Rezension

 

Gentes

Völker durch die Zeiten

 

Gentes, lateinisch für „Völker“ wurde bereits 2017 von Spielworxx herausgebracht und ein Jahr später bei Game Brewer neu aufgelegt. Markant bei diesem Spiel ist ein innovativer Zeitmechanismus in Form von Sanduhrplättchen, die praktisch bei jeder Spieleraktion genommen werden müssen und damit die verfügbaren Aktionsfelder der Spieler in der laufenden Runde (von insgesamt 6 Runden) und ggf. auch in der Nachfolgerunde einschränken. Außerdem können die nachfolgend beschriebenen Aktionen großteils nur durch das Wegnehmen von Aktionsplättchen (Tile-Removement) durchgeführt werden, sozusagen ein umgekehrter Worker Placement-Mechanismus.

 

Auf dem großen Spielplan ist der östliche Teil der Mittelmeerstaaten, aufgeteilt in drei Regionen, abgebildet. In jeder Region sind 6 Städte mit drei unterschiedlichen Erträgen (Tempelstein), Orakelstein, Handelsstadt mit Geldertrag) zu finden; diese werden in weiterer Folge durch die Aktion „Seefahrt“ von den Spielern mit eigenen Häusern besetzt, bringen Geld bzw. Bonussteine, die wiederrum andere Ermäßigungen und Möglichkeiten bei anderen Aktionen bringen.

 

Außerdem sind auf dem Plan mehrere unterschiedliche Bereiche wie „Philosoph“ (Ausbildungskosten) mit 6 unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen (Handwerker, Soldat, Priester, usw.), um den Stand der jeweiligen Bevölkerung auf dem eigenen Tableau zu verbessern; „Schreiber“, um weitere Zivilisationskarten auf die Hand kaufen zu können (jeder Spieler startet bereits mit zwei); „Chronist“ zum Ausspielen eben dieser Karten; „Steuereintreiber“, um seinen Geldbestand erhöhen zu können; „Anführer“ um neuer Startspieler zu werden; und die bereits erwähnte „Seefahrt“ zum Besetzen der Städte auf dem Plan und im sogenannten „Heimatstadt“-Bereich, was auch wieder unterschiedliche Vorteile im Spiel bringt, weil man dadurch zu weiteren Aktionsmöglichkeiten bzw. Verbesserungen (günstiger einkaufen, +1 Bevölkerung, usw.) kommt.

 

Sehr interessant ist auch die Funktionsweise zum Verbessern der eigenen Bevölkerung geregelt. Dazu muss man eines der Aktionsplättchen für den darauf abgebildeten Betrag kaufen, dieses dann auf sein Aktionstableau legen und danach noch die darauf abgebildeten Sanduhren dahinter legen. Bei manchen Aktionen (in anderen Bereichen) muss man mehr als eine Sanduhr legen, ggf. sogar drei. Wenn man möchte kann man maximal zwei Sanduhren nebeneinander (als Doppelsanduhr) auf sein Aktionsfeld legen oder man legt sie getrennt voneinander auf zwei Felder. Dazu muss man wissen, dass am Rundenende in der sogenannten Niedergangsphase aus jedem Aktionsfeld nur eine Sanduhr entfernt wird, also von Doppelsanduhren sozusagen eine überbleibt, die in der nächsten Runde das Aktionsfeld sperrt bzw. nach der letzten Runde Minuspunkte bringt.

 

Je nach bezahltem Betrag kann man sich entweder eine oder zwei Bevölkerungsverbesserungen kaufen; je weiter rechts die gewünschte Bevölkerungsgruppe liegt, desto teurer wird das Ganze. Danach werden die verbliebenen Bevölkerungsplättchen nach links verschoben und dadurch billiger und die gewählten Plättchen in umgekehrter Position rechts außen wieder angelegt. Die jeweiligen verbesserten Bevölkerungsgruppen werden auf dem eigenen Tableau entsprechend angepasst, wobei diese 6 Gruppen in drei Reihen mit gegenläufigen Nummern von 1 bis 6 (sowohl von „links nach rechts“ als auch von „rechts nach links“) beschriftet sind. Irgendwann werden die gegenüberliegenden Gruppen im besten Fall aufeinander laufen, wobei sie sich dabei gegenseitig zurückschieben, hat man also von einer Gruppe die Verbesserung auf sechs gebracht, ist die andere in der selben Reiche zwangsläufig auf Null.

 

Eine der wichtigsten Aktionen ist jedoch das Kaufen weiterer Zivilisationskarten, die in drei Zeitalter aufgeteilt sind, und von denen bis zu 8 für die Aktion „Schreiber“ zur Verfügung stehen. Auch hier können bis zu drei Karten mit einer einzigen Aktion erworben werden, je mehr davon und je weiter rechts diese liegen, desto teurer wird es und desto mehr Sanduhren müssen genommen werden.

