BAUENBAUENBAUEN

 

BURGENLAND

 

GNOMISCHE BAUSTELLE

 

Geschäftig werkelnde Männchen sind es. Nicht sonderlich groß, erinnern sie mit ihren Knollnasen an Gnome. Sie scheinen an einer Burg zu bauen, sich dabei aber nicht ganz einig zu sein, wie denn und wer denn und wo denn. Und so richtig aufeinander einzugehen oder gar zuzuhören scheinen sie auch nicht. Jeder ist ganz bei seiner Sache. Und wenn dabei der Knollnasengnom nebenan versehentlich leicht angerempelt wird oder gar von der Burgmauer stürzt, ist das halt so. Da kann man nichts machen. So etwas passiert. Schließlich muss die Burg fertig werden!

 

Tatsächlich fasst die beschriebene Illustration auf der Spielschachtel das Geschehen am Spieltisch ganz gut zusammen. Nur etwas zu dynamisch, zu hektisch wirkt die Szene im Vergleich zum tatsächlichen Spiel. Die wuselnden, gestikulierenden Gnome lassen ein kommunikatives Spiel mit einem hohen Ärgerfaktor vermuten. Das neue Familienspiel von Inka und Markus Brand spielt sich aber eher ruhig, gelassen und ziemlich still. Wobei es gegen Ende einer Partie Burgenland dann doch wieder drunter und drüber gehen kann. Aber nur in unseren Köpfen. Da steigt die Spannungskurve noch einmal so richtig an und wir müssen darum bangen, wer denn wann was wo baut und damit das Spiel beendet. Und wenn wir schon einmal am Ende des Spiels sind, bleiben wir gleich dort: Burgenland ist ein gelungenes, leicht zugängliches, ruhiges aber bisweilen unheimlich spannendes Familienspiel. Aber erst ab der zweiten Partie. Denn – das haben alle Partien mit Erstspielern bewiesen – Burgenland erschließt sich uns nicht sofort. Es ist ein ganz klein wenig sperrig in seinen Detailregeln. Der grundlegende Ablauf ist simpel, aber in der ersten Partie müssen wir immer wieder in den Regeln nachlesen, was denn wie und wo und wann gebaut werden darf.

 

Denn darum geht es in Burgenland: Bauen. Oder noch deutlicher: BAUENBAUENBAUEN! Das namensgebende Königreich erschließt sich uns auf dem wunderbar illustrierten Plan in voller Pracht. Und wir vermuten schon, dass die herrschende Königsfamilie etwas zu kompensieren hat, denn immerhin finden wir auf engstem Raum stolze 11 kleine, im Bau befindliche Burgen und eine große bereits fertig gestellte Burg. Repräsentativ ist die Baulandschaft also bereits, aber im Inneren wirken die Burgen noch etwas leer und sogar die eine oder andere Burgmauer – man kann bei wehrstarken Burgen nie genug Mauern haben – fehlt noch. Und so sind wir als Spieler gefordert, die großen Bauwerke mit weiteren kleinen Bauwerken zu füllen. Wir erinnern uns: BAUENAUENBAUEN!

 

Burgenland spielt sich ausgesprochen flott. In einem Spielzug hat jeder Spieler genau zwei Möglichkeiten. Entweder er zieht zwei Karten vom verdeckten Nachziehstapel, oder er baut einmal. Das war es auch schon. Dabei ist die erste Option selbsterklärend und die zweite eigentlich auch recht simpel. Zu jeder Burg führen zwei Wege. Auf den Kreuzungspunkten dieser Wege werden zu Spielbeginn zufällig verschiedenfarbige Wappen platziert. Wer in einer Burg ein Bauwerk errichten möchte, muss 4 Karten abgeben. Die Karten müssen dabei in beliebiger Kombination mit den zwei angrenzenden Wappen übereinstimmen (4-0, 3-1, 2-2). Als kleine Hilfe gibt es auch obligatorische Jokerkarten. Haben wir so eine Kombination auf der Hand, wandern die Karten auf den Ablagestapel und ein beliebiges (aber passendes) Bauwerk in die entsprechende Burg.

