Unsere Rezension

 

Wettbohren bis zum Erdkern

 

Rockwell

 

Taktieren unter der Erdkruste

 

Rockwell von Bruno Crépeault, vorgestellt in Essen 2013 und in der Flut feiner Spiele sogleich wieder vergessen – wie ich zu meiner Schande gestehen muss. Während dutzender Spiele „Nations“, „Russian Railroads“, „Lewis & Clark“ und vieler anderer hatte ich immer im Hinterkopf: da war doch noch was am Stand von „Sit Down!“ und dem „Plato Magazin“, welches ich am ersten Messetag ausprobierte, aber nicht ganz durchschaute, weil der Spielberater (ein Franzose) uns in Englisch versuchte etwas zu erklären, worüber er selbst nichts Genaues wusste.

 

Da ich die Idee dieses Spieles - nämlich „Rockwell“ - interessant fand, befragte ich kurz den Plato Chef darüber, der mir wiederum die ungewöhnliche Geschichte des Autors erzählte: ein Kanadier, angestellt an einem Flugplatz, mit viel Freizeit und Phantasie, verwirklichte schon verschiedenste Projekte: er gründete eine Band, mit der einen Wettbewerb im Fernsehen gewann, er schrieb eine Oper und ein Buch und erfand jetzt eben dieses Spiel. Eine wirklich „geile“ Hintergrundstory – wenn sie denn wahr ist.

 

Auf der Spielemesse Cannes 2014 sah ich „Rockwell“ wieder und fragte Dagmar de Cassan ob sie ein Exemplar davon hätte. No na, sie hatte natürlich eines. Als wir es endlich am Spieltisch auspackten, fehlten einige Teile, und so verging noch reichlich Zeit, bis wir es endlich spielen konnten. Vorne weg, das Warten hat sich gelohnt.

 

Thema: Ein fiktiver Bergbaukonzern „Rockwell“ hat vier Konkurrenten aufgekauft und will jetzt deren Leistungsfähigkeit in einem Wettbewerb prüfen: Sieger ist, wer am schnellsten und tiefsten in die Erdkruste bohren kann. Ein eher ungewöhnliches Spiele-Szenario, somit ein erster Pluspunkt, ein weiterer ist die Gestaltung des Spielbretts: die Einzelteile formen konzentrische Ringe: außen der Eingangsbereich, nach innen anschließend vier Zonen, unterteilt in Segmente, die Mitte bildet der „Erdkern“. Die erforderliche Bohrleistung steigt kontinuierlich mit der Tiefe an, im Normalfall kann keiner der Konkurrenten allein die erforderliche Stärke erbringen und ist auf Hilfe der Mitspieler angewiesen. Somit bietet dieses Spiel auch ein kooperatives Element, ein weiterer Pluspunkt. Wenn man kann – leider geht das nicht immer! - wird also ein (vermeintlich Schwächerer? - leider verhindern Sichtschirme genaues Wissen über die Stärke der Anderen) Konkurrent zur Mithilfe „eingeladen“.

Auf jedem Segment steht die erforderliche Bohrleistung, ist diese erreicht, wird eine sogenannte Förderungskarte gezogen, welche die gewonnenen Rohstoffe zeigt und zusätzlich – weniger günstig – ob es dabei zu einem Grubenunglück kommt.
Das abgebaute Segmentplättchen wird danach umgedreht (kann u.U. weitere Erze einbringen). Im Wesentlichen kommt es also darauf an, bei vielen Förderungen dabei zu sein.

 

Rohstoffe sind vier verschiedene Erze (farbige Holzwürfel): Zink, Kupfer, Silber und Gold, welche auch an der Börse gehandelt werden können (An- und Verkauf, Preise ändern sich nicht).
Jeder Spieler („Rockwell“ ist für zwei bis vier Personen gedacht) hat vier Arbeitstrupps (kleine Holzzylinder), mit Stärke 1- 4 die zu Beginn auf die Eingänge gesetzt werden. Von dort aus können sie in vier Bohrrunden/pro Spielrunde jeweils ein Feld bewegt werden (einer viermal oder auch jeder einmal etc.). Weiteres Material sind je zwei Direktionswürfel (etwas größer) in jeweiliger Spielerfarbe, sowie für jeden zwei Vizepräsidenten (Holzmännchen), ein orangefarbiger Holzpöppel als Anzeiger der Bohrrunden und weiters viele Kartonplättchen für Geld, Versicherung, Schutz und Minenschächte und zu guter Letzt sogenannte „Prestigeanzeiger“ (die eigentlichen Siegpunkte !!) .

