Der Dieb von Bagdad

Sieben Diebe auf einen Streich

 

Wir schreiben das Jahr 1924. Im Kino läuft gerade ein Blockbuster an – Der Dieb von Bagdad – mit Douglas Fairbanks, in schwarz/weiß. Die jugendlichen Leser werden jetzt den Kopf schütteln, ja es gab eine Zeit, da waren die Filme ohne Farbe, aber bei weitem nicht farblos. Für die damalige Zeit war der Hauptdarsteller von einer Berühmtheit mit einem George Clooney vergleichbar, ungemein charismatisch und die Frauenherzen schlugen höher, wenn sein Blick von der Leinwand fiel. Von so einem ließ sich jede Frau der damaligen Zeit, gerne aus jeglicher Gefahr retten. Mit 155 Minuten Spiellänge war der Film ebenfalls eine Ausnahme.

 

1940 gab es eine englische Produktion mit deutscher Regie, die nach 4 Jahren Drehdauer den Weg in die Kinos fand. Dieser Film bekam sogar einen Oscar für die besten Spezial Effekte.

 

Diesem orientalischen Märchen hat sich der Queen Games Verlag verschrieben und ihm sein neues Spiel gewidmet. In der Schachtel, die ein wenig zu groß geraten ist, die wir aber bereits seit Der Palast von Alhambra kennen, befindet sich der Spielplan, der 6 Paläste in 6 verschiedenen Farben zeigt. Jeder Palast hat 4 Felder für die Wächter.

 

In jedem Palast wird ein Stapel mit Schatztruhen gelegt. Auf jeder Truhe, die aus stabilen Karton besteht, sind 4 bis 7 weiße Figuren abgebildet, welche die Diebe repräsentieren. Die oberste Truhe ist die Truhe mit 4 Dieben, darunter mit 5, darunter 6 und ganz unten die Truhe mit 7 Dieben. Vor jeden Palast wird ein neutraler schwarzer Wächter gestellt.

 

Wie viele Wächter man einsetzen kann und wie viele Karten jeder Spieler bekommt, ist für 2, 3 und 4 Spieler unterschiedlich. Bei 4 Spielern bekommt jeder 2 Wächter in seiner Farbe und der Startspieler 6 Palastkarten, der zweite 7 usw. Jeder Spieler stellt reihum einen Wächter auf ein freies Feld vor einem der Paläste. Haben alle einen platziert wird der zweite gesetzt. Die Diebe, das sind die kleineren Figuren, 12 für jeden Spieler, werden vor den Spielern abgelegt.

 

In seinen Zug kann der Spieler beliebig viele Palastkarten ausspielen. Er kann einen eigenen Dieb vom Vorrat in einen Palast stellen.  Dazu muss er pro fremdem Wächter (neutrale oder die der anderen Spieler) eine Karte in der Farbe des Palastes ausspielen, wo er den Dieb einsetzen möchte. Es muss dazu aber mindestens ein fremder Wächter anwesend sein.

 

Als zweite Aktion kann er einen eigenen Wächter umsetzen. Er spielt eine Karte aus, die entweder die Farbe des Palastes trägt, wo der Wächter stand oder die, wo der Wächter hinzieht. Logischerweise muss am Zielort auch ein Feld vor dem Palast frei sein.

 

Als dritte Aktion kann man einen eigenen Wächter umsetzen und dabei einen eigenen Dieb mitnehmen. Die Kosten sind gleich denen der zweiten Aktion. Um einen neutralen schwarzen Wächter umzusetzen, muss man 2 Karten ausspielen. Eine in der Farbe, wo der Wächter stand, und eine wo er hinzieht. Natürlich muss am Zielort wieder ein Platz frei sein.

 

Diese 4 Aktionen sind in beliebiger Reihenfolge kombinierbar. Die einzige Begrenzung die es gibt ist, dass man pro Zug niemals mehr als 3 Aktionen durchführen darf, an denen ein Dieb beteiligt ist.

