Dschunke

 

Das Spiel:

Dschunke

Autor: Michael Schacht

3-4 Spieler ab 10 Jahren

Ca. 90 min

 

WIN-Wertung:

* AA UU II W S 3-4 m

 

 

Wir Spieler haben es eigentlich gut. Für uns findet Weihnachten gleich 3 x statt. Neben dem orthodoxen Fest im Dezember gleich nochmals im Februar wenn die Nürnberger Neuheiten herauskommen und dann Ende Oktober wenn dasselbe in Essen passiert. Dementsprechend aufgeregt und neugierig habe ich also auf die Neuerscheinung 2002 gewartet.

 

Eine davon war „DSCHUNKE“. Der Begriff stammt aus dem Malayisch/ Portugiesischen und beschreibt ein chinesisches Segelfahrzeug für Fluss- und Seeschifffahrt mit flachem Schiffsrumpf (Tragfähigkeit bis zu 500 Tonnen), meist mit Decksaufbauten und bis zu 5 Masten. Je Mast ein aus Bast geflochtenes Segel, das mit Bambusleisten verstärkt ist.

Der erste Eindruck vom Spiel: Eine beachtliche Schachtel von Queen Games. Sollte ich einmal von meiner Frau aus der Wohnung gewiesen werden – der Zeitpunkt rückt infolge meiner stetig wachsenden Brettspielsammlung immer näher, fürchte ich – so kann ich mit ähnlichen Kalibern wie sie ja auch Goldsieber gerne auf den Markt wirft mir sicher eine ansehnliche Heimstatt bauen. Außerdem fällt der Karton durch eine zweifellos ansprechende Optik auf. Erinnert mich ein wenig an die Asienromane von Clavell (Tai-pan und Noble House Hongkong), die übrigens auch Grundlage für ein Wirtschaftsspiel waren.

 

Und jetzt beginnt ein Problem: So wie Motorfreaks beim sonoren Klang eines Motors den Verstand verlieren und Instandhaltungskosten, Verbrauch etc. nicht einmal ignorieren so geht es mir bei entsprechenden Boxen. Ich sinke auf das geistige Niveau eines 4-jährigen, stammle nur noch „Mut tu haben“ und schon wieder ist das Raumangebot eines meiner Zimmer um einen halben Kubikmeter kleiner. So wie man mit den Augen ißt – schön angerichtetes Essen – läßt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen schon bevor man gekostet hat, so assoziiere ich trotz manchmal negativer Erfahrung: Großer Karton + schöne Grafik = Superspiel! Dieses Mal habe ich mit meiner Einschätzung Gott sei Dank Glück gehabt. Zwar habe ich mir vom äußeren Cover zuerst ein Spiel mit chinesischen Piraten oder Ähnliches erwartet, aber mitnichten. Eigentlich geht es um eine Art asiatischen Naschmarkt im Kleinformat, wobei das Angebot ziemlich beschränkt ist: Reis, Fisch, Gemüse und Gewürze, also 4 Produkte. Das hat mit den schwimmenden Märkten Asiens nur wenig zu tun. Wer je das pulsierende Leben auf diesen Kähnen erlebt hat, weiß was ich meine. Die Vielzahl der Gerüche, Laute, sowie das Feilschen der Menschen um – für uns – exotische Leckerbissen sind beim besten Willen in einem Brettspiel nicht einzufangen. Das soll aber die Leistung von Michael Schacht, dem Autor, keinesfalls schmälern. Mit seinem Spiel ist es ihm gelungen weitaus kostengünstigere Unterhaltung zu liefern, als dies eine Asienreise darstellt.

Zum Spielziel: Gewinner wird der oder diejenige, die am Ende das meiste Geld durch den Verkauf o.a. Produkte erwirtschaftet hat, wobei der Einkauf kostenlos ist (das würde ich auch für meine Firma wünschen) und nur durch Nachschubkarten geregelt wird.

 

Vorerst liegen 5 Schiffe an der Mole, 4 davon bieten nur jeweils eine Ware an, das 5. alle 4 Produkte. 3  Kapitäne mit verschiedenen Aktionsmöglichkeiten werden nun einzeln auf den Kähnen postiert. Einer ermöglicht die Platzierung von Kisten auf seinem Schiff, ein anderer den Verkauf der Ware und letzterer gibt Warenkarten seines Schiffes aus. Auf deren Bedeutung komme ich noch zurück. Da nach Adam Riese 2 Schiffe unbemannt bleiben gibt es noch „Gehilfen“ (einer bei 3 Spielern, zwei bei 4), die auf einer Aktionsleiste, welche auch gleichzeitig als Rundenzähler dient, eine bestimmte Aktion bei einer der „offenen“ Dschunken ermöglichen.

