Rezension

 

Züge, Autos und nun Schiffe

 

 Ships

 

Wieder ein Martin Wallace Spiel zum Thema Transport

 

Thema dieses Spieles ist die Entwicklung der Seefahrt von den (europäischen) Anfängen im östlichen Mittelmeer bis ins 20. Jahrhundert, wobei mit der Entwicklung immer besserer Schiffe nach und nach mit der ganzen Welt Handel getrieben konnte, notfalls auch mit Druck durch Kriegsschiffe.

 

Der Spielplan zeigt - im Zentrum-Europa mit etlichen Hafenstädten, farblich in drei Zonen geteilt, welche auch Zeit-Epochen darstellen: die Älteste mit den Phöniziern und Griechen und deren Städten in Kleinasien und Afrika, dann - mit dem westlichem Mittelmeerraum- die Römerzeit und als letztes der Atlantik, die Zeit der Wikinger, der Hanse und der Spanier. Die folgenden Weltgegenden und Epochen - insgesamt drei – sind nur stilisiert als ein breiter Streifen um Europa dargestellt. Dort liegen Weltgegenden (statt Häfen), die letzte Zone heißt einfach „Rest of the World“.

Den bereits beschriebenen Bereich des Plans umrahmt eine Leiste mit relativ attraktiven Bildern von Schiffen, beginnend mit „Phoenician Trader“ und „Phoenician Galley“ immer Paare aus einem Handels- und einem Kriegsschiff bis zum „Tramp Steamer“ und dem Flugzeugträger „Lexington“. Insgesamt finden wir elf Zeitalter des Schiffsbaus, darunter z.B. auch ein Wikinger-Langschiff, ein spanisches Kriegsschiff und die Lusitania.

 

Dieses Spiel folgt zwei chronologischen Ebenen: einerseits dem technischen Fortschritt beim Schiffsbau und andererseits - dadurch bedingt – der Entdeckung neuer Weltgegenden durch größere Reichweiten der Reisen. Um den technologischen Fortschritt voranzutreiben oder neue Länder zu entdecken, müssen Spieler sogenannte Navigation Counters (NC)  abgeben; wer als Erster ein moderneres

Boot „baut“ erhält Siegpunkte; wer aber noch zu alte Schiffe am Spielbrett hat, verliert SP !

Neue Weltgegenden zu erschließen kostet auch NC, der Erste darf sich den besten Hafen aussuchen. Neue Gebiete bringen höhere Einnahmen und wertvollere Waren. Nachrückende Mitspieler müssen keine NC bezahlen, erhalten aber auch keine Siegpunkte für weitere Kähne der neuen Bauart.

 

Jeder Spieler erhält ein Spielbrett, Stadtscheiben (17) und Handelswürfel (20) aus Holz, dazu sechs Schiffs-Counter seiner Farbe pro Zeitalter (Galeeren, Segelschiffe und Dampfschiffe).

Weiteres Spielmaterial besteht aus Waren- und Navigations-Plättchen, Münzen, weiteren Handelswürfeln in schwarz („freie Aktionen“, 25 Stück) und 55 Spielkarten (ebenfalls in drei Zeitalter geteilt).

 

Die Spielerbretter zeigen fünf Reihen: von oben beginnend zuerst das Warenhaus mit neun Plätzen, drei davon frei, darunter die Bank mit zehn Plätzen, zwei frei – auf die restlichen wird je ein Stadtplättchen (insgesamt 14) gelegt. Diese wandern im Laufe des Spiels auf die Stadtfelder des Plans, womit Platz wird für erworbene Waren und Geld der Spieler. Die dritte Reihe heißt „available stock“, dort liegen zu Beginn 9 Handels- und 2 freie Aktionswürfel (weitere können dazukommen, ist auch nötig, da etliche auf dem Spielplan länger liegen bleiben). Die vierte Reihe ist die Aktionsleiste, pro Zug hat jeder 2 Aktionen, plus eventuelle freie (die schwarzen „Handels“-Würfel), wählbar aus acht Möglichkeiten:

