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Stadtentwicklung mit Karten

 

LONDON

 

Nicht auf die Bevölkerung vergessen!

 

London von Martin Wallace erschien beim Treefrog-Verlag 2010 anlässlich der Spielemesse Essen, und war bereits am 2.Tag vergriffen. Auch von unserer Spielrunde kauften nach einer Probepartie gleich 3 Mitspieler diese Neuerscheinung, die wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln (Brötchen) über den Ladentisch wanderte. Wer jetzt noch London haben will, muss auf eine Neuauflage warten.

 

Beginnend nach dem Großen Brand im 17. Jahrhundert wird die Entwicklung der Stadt mittels eines Kartenspiels nacherzählt. In einer Schachtel von "Brass"-Format findet sich neben 110 Karten reichlich Material - bestehend aus Kartonteilen, Holzsteinen, Plastikchips und einem Spielplan, der eine Karte Londons - in Stadtteile (Boroughs) unterteilt - zeigt. Die Chips stellen Geld dar - wie in "Brass"-, schwarze Holzwürfel und Scheiben symbolisieren sogenannte Armutspunkte - diese bringen bei der Endabrechnung Punkteabzüge, welche leicht einen vermeintlichen Sieg kosten können, fast wie im richtigen Leben: rasch wachsende Städte ziehen viele Neuzuwanderer an, welche sich Arbeit und Wohlstand erhoffen und schließlich als schlecht bezahlte Unterschicht in Armut leben müssen. Jeder Spieler tut gut daran nicht nur Monumente, Paläste oder Geschäfte zu erbauen, sondern auch Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung wie Verkehrsmittel, Straßenbeleuchtung oder Abwasserkanäle. Die Kartonplättchen schließlich stellen Siegpunkte, Kredite, Undergroundstationen (endlich ein Tüpfelchen Eisenbahn, wie es sich für Wallace gehört) und in den 4 Spielerfarben Besitzanzeigemarker für Stadtbezirke dar. Kredite können jederzeit genommen werden und sind erst am Spielende fällig - allerdings gegen saftige Zinsen; wer nicht bezahlen kann, erleidet empfindliche Siegpunkteabzüge.

 

Die Gestaltung des Spieles ist bestechend gut gelungen und stimmig - es zeigt die Entstehung der Metropole wie wir sie heute kennen, der Zeitablauf ist nachvollzogen durch 3 in bestimmter Reihenfolge zu spielende Kartenstapel, das Nacherleben einer Epoche ist wie bei "Brass" (3.Nennung - dort der Aufbau der Industrie im Nordwesten Englands, Manchester) nahezu mustergültig gestaltet, dennoch hat London eine ganz anders geartete Spielmechanik:

Nach dem Ziehen einer Karte zu Beginn seines Zuges kann der Spieler jeweils eine von 4 Möglichkeiten wählen und durchführen:

 1.) Stadt bauen - d.h. beliebig viele seiner Handkarten offen vor sich auslegen (auf bereits liegende oder daneben) in die sogenannte Gebäudeauslage- allerdings ist für jede Karte eine gleichfarbige abzulegen, auf die Auslage auf dem Spielbrett (fallweise muss zusätzlich Geld bezahlt werden).

 2.) Stadt regieren - d.h. offene eigene Karten zu aktivieren und dadurch ihre Funktion (mittels Text oder Symbolen dargestellte Boni) zu nützen, was Geld und Siegpunkte bringt oder Armutspunkte senkt (einige Karten haben auch andere Vorteile), zumeist wird die Karte dann verdeckt (kann also nur 1x genutzt werden). Fallweise muss die Aktivierung bezahlt werden - mit Geld, oder durch Abwerfen einer Handkarte.

 3.) Land kaufen- mit Geld kauft der Spieler ein Stadtviertel und legt seinen Besitzmarker darauf- so erwirbt man Siegpunkte (unterschiedlich viele, je nach Bezirk) und mehrere neue Handkarten, außerdem sinkt dadurch auch die Armut. In jedem Viertel darf nur 1 Marker liegen, auch keiner einer anderen Farbe. Der Kauf von "boroughs" muss immer im Zentrum beginnen, danach darf immer nur in einem benachbarten Stadtteil weitergesiedelt werden, Brückensymbole machen Bezirke jenseits der Themse zu Nachbarn.

 Die 4.) Aktionsmöglichkeit besteht darin, lediglich 3 Handkarten nachzuziehen--diese Möglichkeit wird eher selten gewählt, zumeist erst gegen Ende des Spiels.

Wer am Ende seiner gewählten Aktion mehr als 9 Karten auf der Hand hält, muss überzählige auf die Kartenauslage des Spielplanes legen - dies ist nicht der Ablagestapel ! - erst wenn die 10 Ablageplätze voll sind und weitere Karten dazu kommen, wird die obere von 2 Reihen abgeräumt und wandert auf den "echten" Ablagestapel, die untere Reihe wird dann nach oben geschoben. Ja, wie bei dem Spiel St.Petersburg, an welches London durchaus erinnert.

