Gummienten: der Ursprung aller Dinge

 

Duck Dealer

                  

Handeln oder Sammeln?

 

Essen, 23.10.2008, kurz vor der Eröffnung der Spielemesse bildet sich in Messehalle 5 bereits eine Schlange vor einem kleinen Stand. Bald darauf stehe auch ich darin und es dauert nicht lange, bis die Schlange hinter mir länger als die vor mir ist. Menschen aller Herren Länder sprechen alle möglichen Sprachen und ein paar Schaulustige haben sich bereits dazu gesellt um ein paar Fotos zu schießen. Um Punkt 10:00 Uhr wird dann endlich der Stand eröffnet und der Verkauf beginnt. Nach einer halben Stunde Wartezeit halte auch ich endlich mein Exemplar in Händen. Eine mittelgroße Spielschachtel mit der Abbildung eines knallgelben Quietschentchens, das mit einem blauen Farbtopf in der Hand in einem Raumschiff sitzt und damit einen blauen Planeten verlässt. Das hat mich immerhin 60 Euro gekostet, meine teuerste Anschaffung der diesjährigen Messe. War das diesen zeitlichen und finanziellen Aufwand wert?

 

Nun, diese Frage sollte ich besser erst am Ende des Artikels beantworten und fange lieber erst von vorne an. Was war eigentlich passiert?

Splotter, ein niederländischer Kleinverlag der sich mit Spielen wie Roads and Boats, Antiquity und Indonesia bereits einen Namen gemacht hat, hat angekündigt in Essen ein neues Spiel herauszubringen. Allerdings konnten von der 1500 Stück großen Erstauflage nur 150 rechtzeitig fertiggestellt und nach Essen mitgenommen werden. Reservierungen oder Vorbestellungen wurden auch keine entgegengenommen. Daher hat sich also jeder Interessierte, der die Ankündigung gelesen hat zuerst zu diesem Stand begeben. Denn die oben angeführten Spiele des Verlages haben alle eines gemein: Sie sind alle hervorragend durchdachte, gut funktionierende Wirtschaftsspiele für Liebhaber komplexer Spiele.

 

In der Schachtel befindet sich ein Spielplan, Standardgröße, auf dem viele Planeten eingezeichnet sind. Die Planeten sind durch zahlreiche kleinere Punkte (=Kometen) miteinander verbunden. Rundherum ist eine gut bekannte Kramerleiste zum Siegpunktezählen eingezeichnet. Dazu kommen noch einige Tabellen und Markierungen die im Spiel gebraucht werden. Insgesamt macht das ganze einen soliden Eindruck und lässt unschwer erkennen dass es sich um ein Weltraumspiel handelt. Für jeden Spieler ist noch ein Raumschiff in der Schachtel, oder besser gesagt zwei. Ein kleines das als Spielfigur zum Herumfahren auf dem Plan genutzt wird und eines das auf einem Kartonblatt aufgezeichnet ist. Auf letzteres werden später Raumschiffausbauten wie Frachträume, Navigatoren, Baumeister oder Händler gelegt und stellen so das aktuelle Schiff dar. Außerdem befinden sich auf diesem Blatt einige Informationen zum Spiel. Dieses Blatt ist leider nicht sonderlich hübsch ausgefallen und einige Informationen sind falsch. Der Verlag hat mittlerweile eine schönere, korrigierte Version im Internet veröffentlicht, allerdings muss man sich die selbst ausdrucken. Ich habe leider keine Informationen ob nur die in Essen verkauften Exemplare mit den falschen Bögen ausgestattet sind, oder die gesamte erste Auflage.

Abgesehen von den Raumschiffen erhält jeder Spieler noch 40 Spielsteine seiner Farbe, mit denen später alles Mögliche markiert wird.

Außerdem befinden sich in der Schachtel noch 120 Energiescheiben in drei Farben (rot, blau, gelb), deren Bedeutung ich später erkläre, ein Ablagefeld für eben diese Scheiben, ein ganze Menge an Kartonplättchen, die die verschieden Waren, Minen, Fabriken, Verbraucher und Lagerräume darstellen, und eine Spielanleitung die komplett zweisprachig in deutsch und englisch ist.

Alleine das Material rechtfertigt den Preis jedenfalls nicht, wenn man, zum Vergleich, z.B. bei Agricola weit mehr Material um etwas mehr als die Hälfte des Geldes bekommt.