 

Jedem Spieler steht eine von Spielerzahl abhängige Menge an Mauern, Palassen, Häusern und Brunnen zur Verfügung. Und wer von uns als erster alle diese Bauwerke auf dem Spielplan in den Burgen – notfalls auch irgendwo in der großen Burg – verbaut hat, gewinnt. Nein, keine Siegpunkte, kein Geld und auch keine Prestige-, Ruhmes- oder Ansehenspunkte. Burgenland ist ein Wettlauf. Fertig, los und aus! Weder Schlusswertung, noch geheime Ziele belästigen uns. Und dieser klar zielgerichtete Druck gibt dem Spiel auch die eingangs erwähnte Spannung. Wir verbergen unsere Bauwerke nämlich hinter einem Sichtschirm. Wer ein gutes Gedächtnis hat, merkt sich natürlich, wer schon was gebaut hat, aber damit wird auch der knisternde Teil des Spiels ausgehebelt. Was bei drei und vier normal merkbegabten Spielern weniger ein Thema ist, wird im Zweierspiel umso spürbarer. Denn hier kann jeder Spieler relativ einfach durch Abzählen feststellen, wie viele und welche Gebäude sein Gegenüber noch vorrätig hat. Dadurch wird das Spiel unmittelbarer und direkter im Konflikt. Und auch eine Spur destruktiver, denn es können nun gezielt Bauplätze weggeschnappt werden.

 

Womit wir beim nächsten wichtigen Punkt wären: Jede Burg hat eine vordefinierte Anzahl eckiger Bauplätze (für Mauern, Palasse und Häuser) und einen runden Bauplatz für Brunnen. Und auch nicht überall dürfen wir nach Belieben bauen, denn die Bauwerke sind in ihren Voraussetzungen voneinander oder von anderen Einflussfaktoren abhängig. Mauern – wir wissen bereits: eine Burg kann nie genug Mauern haben! – dürfen auf jedem beliebigen Bauplatz errichtet werden, verstopfen aber bisweilen das Geschehen. Häuser dürfen nur gebaut werden, wenn sich auch Mauern in der Burg befinden. Und zwar pro Mauer nur ein Haus. Und pro Burg darf sowieso nur ein protziger Palas stehen, der sogar von baumeisterlich professioneller Hand – natürlich nur gegen entsprechende Bezahlung – errichtet werden muss. Und Brunnen sind sowieso eine heikle Sache, denn scheinbar gibt es immer nur eine Burg, wo gerade Wasser gefunden wurde.

 

Für das Errichten der Bauwerke gibt es verschiedene Belohnungen. Einmal durch das Gebäude selbst (Geld bei Brunnen, Karten bei Mauern) und einmal durch den Bauplatz. Und genau hier entfaltet Burgenland spätestens ab der zweiten Partie seinen Reiz. Denn was wir als Spieler durch die Bauplätze so alles bekommen, macht das eigentlich simple Grundgerüst flexibel.

 

Da gibt es Jokerkarten, Geld (das als zweiter Wert auf den Spielkarten zu finden ist), die Möglichkeit die Wappen auf Kreuzungen zu vertauschen (was ungemein praktisch ist, wenn die Kartenhand grad nicht passt), zusätzliche Bauplätze (wichtig, wenn die Kartenhand passt, aber die Burg schon voll ist), die Möglichkeit Bauregeln aufzuheben (eine tolle Sache, wenn man übersehen hat, die eigenen Palasse unterzubringen) und andere Baukosten (Geld statt farblich passender Karten).