 

Neben dem erwähnten Sichtschutz („Paravant“) erhält jeder Mitspieler ein beidseits bedrucktes Gesellschaftsbrett, auf diesem werden kostenpflichtige Verbesserungen angezeigt (Erhöhung der Bohrleistung und der Zugreichweite, besserer Schutz gegen Grubenunglücke sowie Minenschächte – fördern zusätzliche Erze von bereits umgedrehten Segmentplättchen – s.o.). Dieses Brett bietet auch Platz für die Prestigeanzeiger – sobald ein Spieler eine bestimmte Anzahl erreicht hat, endet das Spiel, oder auch wenn eine Mehrheit der Spieler mit einem Bohrtrupp den „Erdkern“ erreicht hat.

 

Eine Runde bei "Rockwell" läuft in drei Phasen ab, von den Tableaus I. - III. dargestellt. Auf diese werden die beiden Vizepräsidenten (VP) jedes Spielers gestellt - womit die Aktionen dieser Runde festgelegt sind. Und sieh' da, auch bei diesem Spiel finden wir einen kleinen Worker- (hier „Herr Vizepräsident" genannt) Placement-Mechanismus. Beachte das Missverhältnis: Nur zwei VP, aber drei Auswahlmöglichkeiten.

Am Beginn jeder Runde wird zunächst eine heimliche Auktion durchgeführt (mit Geld und/oder Erz), um die Spielerreihenfolge für das Einsetzen der Vizepräsidenten festzulegen.

 

Ein VP ins "Kontrollzentrum" (Tableau Nr. I.) gestellt, bestimmt die Reihenfolge der Bohrungen (d.h. wer zuerst seinen Bohrtrupp-Zylinder bewegt ...), zusätzlich erhält man hier die Fähigkeit zu bestechen oder einen Subunternehmer zu erwerben. Bestechen heißt, nach dem Bewegen eines eigenen Bohrtrupps einen fremden Spielstein zu sich zu holen. Welch glücklicher Zufall, wenn jetzt die erhöhte Bohrleistung eine Förderung auslöst.

Ein Subunternehmer (= ein vierseitiger Würfel) erhöht die eigene Bohrstärke, kostet allerdings viel Geld.

Steht ein VP in der "Börse" (Tableau Nr. II.) können dort Rohstoffe und Geld an- und verkauft werden. Leider gibt es hier weniger Plätze zu besetzen als es der Spieleranzahl entspricht, d. h. Einer kann in dieser Runde kein Geld oder Erze erwerben.

Mit einem VP im "Atelier" (Tableau Nr. III.) können Upgrades erworben werden und auch Prestigepunkte (= Siegpunkte) - deren Preis steigt, je später sie gekauft werden. Auf diesem Brett ist Platz für Alle, dummerweise hat der Vierte nur 1 Aktionsmöglichkeit, der Dritte 2, usw. bis zum Ersten, der 4 hat. Kein Spieler darf zwei Vizepräsidenten auf demselben Tableau platzieren!

 

Wenn nun auch die Reihenfolge für die Bohrrunden festgelegt ist, werden die drei Phasen nacheinander abgehandelt:

Phase I ist die wichtigste des Spieles: jeder Spieler bewegt seinen Trupp und fördert Rohstoffe, je näher zum Erdkern hin desto höher ist die erforderliche Bohrstärke.

Ist in einem Feld diese erreicht oder überschritten wird die Bohrrunde unterbrochen und eine "Förderung" beginnt: dieses Feldplättchen wird umgedreht und eine Karte aus dem entsprechenden Stapel (Stärke 3-10) gezogen. Diese "Förderungskarten" zeigen eine Anzahl verschiedener Erzwürfel, die aus der allgemeinen Reserve genommen und in gleiche Portionen an die Beteiligten der Bohrung verteilt werden, unabhängig davon, welche Stärke jeder beigetragen hat. Überzählige Erze, die es immer gibt, erhält ein "vorrangiger" Mitspieler, der nach folgenden drei Kriterien (1>2>3) ermittelt wird: 1.) der Besitzer eines Minenschachtes (siehe unten) - wenn er an der Bohrung beteiligt war, erhält er auch eine der aufgeteilten Portionen - wenn nicht - nur den Überschuss. 2.) wenn auf diesem Feld kein Minenschacht ist, ist der Spieler mit der höchsten Bohrleistung vorrangig und 3.) bei gleicher Bohrleistung ist es jener, dessen Zug die Förderung ausgelöst hat.