Zu Beginn jeder zu spielenden Runde wird vom im Uhrzeigersinn wechselnden Startspieler eine von 10 Marktkarten aufgedeckt, welche den Wert anzeigt, der in dieser Runde für die einzelnen Waren zu erzielen ist. Mal bringt Fisch 4 Yüan und Reis nur 1 Yüan, während es für Gemüse nur eine Sonderkarte gibt und Gewürze mit 2 Yüan abschneiden. Es wechselt von Runde zu Runde. Apropos Sonderkarten: Es gibt 30 Stück davon, die in 4 gleichmäßigen! Stößen zu Beginn neben der Pier verdeckt aufgelegt werden. (Wie das gehen soll, wenn die Zahl durch 4 nicht teilbar ist, muß mir der Autor mal erklären). Sie gewähren einerseits einen für die gesamte Spielzeit dauernden Vorteil, wie eine zusätzliche Nachschubkarte oder Tausch von Warenkarten, aber auch manchmal nur einmalige Aktionen unabhängig von den jeweils geltenden Regeln und last not least schließlich Bonusmöglichkeiten bei Spielende. Wer sich für den Erwerb von Sonderkarten entscheidet, darf sich einen der 4 Stapel nehmen und sich die ihm genehme Karte aussuchen. Während des Spiels gibt es außerdem 2 Runden wo alle reihum in den Genuss von Sonderkarten kommen. Die Karten haben einen wesentlichen Einfluss auf die Spielentscheidung.

 

Wie gesagt nach Aufdecken der Marktkarte entscheiden sich die Spieler reihum für einen der Kapitäne auf den Schiffen bzw. den Gehilfen und somit auch für ihre Aktion in dieser Runde. Nun kommt demjenigen, der Kisten auf das Schiff platziert besondere Bedeutung zu. Gibt es nämlich bei normalem Verkauf 3 Yüan – desgleichen alternativ 3 Warenkarten – so steigt der Betrag bzw. die Anzahl pro sichtbarer Kiste der eigenen Farbe bis zu 9.

Dazu erhält jeder Spieler zu Beginn etliche Ladestreifen mit jeweils 3 Kisten seiner Farbe. Diese werden bei entsprechender Aktion auf dem Laderaum des Schiffes platziert. Maximal 2 Streifen, also 6 Kisten. Sobald 3 Streifen nebeneinander liegen wird um 90 Grad verdreht geschlichtet und damit darunter liegende abgedeckt. Es zählen nur offen sichtbare Kisten für die Wertung!

 

Dies ist der 2. Knackpunkt in dem Spiel, weil abgesehen vom Mehrerlös auch bei Spielende viele offene Kisten bzw. bestimmte Konstellationen Extrapunkte in Form von Yüan bringen.

Nach den erwähnten Aktionen (Kisten platzieren, Verkauf bzw. Warenkarten erhalten) gibt es Nachschub. Pro Nachschubkarte – zu Beginn erhält jeder Spieler 2 Stück – nimmt sich jeder die entsprechende Anzahl Karten, wobei die Auswahl frei ist. Nach dieser Aktion findet der Warenpoker statt. Jetzt geht es um die Yüan laut Marktkarte bzw. die Sonderkarte. Die Spieler bieten verdeckt mit Warenkarten in ihrer Hand für eines der Produkte. Der Bestbieter erhält die jeweiligen Yüan bzw. Sonderkarte. Sollte Gleichstand sein wird geteilt und eventuell nach unten abgerundet. Die Sonderkarte verfällt in diesem Fall. Es wird um alle 4 Produkte geboten, nötigenfalls sogar in 4 Entscheidungen. Das war aber in meinen Spielrunden nie der Fall. Hier liegt meines Erachtens auch eine Schwäche. Sollte ein Spieler infolge genügend offener Kisten 6 oder mehr Warenkarten einer Sorte erhalten und sich beim Nachschub nochmals bedienen, ist er beim Poker in dieser Sorte praktisch unschlagbar und keiner der Runde vergeudet eigene Karten dieser Sorte. Gebotene Warenkarten verfallen nämlich und werden wieder auf den jeweiligen Schiffen abgelegt.

 

Nach dieser Aktion werden die Kapitäne im Uhrzeigersinn auf den Schiffen verschoben. Auch der Startspieler wechselt, eine neue Marktkarte wird aufgedeckt und die nächste Runde beginnt.

 

Übrigens der Spielstand = augenblicklicher Geldbetrag wird geheim gehalten und muss nur in Runde 5 und 9 offen gelegt werden.

Zum Spielmaterial gibt es kaum etwas zu bemängeln, gerade das Spielgeld hätte ich mir doch griffiger und größer gewünscht als das bessere Briefmarkenformat in dem es jetzt daherkommt. Schade, denn es passt so gar nicht zu der sonst einwandfreien Ausstattung.

Zum Spiel selbst bin ich mir selbst nicht ganz im Klaren. Von den Spielen, die ich von Michael Schacht besitze, gefällt es mir am besten – ob es der ganz große Wurf ist, kann ich nicht sagen; dazu fehlen mir noch einige Partien mehr. Die Kistenplatzierung mit dem Element der Wiederabdeckung ist ganz interessant. Regulär kommt man zu dieser Aktion erst nach 5 Runden wieder ins selbe Boot und dann ist man möglicherweise durch die Zugreihenfolge blockiert. Bleiben also nur die Sonderkarten oder Gehilfen um dort Veränderungen herbeizuführen. Tatsache ist, dass man als Startspieler jeweils vor dem Dilemma steht: Verkaufen, damit Geld ins Haus kommt – schließlich sind die Yüan am Schluss das einzig ausschlaggebende Siegkriterium. Oder man platziert Kisten in der Hoffnung dass niemand dagegen arbeitet. Alternativ hortet man Warenkarten um wichtige Sonderkarten zu erlangen. Dieser Zwiespalt ist eigentlich das typische Merkmal eines guten Spiels. Leider bedingt das auch lange Überlegungen, die relativ lange Wartezeiten für die Mitspieler bedingen.