 

 Das Spiel endet, wenn die letzte Karte vom Nachziehstapel gezogen wird, der aktive Spieler macht seinen Zug und danach kommt jeder Mitspieler noch einmal dran. Die Aktion "passen" gibt es nicht, in jedem Zug muss immer 1 Karte genommen und eine Aktion gewählt und durchgeführt werden. Allerdings kann jeder wählen, ob er die Gebäudekarte vom verdeckten Nachziehstapel oder aus der offenen Auslage auf dem Plan nimmt - so bekomme ich z.B. die passende zweite blaue Karte um bei "Stadt bauen" eine andere blaue auszuspielen, die ich sonst nicht "bezahlen" könnte (s.o." für jedes Gebäude, welches ausgelegt wird, muss ein gleichfarbiges abgegeben werden"). Übrigens es gibt 4 Farben: braun (steht für ökonomische), blau (für wissenschaftliche und soziale) und rosa (für politische Aktivitäten); grau schließlich sind nur die "Armen Leute" ("paupers"), ziemlich nutzlos, außer man kann sie für niedrige Arbeiten verwenden (z.B. im Gefängnis) oder als Bezahlung für Aktivierung mancher Gebäude abwerfen. Sieger ist, wer nach der (etwas komplexen - also Punkt für Punkt abhandeln!) Schlussabrechnung die meisten Siegpunkte (SP) hat.

 

 Nun möchte ich die eigentlichen Träger des Spiels, die Gebäudekarten, näher erläutern. Jede hat einen Titel (Börse, Gilde der Kaufleute, St.Pauls Cathedral, Docks, Britisches Museum, Nelsonsäule, Strassenbeleuchtung, Underground, sogar Buckingham Palast u.v.a. mehr), ein Bild (schöne Grafiken von Mike Atkinson) und -bis auf wenige Ausnahmen - unten einen 3-teiligen Steinsockel (nur mit diesem können sie als Gebäude ausgelegt werden). Zusätzlich haben manche auch einen Text ober- oder unterhalb des Bildes, der bestimmte Boni (Spielfunktionen oder Einnahmen) gewährt.

 Der stilisierte Sockel zeigt im linken Teil ob und was es kostet, diese Karte zu aktivieren (bei der Aktion Stadt regieren) - das kann Geld sein oder man muss eine Handkarte abwerfen. Der Mittelteil zeigt mit Symbolen, was die Aktivierung bringt: Geld - rundes Zeichen mit Zahl und Pfundsymbol, Siegpunkte  - Zahlen in einem Sechseck oder Armutspunkte (AP´s)- weiße oder schwarze Würfel (mindern - gut -oder mehren – schlecht - AP´s). Ein eventueller Text unterhalb des Bildes erläutert zusätzliche Funktionen oder Boni, die beim "Regieren" zum Tragen kommen (z.B.: "Omnibus" bringt Geld für jedes eigene Stadtviertel). Der rechte Teil der Sockelleiste schließlich gibt an, ob die Karte umgedreht (verdeckt) wird nach der Aktivierung oder nicht (kann also wieder genutzt werden). Trägt eine Karte einen Text oberhalb des Bildes, ist dies eine Funktion, die ab dem Ausspielen zu Verfügung steht, ohne Aktivierung. Wenn im Bild ein Siegpunktsymbol steht, bringt diese Karte am Spielende SP´s, die bei der Schlussabrechnung von allen ausliegenden Karten addiert werden- egal ob diese offen oder verdeckt liegen - übrige Handkarten zählen nicht, die bringen Armutspunkte. Zu bestimmten Zeitpunkten im Spiel sollte man darauf achten, die Anzahl der Handkarten möglichst niedrig zu halten, da sie AP´s mehren, und das geht so: Am Ende der Aktion "Stadt regieren", wenn die Aktivierung erfolgte und Geld, SPs und ev. Boni lukriert wurden, findet die Feststellung der Armut statt : die ausgelegten Kartenstapel werden gezählt - d.h. jede nebeneinander ausliegende Karte ist ein Stapel, gleichgültig ob verdeckt oder offen und ob weitere Karten darunter liegen, dazu addiert man die Anzahl der Handkarten, die Summe ergibt die Zahl der schwarzen Holzsteinchen (= Armutspunkte), die man "erntet", allerdings verringert um die Menge der eigenen Stadtteile.