Die Förderung kann auch durch Bestechung ausgelöst werden (Auslöser ist derjenige, der bestochen hat und nicht derjenige, der dazugezogen wurde) oder durch Mitnahme eines Subunternehmers.

Ist auf der Förderungskarte ein Gefahrensymbol abgebildet, muss jeder Spieler Erzwürfel entsprechend seiner Bohrleistung abgeben, leider die wertvolleren zuerst (z.B.: Einer erhält 3 Zink, 1 Silber, 1 Gold, an der Förderung ist er mit Stärke 2 beteiligt, daher muss er 2 Würfel abgeben - er erhält also nur die drei Zinkwürfel).

Vorsichtige Zeitgenossen können sich vor der ersten Bohrung gegen derlei Unbill versichern: Jeder darf beliebig viele Erzwürfelchen gegen Versicherungsplättchen eintauschen (1:1). Beispielspielsweise erwirbt man zwei Versicherungsplättchen mit 2 Zinkwürfeln (Wert 800), und kann den Verlust von 1 Gold- und 1 Silberwürfel (Wert 1800) durch Abgabe der Versicherungen verhindern. Praktisch ist auch die Tatsache, dass diese Plättchen in künftige Runden mitgenommen werden können (nicht jede Förderung endet mit einem Grubenunglück). Andererseits möchte ich auf ein kostenpflichtiges Sicherheitsupgrade hinweisen, welches einmal erworben, dauerhaften Schutz gewährt in drei Stufen: vor Verlust eines Würfels, dreier Würfel oder aller Würfel. Dummerweise sind diese und andere Verbesserungen erst in Phase III. möglich, nachdem bereits eine Bohrphase gespielt wurde.

Nach Aufteilung der Erze geht die Bohrungsphase normal weiter. Danach, als Abschluss der I. Phase, können Besitzer von Minenschächten auf bereits offen liegenden Segmentfeldern die darauf abgebildeten Erze ernten. Nebenbemerkung: Schächte können auch erst in Phase III. erworben werden (insgesamt drei Stück), ebenso wie alle Verbesserungen, anders gesagt in der ersten Spielrunde steht man noch relativ nackt da. Vorteile der Minenschächte: 1.) wiederkehrender Ertrag am Ende jeder Bohrrunde, 2.) sie bringen automatisch den Vorrang bei Förderung (d.h. die überschüssigen Erze).

 

Phase II: Jetzt darf Jeder, der einen VP hier platziert hat, Erze verkaufen oder einkaufen, nicht beides, da jeder Rohstoff nur einmal pro Runde gehandelt werden darf (auch nicht verschiedene gemeinsam). Zur Erinnerung, es gibt immer einen Spieler, der in Phase II nicht teilnehmen kann.

 

So weit, so klar - hier muss ich etwas abschweifen um richtigzustellen, worum es in "Rockwell" geht: um "Prestigepunkte" (= Siegpunkte), die durch Erreichen bestimmter Ziele ("Realisierungen") erworben werden können, nicht um Ansammeln von Geld oder Rohstoffen. Geld ist nötig, um Upgrades zu erwerben oder auch Subunternehmer anzustellen; Rohstoffe bringen einerseits Geld aber auch Prestige, ein Ziel beispielsweise ist es 8 Zink und 8 Kupfer zu besitzen, dadurch darf das entsprechende Prestigeplättchen auf das eigene Spielertableau gelegt werden, man muss die Erze aber nicht abgeben, d.h. sie können später zu Geld gemacht werden. Diese Siegpunktplättchen sind gereiht, der Erste erhält also mehr Prestige als die Folgenden für das Erreichen des gleichen Zieles. Es gibt neun "Realisationen" - diese sind auf den Spielertableaus abgebildet, wo die bereits erworbenen Plättchen verdeckt abgelegt werden (Anzahl der Prestigepunkte nicht mehr sichtbar!). Andere Ziele: z.B. drei Bohrtrupps auf Stärke 2 zu besitzen oder das Erreichen des "Erdkerns". Es gibt neun solche Prestigeplättchen, wenn ein Spieler eine bestimmte Anzahl erreicht hat, endet das Spiel (Runde wird fertiggespielt). Weitere Siegpunkte können in der dritten Phase gekauft werden, allerdings durch Abgabe von Rohstoffen (auch hier gilt: wer zuerst kommt, ...). Ganz wertlos sind angehäufte Vermögen nicht, am Spielende werden Punkte für das meiste Geld, und für die meisten Erze (jedes für sich) vergeben, bei drei Spielern z.B.: 2 Punkte für das meiste Gold, 1 Punkt für das zweitmeiste, der Dritte erhält nichts. Man sollte daher schon früh im Spiel auf das Erreichen von Zielen losgehen, um Prestigepunkte zu sammeln, da es am Spielende meistens nur mehr "Peanuts" gibt.