Haben alle Spieler ihr Spielmaterial erhalten, muss noch auf jeden Planeten des Planes eine Mine gelegt werden. Die fünf Startplaneten bekommen außerdem noch je eine Raumschiffswerft. Jeder Spieler darf sein Raumschiff noch mit 3 der schon erwähnten Raumschiffsausbauten ausstatten und stellt sein Raumschiff auf einen der Startplaneten bevor das eigentliche Spiel beginnt.

 

Wer am Zug ist hat immer 2 Möglichkeiten: entweder er sammelt Energie oder er macht einen Aktionszug und benutzt dafür die vorher gesammelte Energie.

Energiesammeln funktioniert recht flott. Der Spieler darf sich eine Energiescheibe aus dem Vorrat aussuchen und nehmen. Zusätzlich erhält er für jeden Navigator im eigenen Schiff eine rote Scheibe, für jeden Händler eine blaue Scheibe und für jeden Baumeister eine gelbe Scheibe.

Ein Aktionszug dauert wesentlich länger. Hier passiert die eigentliche Action. Zuerst muss der Spieler einen seiner Steine auf die Zugleiste legen. Mit dieser werden die durchgeführten Aktionszüge gezählt. Das Spiel endet nachdem ein Spieler den 24. Aktionszug gemacht hat. Außerdem kann der Spieler 1-3 intergalaktische Schnellstraßen legen. Rückständigen Erdlingen, die jetzt nicht gleich wissen was damit gemeint ist, sei erklärt dass dabei Markierungssteine auf freie Kometen auf dem Spielplan gelegt werden. Wenn der Spieler sein Raumschiff dann darüber hinweg zieht zählen diese nicht zur Zugweite. Man kann also schneller darauf reisen.

Danach können in vollkommen beliebiger Reihenfolge die Energiescheiben eingesetzt werden. Dabei ist nur zu beachten dass am Ende des Aktionszuges nur maximal 4 Scheiben über bleiben dürfen.

 

Je nach Farbe kann man nun folgendes mit den Scheiben machen:

Rote Scheiben werden nur zum Bewegen verwendet. Je nach Raumschiffgröße (=Anzahl der Ausbauten auf dem Raumschiff) kann das Schiff um 2-8 Felder pro Scheibe auf dem Plan bewegt werden, wobei intergalaktische Schnellstraßen der eigenen Farbe nicht gezählt werden. Will man weiter ziehen muss man eben entsprechend mehr Scheiben einsetzen. Allerdings verfallen überschüssige Felder sobald man auf einem Planeten stehen bleibt, um dort etwas zu machen, also sobald man eine andere Scheibe einsetzt.

Gelbe Scheiben können benutzt werden, um Sachen zu bauen. Auf jedem Planeten, außer den Startplaneten, kann eine Fabrik und ein Verbraucher gebaut werden. Für beides muss der Spieler bestimmte, auf den Plättchen angegebene Waren abgeben und erhält dafür Siegpunkte. Auch Schnellstraßen können gegen Abgabe einer gelben Scheibe gebaut werden. Außerdem können für 3 gelbe Scheiben Vergünstigungen erworben werden.

Blaue Scheiben werden zum Handeln gebraucht. Gegen Abgabe einer Scheibe kann in der Mine des Planten der darauf angegebene Grundrohstoff abgebaut werden, also in einen Lagerraum des Schiffes gelegt werden. Zu beachten ist dabei, dass die Anzahl der Waren im Schiff begrenzt ist, sobald sich das Schiff bewegt. Allerdings kann der Lagerraum erweitert werden. Auch Schiffswerften, Fabriken oder Verbraucher können durch blaue Scheiben benutzt werden. Die darauf angegebenen Waren müssen abgegeben werden und der Spieler erhält dafür, je nach Typ, Raumschiffausbauten, höherwertige Waren, oder Siegpunkte. Erworbene Vergünstigungen erlauben es das Plättchen mit einer Scheibe beliebig oft zu benutzen. Ohne Vergünstigung muss für jede Benutzung eine Scheibe abgegeben werden. Handeln unter den Spielern ist erlaubt, in meinen bisherigen Partien kam es aber kaum dazu, es entspricht auch nicht unbedingt dem Charakter des Spiels.

