Tonga Bonga

 

Tonga Bonga

Von Stefan Dorra

3 bis 4 Spieler ab 10 Jahren

Ravensburger Spiele 1998

ca. 45 Minuten

 

WIN-Wertung:

* Tonga Bonga WW S UUU AA 3-4 m

 

Das Schachtelcover von "Tonga Bonga" sticht sofort ins Auge. Die Gestaltung von traumhaften Inseln in hellen, bunten Tönen ruft Südseestimmung hervor. Aber die Erfahrung lehrt, dass beim Ravensburger Spieleverlag Vorsicht geboten ist: Die schönste Graphik- und diese hier ist immerhin von Franz Vohwinkel" - kann ein Plagiat oder eine Wiederveröffentlichung verbergen. Andererseits gab's bei Ravensburgern gerade in letzter Zeit auch wieder sehr ansprechende Spiele, wie "Der zerstreute Pharao". Da schaut man dann doch etwas näher hin, und entdeckt - ganz winzig am rechten oberen Rand - den Namen eines der momentan führenden Spieleautoren: Stefan Dorra. Interessant, interessant ....

 

Genug der Spekulation, ich offne die Schachtel. Und da erlebe ich die erste kleine Enttäuschung. Viel, viel Luft" Das bisschen Spielmaterial muss sich in der Schachtel im Standardformat ziemlich verloren vorkommen: 4 Schiffe (aus dem Ravensburgerspiel "Columbus", recycled). Kleine Plastikdukaten, die leider nicht so gut aussehen wie jene auf dem Schachteldeckel abgebildeten, 12 Spezial- und 16 Holzwürfel in 4 Farben. Und schließlich noch ein Spielplan, der funktionell ist und auch gut aussieht, aber keinen weiteren Höhepunkt des Schaffens des renommierten Grafikers darstellt.

 

Die zweite Enttäuschung ergibt sich beim Durchlesen des - wieder vorbildlich gestalteten und ausreichend bebilderden - Regelheftes. Die Spielregeln sind recht schnell erklärt. Man muss mit seinem Schiff von der Insel Tonga Bonga weg vier der anderen fünf Inseln anlaufen, dort Camps errichten und wieder zur Heimatinsel zurückkehren. Doch nicht der Schnellste gewinnt das Inselhüpfen, sondern derjenige Spieler, der dabei das meiste Geld anhäufen konnte.

 

Zu Beginn jeder Runde müssen die Schiffseigner eine Mannschaft anheuern. Dazu legen sie der Reihe nach mit den Plastikchips fest, welche Heuer sie in dieser Runde für den Kapitän und den Steuermann ihres Schiffes ausgeben werden.. Danach würfeln die Spieler mit ihren drei Würfeln und setzen sie in die anderen Schiffe. Die Würfel symbolisieren die Seemänner, und je höher der gewürfelte Wert, desto besser seine nautischen Fähigkeiten. Zeigt ein Würfel aber die Seite dem seekranken Mann, wird dieser Würfel nicht gesetzt. Danach werden die Schiffe bewegt, und zwar so viele Felder, wie die gesamte Mannschaft (maximal 3 Mann) an Würfelaugen zusammenbringt. Die Schiffe benützen die Wasserfelder zwischen den Inseln. Ein fremdes Schiff blockiert den Weg, um an ihm vorbeizukommen, werden drei Bewegungspunkte angerechnet. Landet ein Spieler mit seinem Schiff in der Bucht einer Insel, errichtet er ein Camp, indem er einen Holzwürfel seiner Farbe draufstellt, und streift dafür 25 Dukaten ein. Befinden sich allerdings bereits ein oder mehrere andere Camps auf der Insel, müssen davon fünf Dukaten an deren Besitzer abgezweigt werden.

Am Ende einer Runde streichen die Spieler noch die Heuer für die Seemänner ihrer Farbe ein. Noch einmal 10 Dukaten gibt es für den Schiffseigner, der den Heimathafen Tonga Bonga Bay wieder erreicht. Wer dann die meisten Dukaten besitzt, darf sich als der erfolgreichste Schiffseigner feiern lassen.

 

Das ist schon alles? Ich habe mir ein komplexeres Spiel erwartet, selbst bei Ravensburger. Naja, vom Durchlesen allein kann man ein Spiel nicht beurteilen. Ein paar Probespiele könnten nicht schaden ....

 

Nach einigen Spielen musste ich tatsächlich meinen ersten Eindruck revidieren. Die einzelnen Spielelemente harmonisieren wirklich ausgezeichnet. Der Hauptmechanismus liegt zweifelsohne im Festlegen der Heuer. Sehr geschickt wird dadurch geregelt, wie weit ein Schiff in Folge ziehen kann. Setzt ein Spieler größere Beträge, ist es ganz natürlich, dass die Spieler ihre besseren Matrosen (höhere Würfel) auf dieses Schiff bringen. Der Umkehrschluss "niedrige Heuer, geringe Zugweite" ist nur bedingt gültig, nämlich dann, wenn die Spieler viele seekranke Matrosen würfeln, denn ansonsten kommt durch den Setzzwang immer eine brauchbare Zugweite zustande.

Bei Spielen, bei denen gewürfelt wird, ist zumeist der Glücksfaktor hoch. Bei "Tonga Bonga" werden Würfelwürfe dahingehend relativiert, dass ein hoher eigener Wurf zwar meistens mehr Löhne bringt, dafür aber die gegnerischen Schiffe weiter voranbringt. Umgekehrt bringt ein niedriger Wurf weniger Heuer, dafür tuckern die anderen Boote umso langsamer dahin. Für den Spieler heißt es dann, genau zwischen Ausgaben (eingesetzte Heuer) und zu erartenden Einnahmen (Camps auf den Inseln) abzuwägen. Auf dem Spielplan hingegen sind kaum taktische Züge möglich, abgesehen von dem bisschen Blockieren in engen Meeresstraßen. Wichtiger ist es da vielmehr, die Gegner im Auge zu behalten.

 

Alles in allem präsentiert sich "Tonga Bonga" somit als gelungenes, unterhaltsames und gar nicht anspruchsloses Spiel. Die Grundidee gefällt mir sehr gut, auch die Aufmachung kann überzeugen. Allerdings muss ich anmerken, was mir beim Spiel zu dritt leider unangenehm aufgefallen ist. Bedingt durch die größere Streuung der Würfelresultate ist es möglich, dass zum Teil paradoxe Situationen entstanden, die die beabsichtigte Regelung ins Gegenteil kehrten. Auch ist es hier nicht ganz so von Bedeutung, möglichst früh Camps auf Inseln zu errichten, während sich dies bei 4 Spielern bereits weit positiver auf die Einnahmen auswirkt.

 

Ein Manko bei "Tonga Bonga" ist das Fehlen von Sichtschirmen. Gerade in einem Spiel, das auf die Familie abzielt, sollten nicht schon während des Spiels Kopfrechenkünste entscheiden, wer gewinnt. Mir fiel auf, dass die Spieler automatisch auf den Dukatenstapel der Mitspieler schielten. Spannender fände ich es, wenn erst zum Schluss durch das Zählen der Dukatenbestände der Gewinner feststeht.

 

Nichtsdestotrotz sind meine anfängliche Skepsis und die erste Enttäuschung während des Spielens völlig verflogen. Zu viert ist es ein lockeres, sehr nettes Spiel mit gut aufeinander abgestimmten Spielelementen. Für drei Spieler erscheint es mir etwas zu unausgewogen, vielleicht können die Ravensburger dieses Manko - ebenso wie die fehlenden Sichtschirme - in kommenden Auflagen beheben.