Der weiße Lotus

 

Das Spiel:

Der Weiße Lotus

Von Martin Wallace

Für 3-6 Spieler ab 12 Jahren

TM Spiele, 2000

 

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*   4-5 (3-6)   mm   SS   PP   III   MM

 

China im 14. Jahrhundert. Der Geheimbund „Weißer Lotus“ bringt Unruhe ins Land. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von chinesischen Provinzfürsten, die sich die wertvollen Gebiete des Landes einverleiben wollen. In jeder Runde melden sie ihre Ansprüche auf Festungen, Tempel, Dörfer, Paläste und Reisfelder an. Hart wird um jedes Gebiet gerungen. Und immer wieder rottet sich das unzufriedene Volk zusammen, um unter dem Anführer des Weißen Lotus gegen den Kaiser zu rebellieren. Dann müssen sich alle Spieler entscheiden, auf welcher Seite sie stehen – für den Kaiser oder gegen ihn?

 

So beginnt die Anleitung für den „Weißen Lotus“ und so endet auch schon wieder das Thema – doch der Reihe nach. Werfen wir zunächst einen Blick auf das Spielmaterial. Das Spielbrett zeigt 39 Provinzen, davon 8 braune, die bei weniger als sechs Spieler nicht zum Einsatz kommen. Bestimmte Gebiete zeigen das Symbol einer weißen Lotusblüte, was sie als Startfelder ausweist, sowie 3 Gebiete ein Drachensymbol als Zeichen für zwei Extrapunkte für deren Besitzer. Die Gebäudechips für die Dörfer, Paläste, Tempel, Festungen und Reisfelder gibt es in einer neutralen sowie jeder Spieler-Farbe. Für jeden Spieler stehen bis zu fünf Gebietsmarker und ein Satz Drachenkarten in den Farben seiner Gegner zur Verfügung. Bei den restlichen Karten muss man zwischen Einfluss- und Kampfkarten unterscheiden. Die Einflusskarten finden bei den Streitigkeiten um die einzelnen Gebiete Anwendung, während die Kampfkarten in der Rebellion eingesetzt werden. Der Spielablauf gliedert sich in Runden zu jeweils sechs Phasen.

 

1. Gebietsansprüche anmelden

Reihum setzen die Spieler jeweils einen ihrer Gebietsmarker auf eines der Gebiete, die diese Runde zur Auswahl stehen. Jeder Spieler darf drei und für jedes Reisfeld, das er kontrolliert, einen weiteren – aber maximal fünf – setzen. Durch dieses Setzen zeigen die Spieler, in welchen Gebieten sie um die Kontrolle mitspielen wollen.

 

2. Gebietsansprüche klären

Nun wird Gebiet um Gebiet vergeben. Sollte es tatsächlich gelungen sein in einem Gebiet mit seinem Marker allein vertreten zu sein – was nur auf ein Versehen der Mitspieler zurückzuführen ist – so erhält dieser Spieler dieses Gebiet kostenlos. Er tauscht den neutralen Gebäudechip durch einen gleichen Chip seiner Farbe.

Im Regelfall aber streiten sich zwei oder sogar mehr Spieler um die Kontrolle eines Gebietes. Diese Kontrolle wird durch die Einflusskarten vergeben. Und zwar wählt jeder Spieler, der in diesem Gebiet mit einem Marker vertreten ist, verdeckt eine Anzahl an Einflusspunkten und eine Drachenkarte in der Farbe eines in diesem Gebiet vertretenen Gegners. Das bedeutet, dass er mit den eingesetzten Einfluss versucht, die gewählte Farbe aus dem Gebiet zu eliminieren. Das heißt, man wählt immer jene Spielerfarbe, die man aus dem Gebiet draußen haben möchte. Sollten mehrere Spieler gegen die gleiche Farbe opponieren wollen, so werden die Einflusspunkte dieser Spieler zusammengezählt. Jener Spieler, gegen den die höchste Summe an Einfluss gespielt wurde, muss das Gebiet verlassen, indem er seinen Marker zurücknimmt. Dafür erhält er aber die Hälfte seines eingesetzten Einfluss´ wieder zurück, während alle restlichen gespielten Einflusskarten abgelegt werden. Die übriggebliebenen Spieler in diesem Gebiet setzen diese „Rauswahl“ solange fort, bis nur mehr ein Spieler übrigbleibt, der daraufhin die Kontrolle des Gebietes übernimmt.

 

Hier gilt es also nicht eine Abstimmung zu gewinnen, sondern sollte man vielmehr vermeiden letzter zu sein. Wie viele Einflusspunkte ist es mir wert, einen bestimmten Konkurrenten zu vertreiben? Viele Abstimmungen möglichst kostengünstig überstehen, um in den Schlussabstimmungen noch in einer starken Position zu sein, wäre ideal, aber wer zu sehr knausert, fliegt vielleicht frühzeitig raus.

 

3. Siegpunktchip für den Kaiser

Die Kaiserfigur zeichnet den Spieler mit den meisten Palästen aus. Dieser Spieler erhält einen Siegpunktchip für die Endabrechnung. Der Kaiser hat aber noch weitere Vorteile – er kann bei einem Abstimmungsgleichstand in Phase 2 entscheiden, wer von den beiden oder sogar mehreren gleichen Spielern das Gebiet räumen muss, auch wenn er selbst daran beteiligt sein sollte – da fällt die Entscheidung nur umso leichter. Außerdem bestimmt er die Reihenfolge, in der die Gebiete dieser Runde vergeben werden, und er bleibt solange Kaiser bis ein anderer Spieler mehr Paläste kontrolliert. Das Kaiseramt birgt aber auch ein gewisses Risiko.