 

Bis auf einige Details, auf die ich nicht weiter eingehen werde, waren das schon die Regeln. Das Spiel ist also eigentlich, gerade im Vergleich zu anderen Splottertiteln, nicht besonders kompliziert. Auch die Spielregeln sind nicht sehr lang. Allerdings wäre es besser gewesen sie etwas länger zu gestalten. Denn einige wichtige Dinge werden nicht erklärt. Auch wenn nicht gerade zeitgemäß, hat sich Splotter dazu entschieden, die Regeln ohne eine Abbildung zu drucken, obwohl im Text darauf verwiesen wird. Ein klassischer Fall von am falschen Platz gespart. Mit einigem gutem Willen und vielen Interpretationen war das Spiel dann auch so spielbar, wenn auch falsch. Klarheit verschaffte dann erst eine Internetrecherche. Auf www.bordgamegeek.com hat der Autor alle offenen Regelfragen beantwortet.

Nun aber zurück zur Frage ob das Spiel seinen Preis wert ist:

Betrachtet man die Regeln: sicher nicht, eine vernünftige Regel sieht anders aus. Auch für einen geringeren Preis wäre mehr zu erwarten.

Betrachtet man das Spielmaterial: wohl auch nicht, das Material ist zwar solide und zahlreich, für 60 Euro könnte man aber mehr erwarten.

Das wichtigste an einem Spiel ist und bleibt aber der Spielspass. Da scheiden sich vermutlich die Geister. Bei den Aktionszügen gibt es viel zu planen. Das kann zu längeren Wartezeiten führen, was natürlich nicht jedermanns Sache ist. Vor allem bei mehreren Spielern kommt das zum Tragen, als optimale Spieleranzahl würde ich daher 3 ansehen. Auch die relativ lange Spieldauer wird viele abschrecken. Die Spieldauer kann stark variieren. Je nachdem ob die Spieler viel Energie sammeln und dann lange Aktionszüge machen, oder nach 1-2 mal Sammeln schon wieder ziehen, liegt sie zwischen 2 und 4 Stunden.

Was mir gut gefällt, aber sicher auch nicht jedermanns Sache ist, sind die ungewöhnlichen Rohstoffsorten. Statt dem sonst üblichen Erz oder Holz, gut letzteres wäre in einem Weltraumspiel auch nicht wirklich passend, sammeln wir hier Gummienten, blaue Farbe, Plastikperlen, Telefonzellen oder Solarzellen. Bringen wir Gummienten und blaue Farbe dann zur richtigen Fabrik werden daraus Tarnkappenenten, während Plastikperlen in blauer Farbe eingetaucht zu Diätpillen verarbeitet werden.

 

Strategisch bietet Duck Dealer einiges. Versuche ich mit einem kleinen schnellen Schiff schnelle Punkte zu machen, oder baue ich mein Schiff lieber erst in einen schweren Frachter aus um mit jedem Zug gleich mehrere Waren zu liefern. Beides verspricht Erfolg, genauso wie der Mittelweg. Auch die Frage ob viel Energie zu sammeln um dann einen riesigen Zug zu machen, oder doch schnell zu ziehen, bevor der Mitspieler zuvorkommt, ist immer interessant. Ersteres erlaubt in Summe sicher mehr Aktionen, aber die lukrativen großen Fabriken sind dann vielleicht schon gebaut und ein aufwändigerer Transport muss die Punkte bringen.

Wer ein gut funktionierendes Wirtschaftsspiel sucht, bei dem es immer zahlreiche Möglichkeiten und eine Menge zu optimieren gibt, darf zugreifen. Leichte Kost waren auch die anderen Spiele von Splotter nicht und so fügt sich Duck Dealer gut in die Reihe des Verlages ein.

 

Markus Wawra

 

Kid                       

Family                  

Adult                    

Expert                   ein    

 

Alter                    

Spezial                 

 

Spieler         2-5

Alter            ab 12 Jahren

Dauer           180 min

 

Autor           Jeroen Doumen, Joris Wiersinga

Grafik          Nicht genannt

Vertrieb       Verlag

Preis            ca. 60 Euro

Verlag          Splotter Spellen 2008

                  www.splotter.com

 

Genre                    Wirtschaftsspiel

Zielgruppe             Für Vielspieler/Experten

Mechanismen         Energie sammeln, Waren transportieren und umwandeln

 

Zufall                     :

Wissen                  :

Planung                 : 7

Kreativität              :

Interaktion            : 3

Geschicklichkeit      :

Action                   :

 

Kommentar           

viele strategische Möglichkeiten

lückenhafte Regeln

kein Zufallsfaktor, viel zu tüfteln                    

 

Vergleichbar:         

Roads and Boats, Neuland, Merchants of Venus

 

Atmosphäre           : 5

 

Markus Wawra:

Duck Dealer ist ein staubtrockenes Wirtschaftsspiel für Tüftler, auch wenn sich es sich thematisch nicht so ernst nimmt.