I.) Ein Schiff platzieren - in der aktuellen Entwicklungsstufe, oder in der nächsten (technischer Fortschritt !), dies kostet eine Anzahl NC (fünf bis neun Stück).  Allerdings - eleganter Kniff - die Anzahl der Schiffe in der aktuellen technischen Stufe wird vom Preis abgezogen. Jeder kann in derselben Stufe mehrere Schiffe haben – aber will ich den Preis für die Mitspieler senken? Für ein Kriegsschiff ist zusätzlich ein Nahrungs-Counter zu bezahlen - Soldaten müssen essen! Mit dem Platzieren eines Schiffes wird ein Handelswürfel entweder in ein Handelsfeld einer Stadt gelegt und ein (oder zwei) Plättchen der abgebildeten Ware für das eigene Warenhaus erworben oder - beim Kriegsschiff- wird eine Stadtscheibe auf die Stadt selbst gelegt und der dortige Bonus kassiert (Siegpunkte, Geld, Handelswürfel, NCs u.a. mehr). Jedes Stadt- und Handelsfeld kann nur einmal belegt werden.

 

II.) Ein bereits am Plan befindliches Schiff verbessern, d.h. auf eine höhere technische  Stufe bringen – und wieder eine Stadtscheibe oder einen Handelswürfel auf das passende Feld legen (und kassieren).

 

III.) Ein Schiff vom Plan zu entfernen: um keine Minuspunkte für ältere Modelle bezahlen zu müssen.

 

IV.) Eine der offen liegenden Karten nehmen - diese können erhebliche Boni gewähren, müssen aber sofort ausgespielt werden - damit ist es oft eine Frage des richtigen Zeitpunktes diese Aktion zu wählen, da manche Karte im besten Falle einen Strauß neuer Möglichkeiten eröffnen kann. Natürlich bringt diese Option einen Glücksfaktor in „Ships“, der dem Spiel aber gut tut und jede Partie anders verlaufen lässt. Entscheidend ist dieser nie wirklich, weil es etliche weitere Gelegenheiten gibt auf anderem Wege seinen Vorteil zu suchen. Diese Aktion ist übrigens die einzige, die pro Runde nur einmal zur Verfügung steht.

 

V.) Eine Münze nehmen (Zahlungsmittel).

 

VI.) Zwei NC erhalten (wie bereits erwähnt, unerlässlich für die Entdeckung neuer Weltgegenden und um modernere Schiffe zu bauen).

 

VII.) Waren verkaufen, es gibt Münzen - wenn die eigene Bank zu wenig Platz hat, werden diese automatisch in Siegpunkte umgewandelt (zwei bringen 1 SP).

 

VIII.) Handelswürfel von der Aktionsleiste oder von einem Gebiet des Spielplans zurücknehmen und sie wieder in die „available stock“-Reihe legen. Ohne dort verfügbare Würfel keine Aktionen!

 

Die unterste - fünfte - Reihe des Spielertableaus zeigt wie viele Aktionen pro Runde zur Verfügung stehen, dies ändert sich mit den drei Zeitaltern des Schiffsbaues.

 

„Ships“ ist sicher ein Spiel für Geübte, es braucht Zeit und mehrere Partien bis die Abläufe sitzen. Aber ! Großer Pluspunkt !- dieses Spiel bietet keine verlässliche Sieg-Strategie, die Verzahnungen greifen sehr gut ineinander, alles was die Mitspieler treiben, beeinflusst immer auch die anderen, nötigt sie umzudenken – ein Musterbeispiel für Interaktion. Fast eine Antithese zu den derzeit so beliebten Spielen, mit etlichen Siegpunkte-Leisten (mindestens 1-2 pro Spieler ) zur Maximierung, jeder spielt für sich allein, wobei in der Regel der beste Mathematiker gewinnt.

