scharmützel-Feuer: Alle Infanterie-Einheiten in einer Fläche feuern auf feindliche Einheiten einer benachbarten Fläche.

(4)   – Beginn der Aktionsrunden (siehe weiter unten)

(5)   – Beide Spieler können die Aufstellung ihrer Einheiten ändern, dann wird auf Siegbedingung geprüft und das Rundenende abgewickelt.

 

Infanterie und Artillerieeinheiten können die Runde in einer “mobilen” Position (die hölzerne Figur steht aufrecht) oder in Verteidigungsstellung (die Einheit liegt auf der Seite) beginnen. Die mobile Formation erlaubt der Einheit, sich zu bewegen, zu feuern und anzugreifen; die Verteidigungsstellung ist defensive und statisch mit Vorteilen, wenn man angegriffen wird. Kavallerie beginnt immer aufrecht und wird nur bei Erschöpfung umgelegt, aber kann dann nicht mehr die Stellung wechseln und bleibt bis zum Ende des Spiels „unten“, was die Möglichkeiten natürlich etwas einschränkt.

 

Manche Geländearten machen die Verteidiger noch etwas stärker; Wald, vor allem, blockt Kavallerieangriffe, während die drei Befestigungen (Hougomont, Papelotte und La Haye Sainte) zu Beginn in der Hand der Alliierten sind und ziemlich harte Nüsse zu knacken für die französische Armee.

 

Die Franzosen haben die Initiative und die Aufgabe, die Alliierten zu vertreiben und zum Rückzug zu zwingen, wenn möglich mit schweren Verlusten. Die Alliierten müssen daher der Verstärkung ihrer Befestigungen mehr Aufmerksamkeit schenken und sofort die am meisten betroffenen Einheiten zurückziehen, bevor sie in die Flucht geschlagen werden. Dies ist vor allem eine Abnützungsschlacht und die Siegbedingungen spiegeln dies wider: Die Schlacht wird von den Franzosen gewonnen, wenn sie Mount St. Jean mit einer oder mehreren Einheiten erreichen oder falls sie dem Feind 13 oder mehr Verluste zufügen; die Alliierten hingegen gewinnen wenn sie Rossomme (hinter den französischen Linien) erreichen oder ihrem Gegner 16 oder mehr Verluste zufügen. Die Spielziele zu erreichen ist fast unmöglich also muss man dem Feind so viele Treffer wie möglich zufügen und gleichzeitig versuchen die besten Verteidigungsstellungen zu übernehmen oder zu erhalten; 90% der Schlachten die ich gespielt habe, wurden durch in die Flucht schlagen des Gegners gewonnen.

 

Die Runde beginnt mit dem ersten Zug des aktiven Spielers; der nicht-aktive Spieler zieht zufällig ein schwarzes Plättchen aus dem Sack, die Nummer auf dem Plättchen (das geheim gehalten wird) gibt die Anzahl Aktionen an, die der andere Spieler nutzen kann. Nun beginnt der aktive Spieler Befehle zu geben, also die farbigen Holzscheiben einzusetzen; entweder an die Einheiten oder einen Anführer. Ein Anführer kann den Befehl an die Einheiten zweier benachbarter Flächen weitergeben; dies gibt mehr Möglichkeiten. Danach gelten sie als „erschöpft“ und können für den Rest der Runde nicht mehr benutzt werden. Haben sich einige der Einheiten in feindliches Gebiet begeben, folgt nun Kampf.

 

Kämpfe sind der bei weitem komplizierteste Teil des Spiels, zumindest am Anfang und für Nicht-War Gamer; man muss die Regeln sorgfältig lesen und alle Kampftabellen zweimal überprüfen. Zum Glück hat Wallace einige sehr verständliche und nützliche Spielhilfe-Blätter produziert und nach einem ersten Test-Spiel braucht man damit die Regeln nicht mehr.

Normalerweise beginnt ein Kampf mit dem Beschuss der feindlichen Fläche durch die Artillerie; die Auswirkungen können NULL, EIN oder ZWEI Schaden sein, je nach der Artilleriefeuer-Tabelle und dem Abstand zwischen schießender Einheit und Ziel. Jeder Schaden. Jeder Schaden wird mit einem kleinen Holzwürfel (rot für die Alliierten, schwarz für die Preußen und blau für die Franzosen) markiert; hat eine Einheit 6 Würfel kassiert, flüchtet sie und wird eliminiert.