 Ein Beispiel: vor mir liegen 6 Stapel und ich habe 3 Karten in der Hand, ist 9, da ich 4 "boroughs" besitze, darf ich diese abziehen, erhalte also am Ende der Aktion "regieren" 5 APs. Je mehr einer davon bei Spielende hat, desto mehr SPs werden abgezogen - und das steigt nicht linear an!!  Eine Tabelle am Spielfeldrand zeigt die Abzüge: 1-2 APs kosten -1 SP, bei 10 APs aber schon -15 SPs. Glücklicherweise gibt es mit Fortdauer des Spiels immer mehr Möglichkeiten APs abzubauen.

 

 Der Reiz von London besteht darin, dass man ständig (oft knifflige) Entscheidungen treffen muss: werfe ich ein Gebäude mit vielen SPs als Bezahlung für eines, welches meine Armut reduziert, ab? Oder wähle ich doch eine Karte, die viel Geld bringt? Kaufe ich noch schnell ein Stadtviertel, bevor alle weg sind? O je, da müsste ich noch einen Kredit nehmen, aber verdiene ich bis Spielende noch genug um diesen zurückzahlen zu können? Ich brauche dringend Geld, sollte also meine Stadt regieren, zu dumm, dass ich so viele Handkarten habe - die verflixten Armutspunkte - kann ich die reduzieren, wenn ich doch zuerst noch baue, aber wie bezahle ich die rosa Karte, hoffentlich legt ein anderer Spieler rechtzeitig vor meinem Zug rosa in die Auslage.....

 

 Im Prinzip spielt jeder für sich, es gibt nur wenige direkte Interaktionsmöglichkeiten und dennoch ist es kein "langes Warten bis ich wieder am Zug bin" (außer es sitzt einer jener "Tüftler" am Tisch, der auch noch das simpelste Spiel zerstören kann). Indirekt ist jeder fast ständig beschäftigt zu planen, was gerade am günstigsten wäre und wenn einer "regiert", wird meist gemeinsam ausgewertet. Die Spieldauer liegt zwischen 90-120 Minuten, nur in den ersten Partien vergeht meist mehr Zeit, bis die Mechanismen und Möglichkeiten erlernt wurden. Eigentlich kommt London mit wenigen einfachen Aktionen aus, bietet aber viele Wege zum Ziel, eine spezielle sichere Strategie zum Sieg hat noch keiner von uns gefunden. Am Beginn sind 4-5 Kartenstapel vernünftig beim Regieren, wobei ohne Kredit kaum was geht, da gute Karten oft auch Kosten beim Auslegen verursachen und jeder will auch Stadtbezirke kaufen (sichere SP, rascher Zugriff auf viele Karten, damit schnellerer Ausbau der eigenen Stadt, damit wieder mehr Einkünfte...). Im weiteren Verlauf pendeln sich die meisten Auslagen zwischen 7-9 Stapeln ein, mehr lassen die Armut zu sehr steigen; manche haben versucht fast nur Karten auszulegen, die bei Aktivierung nicht verdeckt werden um durch Einsparen von Bau-Aktionen öfter Einkünfte (beim Regieren) zu erhalten, nur gibt es dann zu oft APs. Ein gewisser Glücksfaktor ist durch das Kartenziehen natürlich gegeben - abgemildert durch die Möglichkeit aus bis zu 10 offenen Karten der Spielplanauslage wählen zu können.

 

 Ich mag London, es ist ein gutes Spiel, zu dem man immer wieder gerne greift, auch wenn es vielleicht nicht gerade DAS Spitzenspiel ist. Es ist abwechslungsreich und unterhaltsam, sowie optisch und vom Material her gut gelungen. Kartentexte in Englisch, Spielregel hübsch gestaltet, anschaulich und lückenlos in Deutsch, Französisch und Englisch.

 

Christoph Proksch

 

Spieler         : 3-4

Alter            : ab 13 Jahren

Dauer           : ca. 120 min

 

Autor           : Martin Wallace

Grafik          : Mike Atkinson, Peter Dennis, Simon Jonnerland

Titel            : London

Preis            : ca. 35 Euro (ab März 2011 angekündigt)

Verlag          : Treefrog Games

                     www.treefroggames.com

 

Genre                    : Kartenspiel

Zielgruppe             : Mit Freunden

Mechanismen         : Mehrere ineinandergreifende Mechanismen

 

Kommentar:

Gute Regel in drei Sprachen

Flüssig zu spielen

Sehr attraktive, gelungene Simulation der Entwicklung Londons

 

Vergleichbar:

St. Petersburg, San Juan

 

Meine Bewertung: 5

 

Christoph Proksch:

Interessantes Kartenspiel für eher geübte Spieler (obwohl es für Neulinge leicht erlernbar ist), Thema sehr anschaulich umgesetzt, hoher Wiederspielwert, zu zweit oder dritt gleich gut spielbar, eher niedriger Schwierigkeitsgrad.

 

Zufall                            1

Taktik                  2

Strategie__                  2

Kreativität          

Wissen_              

Gedächtnis          1

Kommunikation   1

Interaktion                  

Geschicklichkeit 

Action