 

Wie läuft so eine Partie eigentlich? „Ships“ ist nicht wirklich komplex, die Regeln rasch erklärt und im Nu bin ich stolzer Besitzer eines phönizischen Handelsschiffes, habe dafür in Alexandria „Spice“ bekommen (und 7 SP plus eine Münze geerntet, musste dafür aber einen Handelswürfel abgeben) - und im Schwung des Erfolges gleich noch einen Kahn angeschafft (Anfängerfehler !) und in derselben Stadt zwei Getreide-Marker erstanden, die ich später zum Bau eines Kriegsschiffes verwenden will. Mit der „freien Aktion“ (schwarz) kaufte ich noch eine Karte „phönizisches Alphabet“ die mir ein weiteres Klötzchen meiner Farbe einbringt als Ersatz für das an „Spice“ verlorene.

 

Der Spieler nach mir baut ein moderneres (Kriegs-)Schiff mittels einer Karte, erhielt deshalb 3 SP und ich beginne zu grübeln, was ich mit meinen beiden Booten machen soll, modernisieren oder abwracken - kostet beide Aktionen der nächsten Runde. Gibt es nicht da eine Karte mit der Möglichkeit alle Kähne einer technischen Bauart zu verschrotten... hoffentlich nimmt sie mir keiner vorher weg, glücklicherweise habe ich das Geld sie zu kaufen...

Früher oder später wird die nächste Weltgegend entdeckt, dort sind Städte und Waren einträglicher, zuerst aber wird noch die alte Region abgerechnet: Handelsplätze bringen SP, Stadtplättchen auch, umso mehr als Handelswürfel der eigenen Farbe dort liegen, aber alle Steine müssen liegen bleiben! Handelsklötzchen zurücknehmen ist eben eine eigene Aktion!

Neue Märkte (d.h. Regionen) bringen auch neue Waren (Stoffe - sehr wertvoll) und neue Chancen, zum Beispiel Industrie-Plättchen, diese verdoppeln die Erträge ( z.B. zwei Metall statt einem). Die Stadtplättchen bieten teils mehr Boni, besonders wichtig ist, mehr Handelsklötzchen der eigenen Farbe zu besitzen, sonst droht gegen Spielende deren Mangel, genau dann, wenn die fettesten Preise für die Waren zu erzielen sind. Ärgerlich sind da Rückholmanöver (praktisch verschleuderte Aktionen) von Handelswürfeln statt diese siegbringend auf die Kontore platzieren zu können.

 

Waren dienen nicht nur zum Verkauf (und bringen unterschiedenen Erträge), einige davon können auch getauscht werden, und zwar ohne eine Aktion zu verbrauchen!! - ein elegantes „Schmier“-Mittel: Ein Tausch ermöglicht oft im gleichen Zug zusätzliche Aktionen!- sehr wertvoll, weil sich die Situation am Spielplan rasch ändert und eine Chance den lieben Mitspielern vor der Nase wegzuschnappen macht durchaus Freude. Diese Feinheiten zu erlernen benötigt es etliche Partien, denn „viele (alle?) Wege führen nach Rom“. „Ships“ bietet eine Fülle von Gelegenheiten, auch in scheinbar schlechter Lage aufzuholen und weiter um den Sieg mitzuspielen. Dieses Spiel verzeiht so manchen Fehler, weil sich immer wieder ein neues Türchen öffnet, um eine Scharte auszuwetzen.