 

Vor dem Artilleriefeuer oder anstelle davon kann man einfach den Feind mit Infanterie und/oder Kavallerie angreifen; das ist der Punkt, mit dem man im ersten Spiel am meisten Zeit beim Erfahrung sammeln verbringt und oft die Regeln zur Hand nimmt. Hat man einmal ein paar Kämpfe hinter sich, wird es einfacher, aber es ist wie in einer wirklichen Schlacht: Ein irgendwie konfuser Mix aus Aktionen, mit Rauch, der das Schlachtfeld verbirgt, Einheiten in Angriff und Gegenangriff, und so weiter. Also schauen wir uns das genauer an:

 

Wir haben unsere Infanterie im Feuer der gegnerischen Artillerie verlassen, richtig? Wenn einmal dieser Willkommensangriff überstanden ist, greift die Kavallerie die gegnerische Kavallerie an und dann geht es Infanterie gegen Infanterie. Verluste/Schaden wird gegen die entsprechenden Tabellen überprüft und steigen auf beiden Seiten rasch an; es ist UNBEDINGT notwendig, dauern die von den eigenen Einheiten erhaltenen Treffer zu überprüfen und sie für die folgenden Moral-Prüfungen umzugruppieren, die normalerweise einem schlechten Ausgang folgen. So wie in den wirklichen Schlachten dieser Zeit ist Moral sehr wichtig und wenn eine Einheit in der Mitte des Kampfs die Nerven verliert, kann das Ergebnis katastrophal sein; mit hohen Verlusten und der großen Wahrscheinlichkeit einer Flucht. Napoleon hat tatsächlich die Schlacht von Waterloo verloren, als seine Kaiserliche Garde den Rückzug angetreten hat, die anderen Truppen gaben sofort beim Ruf “la Garde recule – die Garde zieht sich zurück” auf, denn für sie war es ein Schock, diese Veteranen mit der stärksten Kampfmoral aller Armeen dieser Zeit einen Schritt nach hinten machen zu sehen. Die Kampfmoral-Tabelle legt fest, dass wenn eine Einheit viele Verluste erlitten hat, sagen wir 4-5 Würfel, der Kampfmoral-Test (man wirft einen D6-Würfel) richtig gefährlich wird – bei 5 Verlusten bedeutet ein Wurf zwischen 1 und 5 die Flucht! Zum Glück gibt es auch positive Faktoren (Unterstützung durch Anhänger, Art der Aufstellung, gut zu verteidigendes Gelände, Art der Einheit usw.), die das Risiko einer Flucht reduzieren, aber es ist offensichtlich, dass eine erschöpfte Einheit mit 4-5 Schaden/Verlusten sofort hinter die eigenen Linien zurückgezogen und durch eine ausgeruhte Einheit ersetzt werden sollte. Wie auch immer, der Kampf geht weiter, überlebende Kavallerie greift die feindliche Infanterie und Artillerie an, so welche übrig blieb, und die Infanterie mach einen letzten Angriff auf die verbliebenen Gewehre.

Ich mag diese Art von Konflikt und die Art wie Herr Wallace ihn handhabt; wenn man einmal die verschiedenen Verfahren kennt ist die Spielhilfe ausreichend, um jede Phase des Spiels abzuwickeln und die Runden folgen rasch aufeinander … aber, warte mal eine Minute: Was ist mit dem schwarzen Plättchen, das der Gegner gezogen hat?

 

Nun. Das ist eine weitere Facette dieses Spiels, die mir sehr gefällt, trotz des ersten negativen Eindrucks in meinem allerersten Spiel. Man weiß nie, wie viele Aktionen man spielen wird. Der Gegner könnte eine miese „2“ gezogen haben, oder auch eine hochinteressante “5”. Nach jeder vollständig abgewickelten Aktion muss man hoffnungsvoll auf das Urteil des Gegners warten: Ende der Runde oder nicht? Man kann sich die Haltung dieses Sadisten vorstellen: Ja? Nein? Komm schon, kann ich weitermachen oder nicht? Und das böse Lächeln gibt einem die negative Antwort …

 

Das hat uns gelehrt, dass jeder Zug aus einer zufälligen Anzahl Aktionen besteht, bestimmt durch das schwarze Plättchen.