 

Die „Punkte“-trächtigste Aktion ist die Aktion „Chronist“ zum Ausspielen von genau einer Zivilisationskarte aus der Hand, die natürlich auch mit dem „Tile-Removal“-System mit aufsteigenden Kosten und ein bis zwei Sanduhren gelöst ist und insbesondere gegen Spielende sehr beliebt ist, um die punktestarken Karten (bis zu 18 Siegpunkte) des dritten Zeitalters runter zu spielen. Auf den Karten sind ggf. bis zu zwei bestimmte Städte abgebildet, auf denen man bereits ein eigenes Haus durch die Aktion „Seefahrt“ haben muss. Auf jeden Fall sind dort aber die Mindestwerte der notwendigen Bevölkerungsgruppen als Bedingung angegeben, was sowohl beim Verbessern der eigenen Bevölkerung als auch beim Kartenkauf auf die Hand ganz genau überlegt werden will und auf jeden Fall in die eigene Vorausplanung einfließen sollte. Diese Karten bringen je nach Zeitalter ansteigende Punkte und andere bestimmte permanente Vorteile (ggf. auch Nachteile wie der Verlust einer eigenen Bevölkerung) bzw. auch weitere eigene Aktionsmöglichkeiten. Außerdem haben sie noch ein bis zwei aus vier mögliche Symbolen abgebildet, wobei bei jeder gespielten Karte ein Symbol ausgewählt werden darf und jede bereits eigene ausgespielte Karte mit genau diesem Symbol einen Punkt bringt. Diese Kettenbildung sollte ebenfalls bereits beim Kartenkauf berücksichtigt werden, da mit langen Ketten und jeder weiteren Karte doch eine beträchtliche Anzahl an Siegpunkten erworben werden kann.

 

Diverse Bonusplättchen - wie z.B. für den, der als Erster acht Karten ausgespielt hat, 18 Bevölkerung hat oder alle 6 Häuser auf Städten auf dem Plan hat, er erhält acht Siegpunkte, die anderen nur vier -, stellen ebenfalls einen Anreiz dar, ganz bestimmte Strategien zu verfolgen, um dort Erster zu sein.

 

Am Ende jeder Runde findet die Niedergangsphase statt, in der neben dem bereits erwähnten Entfernen der Sanduhrplättchen, noch einige weitere Aufräumarbeiten, aber auch z.B. Überprüfen der Handkarten durchgeführt wird. Wer mehr als drei hat, muss für jede weitere eine Sanduhr nehmen und hat somit weniger Aktionsmöglichkeiten in der Nachfolgerunde. In jedem Gebiet auf dem Plan wird genau eine eigene Stadt nach Wahl eines jeden Spielers aktiviert, was über 6 Runden auch einiges an Geld bzw. Siegpunkten und diversen „Tempel“- bzw. „Orakel“-Würfelchen bringt. So kann z.B. durch Abgabe von drei Würfeln eine Bevölkerung verbessert werden.

 

Auf viele Details und die Spielende-Abwicklung kann ich hier gar nicht genau eingehen. Die Regel ist mit nur 12 Seiten für 3 bis 4 Spieler sehr überschaubar. Alle Regeln sind gut nachvollziehbar und mit Beispielen versehen. Auch Regeln für 2 Spieler (und die Planrückseite) und sogar eine Soloregel sind vorhanden.

 

Es gibt also fast keinen Wunsch, dass dieses meines Erachtens nach „fast“ perfekte Zivilisationsaufbauspiel nicht erfüllt. Eine klare Empfehlung für alle, die an innovativen, z.T. neuen Mechanismen interessiert sind, muss unbedingt ausgesprochen werden.

 

Gert Stöckl

 

Spieler: 1-4

Alter: 12+

Dauer: 90+

Autor: Stefan Risthaus

Grafik: Harald Lieske, Adam P. Mclver

Preis: ca. 48 Euro

Verlag: Game Brewer 2018

Web: www.gamebrewer.com

Genre: Aufbau, Zivilisationen

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 1 Spieler

Spezial: 2 Spieler

Version: multi

Regeln: de en fr nl + es

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Innovativer Zeitkontroll-Mechanismus

Akzeptable Spieldauer

Keine Gebietskontroll-Mechanismen

Neuauflage als Luxus-Edition

© Bild Henk Rolleman

 

Vergleichbar:

Civilization für Thema und generelle Mechanik

 

Andere Ausgaben:

Spielworxx (vergriffen), Maldito (es)

 

Meine Einschätzung: 7

 

Gert Stöckl:

Ein hervorragendes Zivilisationsaufbauspiel mit nur wenig Area-Control-Elementen (keine Kriege) und innovativem „Zeitverbrauchs“-Mechanismus

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0