 

Befinden sich zu einem beliebigen Zeitpunkt eine ausreichende Anzahl an Dieben in einem Palast, kann der Spieler die oberste Truhe an sich nehmen. Wie Sie richtig vermuten muss die aufgedruckte Anzahl an weißen Figuren mit der Anzahl der Diebe des Spielers übereinstimmen. Die beteiligten Diebe nimmt der Spieler zurück in seinen Vorrat.

 

Danach zieht der Spieler 3 Palastkarten nach. Führt ein Spieler in seinem Zug keine Aktion aus, kann er 4 Karten nachziehen und eine dieser 4 Karten kann eine der 8 Jokerkarten sein die offen ausliegen. Netterweise zeigen diese Jokerkarten eine Tänzerin, also nicht nur schön anzusehen sondern auch hilfreich.

 

Das Spiel endet, wenn ein Spieler 4 Schatztruhen vor sich liegen. Bei einem 2 oder 3 Personenspiel müssen es 6 oder 5 Truhen sein. In einer Variante bekommt zu Beginn jeder Spieler zu seinen beiden Wächtern noch 2 neutrale Wächter und die Spieler bestimmen über alle Figuren, wo sie zu Beginn aufgestellt werden.

 

Die Regel ist wie gewohnt übersichtlich und lässt keine Fragen offen. Erstmals sind mir die fettgedruckten Stellen aufgefallen, damit man bestimmte Stellen bei Regelfragen schneller findet. Spielt man die Grundversion, taucht natürlich sofort die Frage auf warum 2 Wächter zuviel in der Schachtel sind. Die werden für die Variante benötigt. Ein Vermerk bei der Materialübersicht würde diese Frage nicht aufkommen lassen und wir hätten uns das Suchen in unserer ersten Partie erspart.

 

Auf der 3. Seite der Regel werden die Aktionen aufgelistet. Die farbliche Kodierung am Anfang der Absätze hat nichts mit den Spielfarben zu tun. Interessanterweise ist dieser Lapsus nicht nur mir passiert, sondern ein anderer Spieleerklärer hat dies ebenfalls in dieser Weise wahrgenommen. Ansonst findet sich ein vierseitiges Regelwerk, das durch Übersichtlichkeit und Einfachheit glänzt. Die Regeln sind schnell und leicht erlernt.

 

Für sein Geld bekommt man auf jeden Fall ein kurzweiliges Spiel mit ansprechendem Material geliefert. Die Schachtelgröße ist Verlagsbedingt und wird natürlich immer Anlass zur Kritik geben. Der Einsatz könnte ein wenig überdacht werden, denn es muss nicht sein, dass der Spielplan um 2 mm über den Schachtelrand ragt und die Schachtel sich dadurch nicht schließen lässt. Die Spielfiguren sind zur Gänze aus Holz und die Farben sowohl bei den Figuren als auch auf Karten und Spielplan sind für das Auge angenehm und unterstützen damit den Spielfluss. Die Stärke der Karten ist ausreichend und die Schatztruhen sind aus robusten dicken Karton.

 

Die Grafik ist ansprechend, der Held auf dem Cover hat sogar leichte Ähnlichkeiten mit Douglas Fairbanks. Ja eines sei noch angemerkt, beim genannten Douglas Fairbanks handelt es sich um den Senior. Die Tänzerin ist Michael Menzel gut gelungen und sollte jemand mit den Farben Probleme haben, alle Paläste haben auf den Dächern verschiedene Symbolen die auch auf den Karten zu finden sind – steht nicht in der Regel, bekommt man aber nach einiger Zeit mit.