Jede Spielrunde hat eine variable Anzahl Züge; in jedem Zug spielt man ein paar Aktionsscheiben und widmet den grünen besondere Aufmerksamkeit, denn: hat man seine grünen Aktionsscheiben verbraucht, hat der Gegner das Recht einen letzten Zug zu machen, dann endet die Runde.

 

Zu Beginn der vierten Runde beginnen die Preußen am Schlachtfeld einzutreffen und damit wendet sich das Blatt mehr und mehr in Richtung der Alliierten. Daher muss der Spieler Frankreichs einen guten aggressiven Startplan haben und in den ersten drei Runden aggressiv angreifen ohne zu viel Zeit und Aktionen in Gegenden abseits der Hauptfront zu verbrauchen.

 

Die Befestigungen sind der Schlüssel zum Sieg: Hougomont ist sehr schwierig einzunehmen, beinahe unmöglich gegen einen erfahrenen Spieler; La Haye Sainte sollte sofort angegriffen werden, in der Hoffnung auf ein paar gute Ergebnisse, die helfen, den Gegenangriff der Alliierten zu überstehen (die Artillerie und gute Truppen rundherum stehen haben). Papelotte ist viel leichter zu knacken, vor allem in der ersten oder zweiten Runde und erlaubt einem, Einheiten auf der linken Flanke der Alliierten ins Gefecht zu bringen … aber das ist genau dort, wo die Preußen in Runde 4 und später ankommen, daher: Wenn man Papelotte erobert, soll man den Angriff nicht stoppen, sondern sich nach links wenden und versuchen, die Alliierten vor Runde 4 einzukreisen.

 

Die Franzosen können in den ersten drei Runden eine Menge Verluste erwarten, weil sie starke Verteidigungskräfte angreifen müssen, daher muss man immer frische Truppen in Bereitschaft halten um die mit den höchsten Verlusten auszugleichen und so weit wie möglich zurückzuziehen. Ab Runde 3 sollte man die Verluste gegenüber den Alliierten in offenem Gelände ausgleichen können; die Infanterie hat nun einen Vorteil und die Verluste auf Seiten der Alliierten werden schnell steigen, auch weil es für sie schwieriger wird, Truppen zu rotieren; daher kann man die Flucht vieler getroffener Einheiten in den folgenden Runden erwarten.

 

Die Alliierten haben das gut zu verteidigende Gelände auf ihrer Seite, zumindest am Anfang; aber es sollte ihnen bewusst sein dass es unmöglich sein wird, die Franzosen überall aufzuhalten, also sollten sie die ersten Runden zur Verstärkung der Befestigungen nutzen und die Reserven vorzubereiten um die berühmte linke Flanke zu schützen. Man kann auch versuchen, in den ersten Runden die grünen Scheiben schnellstmöglich zu verbrauchen um den Zug so schnell wie möglich zu beenden und die Ankunft der Preußen zu beschleunigen.

 

Alles in allem ein gutes Spiel, aber nur ein „nettes“ War Game, von dem ich sicher bin, dass es auch von erfahrenen Spielern geschätzt wird, auch wenn sie nie ein klassisches War Game gespielt haben.

 

Aber haben sie Geduld und testen Sie das Spiel zumindest zwei oder drei Mal, denn es nur einmal zu spielen wird keinen guten Eindruck hinterlassen, es gibt zu viele Punkte zu befolgen: Ich bin sicher, dass Sie ab dem dritten Spiel alle subtilen Facetten von Mr. Wallace’s Waterloo zu schätzen wissen. Und wenn das Endurteil positiv ausfällt, dann erinnern Sie sich hoffentlich daran, dass es ein Nachfolgespiel gibt: Die Schlacht von GETTYSBURG!!!

 

Pietro Cremona

 

Spieler: 2-3

Alter: 12+

Dauer: 200+

Autor: Martin Wallace

Grafik: Peter Dennis

Preis: auf Anfrage

Verlag: Treefrog Games 2009

Web: www.treefroggames.com

Genre: Historische Konfliktsimulation

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 2 Spieler

Version: en

Regeln: de en

Text im Spiel: no

 

Kommentar:

Interessante Wahl des Materials

Anzahl Aktionen pro Runde zufällig festgelegt

Eher für Freunde des Genres und erfahrene Spieler

 

Vergleichbar:

Grundsätzlich andere Konfliktsimulationen, erstes Spiel in dieser Art

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 5

 

Pietro Cremona:

Ein hochinteressanters Strategiespiel und ein nettes War Game / nette Konfliktsimulation für erfahrene Spieler.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0