 

Und so unscheinbar diese Plättchen zu Beginn der ersten Partie (optisch) erscheinen, so mächtig wirken sie sich auf das Spielgeschehen der zweiten Partie aus. Wenn jeder weiß, wie was funktioniert, lassen sich damit ganz schöne Bautricks vollführen. Es macht Spaß die Regeln des Spiels zu beugen und zu brechen. Es macht das Spiel flexibler, dynamischer und auch besser. In der ersten Partie noch orientierungslos, wird in der Folgepartie gezielt auf Bauplätze gespielt, um Bonusplättchen zu erhaschen, die gerade gegen Ende des Spiels – wenn es wieder einmal eng wird am Plan – wichtig werden.

 

Ach ja: Wer in der großen, zentralen Burg bauen möchte muss etwas anderen Regeln folgen. Hier gibt es keine Bauplatzbeschränkung und es darf auf Teufel komm raus gebaut werden. Was gegen Spielende oder, wenn die Kartenhand gerade passt auch mittendrin (um den Gegner zu irritieren, weil die große Burg ja nur genutzt wird, wenn man fast alle eigenen Bauwerke verbaut hat) sein kann. Die Kosten sind aber anders. Je nach Bauwerk muss eine gewisse Anzahl gleicher oder verschiedener Karten abgegeben werden. Das ist bisweilen richtig teuer und natürlich sollte jeder Spieler zuerst die günstigen Bauplätze der kleinen Burgen beackern. Ob die zentrale Burg eine Krücke ist, wie einige Mitspieler vermuteten, ist schwer zu beurteilen. Sie fühlt sich ein klein wenig so an. Zumindest – und hier schließt sich der Kreis – in der ersten Partie.

 

Wir dürfen Burgenland also keinesfalls nach dem ersten Versuch beurteilen. Sogar Vielspieler haben mit den diversen Bauregelverquickungen ihre Probleme. „Wie war das mit dem Haus, und wann darf ich eine Mauer bauen? Ach ja – immer!“ Und natürlich steht das alles recht übersichtlich auf unserem Sichtschirm, aber trotzdem. Die ersten Runden blieben bei uns immer etwas sperrig, gefolgt aber vom Wunsch einer Folgepartie.

 

Das Zusammenspiel der Bauwerke, kombiniert mit den Belohnungen der Bauplätze, mit deren Hilfe wir doch etwas flexibler agieren können, macht das Spiel reizvoll. Offene Konflikte gibt es kaum und Burgenland fühlt sich rundherum positiv an. Wir schaffen am Spielplan etwas. Und dieses Etwas sieht noch dazu recht hübsch aus. Der Rhythmus Karten-Nachziehen und Bauwerke-bauen schafft ein flottes Spielgefühl, das sich schon in Spielen wie „Zug um Zug“ oder „Auf den Spuren von Marco Polo“ bewährt hat. Unterm Strich ist Burgenland ein überaus gelungenes Spiel für die ganze Familie. Nur – noch einmal! – nach der ersten Partie bewerten, sollten wir Burgenland nicht, denn es führt uns etwas in die Irre. Genau wie das Cover. Und das passt dann doch wieder irgendwie genau zum Inhalt.

 

Klemens Franz

 

Spieler: 2-4

Alter: 9+

Dauer: 60+

Autor: Inka und Markus Brand

Grafiker: Julien Delval, Fiore GmbH

Preis: ca. 33 Euro

Verlag: Ravensburger 2014

Web: www.ravensburger.de

Genre: Bauen, Kartenmanagement

 

Zielgruppe: Für Familien

Version: de

Regeln: de

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

bekannte Mechanismen, aber trotzdem anders

einfache Grundmechanismen

mehr Möglichkeiten als beim ersten Eindruck

 

Vergleichbar:

Zug um Zug, Auf den Spuren von Marco Polo

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einstufung: 5 von 7

 

Klemens Franz:

Ein schönes Familienspiel mit verborgenen Tiefen, dem man unbedingt eine zweie Partie gönnen muss, um den Spielspaß zu entdecken.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau):1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 1

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0