 

Der Spielfluss ist während des gesamten Spieles ungebrochen und selbst Grübler werden innerhalb kürzester Zeit ihren Zug durchführen. Die Dauer von 45 Minuten haben wir nur in der ersten Partie erreicht. Die folgenden lagen alle bei 30 bis 35 Minuten. Am interessantesten empfand ich das Spiel in der Variante für 4 Personen. Es ist zwar weniger planbar, aber der einzelne Spieler muss flexibler agieren. Es funktioniert aber in allen Besetzungen.

 

Das Thema des Spieles wirkt aufgesetzt. Es handelt sich beim Dieb von Bagdad um ein Kartenspiel. Durch die Karten werden Figuren bewegt oder eingesetzt. Da hätte jedes andere Thema auch herhalten können. Aber mit dem Thema wollte man wohl die Linie beibehalten, die man mit Der Palast von Alhambra begonnen hat.

 

Der stärkste und oft missachtete Zug ist der, mit dem der Wächter einen Dieb mitnehmen kann. Im Verlauf des Spieles wird es immer wieder Paläste geben, wo nur ein fremder Wächter steht. Dort Diebe einsetzen ist somit günstig. Wenn man noch Karten dieses Palastes auf der Hand hält, so kann man in einem Zug drei dieser Diebe in einen Palast bringen vor dem vielleicht drei fremde Wächter stehen und somit das direkte Einsetzen sehr teuer wird. Diese taktische Option sollte man immer im Hinterkopf behalten.

 

Mit dieser Spielweise hat man immer eine große Anzahl an Dieben in den Palästen verteilt und wenn das Spiel dem Ende zu geht, hat dieser Spieler oft das bessere Ende für sich.

 

Optisch gutes, stimmiges Material, eine überzeugende Grafik, einfache Regeln und kurze Spieldauer, das zeichnet dieses Spiel aus. Tüftler und Taktiker werden bei diesem Spiel sicher nicht auf ihre Rechnung kommen, aber für zwischendurch ist sicherlich für alle Spielergruppen Kurzweil geboten. Natürlich ist man dem Glücksfaktor Karten ziehen ausgesetzt, aber man findet in diesem Spiel auch einige taktische Möglichkeiten. Man muss ständig abschätzen ob man für sich spielt oder einen anderen Spieler stört.

 

Das Ende des Spieles war in allen Partien überraschend, lag aber daran, dass wir unseren Mitspielern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Natürlich sieht man wie viele Schatztruhen der Spieler vor sich liegen hat und ob er die Möglichkeit in seinem nächsten Zug hat die vierte zu bekommen. Wie der Spieler seinen letzten Zug aber angelegt hat, war dann immer überraschend.

 

Was mich bei Queen Games aber am meisten überrascht ist, dass konsequente Negieren und Nichtanbringen einer e-mail Adresse oder der homepage auf der Schachtel oder in den Regeln. So schlecht sind eure Spiele nicht, ihr müsst euch nicht verstecken!

 

Spieler         : 2-4

Alter            : ab 8 Jahren

Dauer          : 45 Minuten

 

Autor           : Thorsten Gimmler

Grafik          : Michael Menzel

Preis            : ca. € 20,00

Verlag          : Queen Games 2006

                     www.queen-games.de

 

Genre                    : Kartenspiel

Zielgruppe             : Familie

Mechanismen         : Karten spielen, Figuren einsetzen

 

Strategie                : *

Taktik                   : ***

Glück                    : **

Interaktion             : ****

Kommunikation      : *

Atmosphäre           : ****

 

Kommentar:

Regel übersichtlich und verständlich,

leicht erlernbar,

schönes Material

zu große Schachtel

Spiel für zwischendurch

Thema wirkt aufgesetzt

 

Vergleichbar:

Teilweise Celtica, Ravensburger

Mitnehmen des Diebes einzigartig

 

Kurt Schellenbauer: Man muss immer seine Mitspieler im Auge behalten, denn die Entscheidung wer den Sieg davon trägt fällt schnell und oft unerwartet.

 

Kurt.Schellenbauer@spielezeit.at