 

         Dieser Gewinnmechanismus ermöglicht es durchaus vermeintlich weit vorne liegende Mitspieler noch einzuholen: in einer meiner ersten Partien glaubte ich, mein Freund liege uneinholbar vorne - massig Geld, Rohstoffe, Upgrades - und ich versuchte daher "leichte" Ziele zu erreichen und siehe da, am Ende lag ich überraschenderweise knapp vorne. Letztlich ist es gar kein so großes Unglück, wenn man manchmal in Phase 2 nicht dabei sein kann (beim Geldverdienen).

 

         Phase III. (auch "industrieller Fortschritt" genannt): jetzt können Minenschächte erworben, Bohrtrupps verbessert (Bohrstärke und Reichweite) und die Sicherheit auf Dauer erhöht werden. Nicht zu vergessen: es können nun auch - wenige - Siegpunkte durch Abgabe von Erzen gekauft werden.

 

         Eine Partie "Rockwell" dauert ca. 120 - 150 Minuten, wenn man das Spiel erlernt hat. Dies ist gar nicht so schwer, wenn die Seiten 2 und 3 der Anleitung nach Aufteilung des Materials übersprungen werden - außer Sie lieben Suchrätsel: 36 Zahlen ungeordnet auf viel zu kleine Abbildungen des Spielmaterials verteilt - und gleich mit dem Punkt "Ablauf einer Spielrunde" beginnen. Ab hier ist alles gut verständlich erläutert und mit eindeutigen Beispielen illustriert. Auch die spieltypischen Begriffe (z.B. Vizepräsident, Direktionswürfel, Minenschacht ...) werden in der Reihenfolge ihres Auftauchens im Spiel in ihrer Funktion erläutert. Die Spielregel erstreckt sich inklusive zahlreicher Abbildungen und Beispielen über ganze sieben Seiten, ist klar formuliert und gegliedert, so dass eigentlich keine offenen Fragen auftreten.

         Dieses Spiel stellt eine interessante Bereicherung jedes Spieleabends dar, eine Mischung von ein wenig Worker-Placement, Gebiets-Kontrolle, Handel und ein Schuss -manchmal unfreiwilliger- Kooperation. Taktik und Strategie halten sich in etwa die Waage/ eventuell ist Letzteres etwas wichtiger. Lobenswert ist das durchaus originelle Szenario und dessen gelungene grafische Umsetzung. Man beachte die kleinen Details - beispielsweise wird die Spieleranzahl auf jedem Tableau durch Familienfotos auf dem Schreibtisch angezeigt.


Christoph Proksch 

 

Spieler: 2-4

Alter: 14+

Dauer: 90+

Autor: Bruno Crépeault

Grafiker: Yuio

Preis: ca. 37 Euro

Verlag: Sit Down! 2013

Web: www.sitdown.be

Genre: Worker Placement, Gebietskontrolle

Zielgruppe: Für Experten

Version: multi

Regeln: de en fr

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Gute Mischung unterschiedlichster Mechanismen

fallweise hohe Interaktion

bis zuletzt spannend

Fehler können auch ausgebügelt werden,

 

Vergleichbar:

Am ehesten Village, aber eigentlich einzigartig

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Christoph Proksch und Uschi Vlk:

Ein nicht zu kompliziertes Spiel mit zahlreichen Möglichkeiten, interaktiv, mit dem Charme eines unverbrauchten Szenarios, macht Spaß und hat einen hoher Wiederspielwert!

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 1

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0