 

 

Bei unserer Runde halfen wir oft einander - besonders wenn ein „Neuer“ am Tisch saß, derart, dass dieser am Ende mit vorne lag – wir haben dabei immer etwas dazugelernt (und in Gedanken gegrübelt, welcher Weg bei der nächsten Partie erfolgreicher sein könnte). Dieses Wallace Werk hat zwei Stärken: zum Einen sind die Regeln schlüssig und nicht umfangreich (hübsch bebildertes Regelheft, gut gegliedert, mit knappen geschichtlichen Anmerkungen) und erlauben raschen Beginn ohne endloses Regel-Studium; natürlich passiert zu Beginn der eine oder andere Fehler, der aber nicht gravierende Folgen für den weiteren Verlauf zeitigt oder den Spielspaß mindert, da keiner deshalb gleich unaufholbar abgehängt wird. Nach eigenem Fehler oder wenn einem Mitspieler ein richtig geiler Zug gelang, stellt sich prompt das Gefühl ein „da muss doch noch Anderes möglich sein“ und durch seine Flexibilität bedient „Ships“ genau diesen Ehrgeiz, es besser zu machen beim nächsten Mal.

 

Die zweite Stärke dieses Spiels liegt darin, dass keine Partie der vorherigen gleicht und somit der Wiederspielreiz tatsächlich sehr hoch ist. Dazu tragen auch die bereits erwähnten Karten insofern bei, als nie dieselben im Spiel sind: insgesamt gibt es 55, aufgeteilt auf die drei Epochen des Schiffbaus. Wenn also z.B. die Galeeren von den Segelschiffen verdrängt werden, endet die erste Ära; eventuelle verbliebene Karten werden aus dem Spiel genommen und durch ein Deck mit zwölf neuen ersetzt, ebenso zu Beginn der Dampfs-Zeitalters. So sind bei jeder Partie „Ships“ nur 36 der 55 Möglichkeiten im Spiel - zufällig ausgewählt!- Die so erworbenen Boni steigen im Wert, manche Exemplare gibt es mehrmals.

Nebenbei bemerkt, auch die Reihenfolge der einzelnen Spieler am Tisch - es geht reihum - kann die Entscheidungen im Spiel beeinflussen, weshalb zu Beginn der Dritte und Vierte einen „Food Marker“ als Kompensation erhalten (zur Erinnerung: damit kann man ein Kriegsschiff bauen und ein Stadtplättchen mit nettem Bonus ergattern). Das Spiel endet wenn die letzte Sprosse auf der Leiter des Fortschritts erreicht ist (die elfte) und mindestens fünf Schiffe sich auf diesen beiden Feldern befinden, wobei die angefangene Runde noch fertig gespielt wird – und die Letzten, so sie im Besitze ausreichender Handelsklötzchen sind, sich in der Lage sehen, massenhaft SP scheffeln zu können. Es ist durchaus möglich, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Weltgegenden erschlossen sind. Unsere interne Diskussion ob es günstiger sei als Erster zu beginnen oder als allerletzter noch spielen zu können, erbrach kein einhelliges Ergebnis.

Positiv ist noch zu bemerken, dass sich Ships“ gegen Ende nicht ewig zieht, wie so manche andere Spiele und sogar eher flotter wird.

 

In Summe ein gelungenes „Wirtschaftsspiel“ von Martin Wallace, nicht ganz so elegant wie „Brass“ aber etwas vielfältiger, relativ leichter Einstieg, aber überraschend tiefgründig und facettenreich. Ein echtes Statement und das vorletzte Spiel von Treefrog! Bravo und leider!

 

Christoph Proksch

 

Spieler: 2-4

Alter: 13+

Dauer: 120+

Autor: Martin Wallace

Gestaltung: Peter Dennis, Hans Kleinenberg

Preis: -

Verlag: Treefrog Games 2015

Web: -

Genre: Entwicklung, Transport, Geschichte

Zielgruppe: Für Experten

Version: en

Regeln: en

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Vorbildliche Regel

Schönes Material

Verzeiht Fehler

Hoher Wiederspielreiz

 

Vergleichbar:

Automobile

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Christoph Proksch:

Ein anspruchsvolles, sehr vielseitiges Spiel für Geübte, mit hohem Wiederspiel-Faktor, es macht viel Spaß und ist spannend

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 2

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0