 

4. Die Rebellion

Der Kaiser befragt seine Mitspieler gereiht nach der Anzahl der Dörfer die sie besitzen, ob sie rebellieren wollen. Der erste Spieler, der sich hierfür entscheidet,  wird Rebellenführer. Man muss allerdings zumindest ein Dorf kontrollieren, um diese Gelegenheit zu erhalten. Alle Spieler wählen nun wieder, diesmal aber die Anzahl der Kampfpunkte und - mit Ausnahme des Kaisers und Rebellenführers - gegen wen sie sie einsetzen. Die Rebellen müssen mehr Kampfpunkte eingesetzt haben, um erfolgreich zu sein. Auf alle Fälle hat jeder Spieler der Gewinnerseite Anspruch auf eine Belohnung: entweder ein Gebiet von der Verliererseite oder einen Siegpunktchip. Der Anführer der Siegerseite (Kaiser oder Rebellenführer) und seine Verbündeten gereiht nach ihren Einsätzen dürfen sich nun jeweils ein Gebiet der Verliererseite auswählen, das sie übernehmen wollen. Bei der Übernahme von Gebieten gibt es allerdings Einschränkungen: man darf nur ein Gebiet übernehmen, das an ein eigenes angrenzt und kein Spieler darf mehr als ein Gebiet verlieren. Sollte man durch diese Einschränkungen kein Gebiet übernehmen können, erhält man stattdessen einen Siegpunktchip. Sollte nach der Rebellion durch den Wechsel von Palästen ein Spieler mehr Paläste kontrollieren als der Kaiser, so wird er sofort neuer Kaiser.

 

5. Neue Karten

Jeder Spieler erhält in dieser Phase Einflusskarten im Wert von 10 Punkten und Kampfkarten im Wert von 2 Punkten. Zusätzlich erhält jeder Spieler weitere Punkte für die Kontrolle von bestimmten Gebäuden. Ein Tempel bringt weitere drei Einflusspunkte, eine Festung hingegen zwei Kampfpunkte, bei einem Palast kann man zwischen zwei Einfluss- oder einem Kampfpunkt wählen und so weiter.

 

6. Neue Gebiete

Reihum wählt jeder Spieler einen verdeckten neutralen Gebäudechip und legt ihn in ein Gebiet seiner Wahl, das aber an ein Gebiet mit Gebäudechip angrenzt. Für jeden Tempel dürfen ihre Besitzer einen weiteren Chip legen. Damit ist die Ausgangssituation für die nächste Runde geschaffen und die nächste Runde kann beginnen.

 

Wenn sich auf allen Gebieten ein Gebäudechip befindet, wird noch bis nach einer eventuellen Rebellion gespielt und die Spieler addieren die Werte für ihre Gebiete.

Ein Palast bringt drei, ein Tempel zwei Punkte und alle anderen Gebäude einen Punkt. Jeweils zwei Punkte gibt es für die Kontrolle von den Gebieten mit dem Drachensymbol. Jeder Siegpunktchip bringt einen weiteren Punkt sowie drei Punkte für den Spieler mit dem größten zusammenhängenden Gebieten. Wer die meisten Siegpunkte aufbringen konnte, gewinnt einfach nur – mehr erlaubt die Anleitung nicht. Also nicht Ehrenkaiser oder etwas in der Art. Das ist auch eine kleine Schwäche des Spieles. Mit Ausnahme jener Einleitung wird nicht mehr auf das Thema Bezug genommen, es wirkt auch etwas aufgesetzt. Die Rebellion spiegelt nicht den Aufstand des Volkes wieder sondern allenfalls den der Provinzfürsten.

 

Der weiße Lotus bietet für die Spieler viele Entscheidungsmöglichkeiten. Bei der Auswahl der Gebiete für die nächste Runde können wertvolle Gebäude auf dem Plan verstreut werden oder aber in einem Bereich konzentriert werden, um vielleicht Mitspieler von eigenen Plänen abzulenken. Welche Gebiete soll man versuchen zu besetzen in Hinsicht auf ein möglichst großes zusammenhängendes Reich, oder auf der anderen Seite um möglichst wertvolle Gebäude zu erhalten, sei es für Siegpunkte oder für Nachschubkarten.

 

Abzuschätzen gilt es, wer noch die Hände voller Karten hat, oder wer sich vielleicht schon verausgabt hat. Wem ist welches Gebiet vermutlich sehr wichtig, oder versucht er genau daher einen Bluff. Von der eigenen Stärke durch Hinweise auf die Gefährlichkeit der Gegner ablenken, darum geht es hier.

 

Interessant war die Tatsache, dass es in Phase 2 bei der Vergabe von Gebieten keinerlei Probleme damit gab, dass man sich für eine Farbe entscheiden soll, gegen die man stimmt, während es in Phase 4 Rebellion durchaus zu Verwechslungen gekommen ist. Aber vielleicht waren diese auch wieder beabsichtigt. Bei Familienspielrunden hat sich aber gezeigt, dass die Spieler ein flaues Gefühl vermittelt bekommen haben, weil sie offen gegen jemanden Stellung beziehen müssen. Man verkraftet es leichter, nicht gewählt worden zu sein, als sogar bewusst rausgewählt zu werden. Aber auch für die Wähler ist es leichter jemanden zu übergehen, als mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Daher ist der weiße Lotus eher für Freakrunden und Spielerunden, die die direkte Konfrontation nicht scheuen, anzuraten.