DAS SPIEL MIT DEM GEWISSEN DREH

DUNGEON TWISTER

Eine Mannschaft mutiger Kreaturen auf der Flucht aus dem dunklen Kerker in die Freiheit

 

Bevor die Gemeinde der Rollenspieler jetzt losrennt, um die Regale der Spieleläden zu plündern sei gesagt, dass es sich bei diesem Spiel nicht um eine genrespezifische Neuauflage des Verrenkungsklassikers „Twister“ von MB, sondern um ein brandneues Produkt aus dem Hause Pro Ludo dreht.

Der noch relativ unbekannte Autor Christophe Boelinger serviert uns hier anstatt leichter Partyspiel-Kost einen strategischen Leckerbissen der besonderen Art für 2 wagemutige Kontrahenten. Sehen wir uns das Spiel mal etwas näher an.

 

DAS MATERIAL

Verpackt ist das Spiel in einer nicht allzu großen Schachtel deren Format etwas an die Verpackungen von Rollenspielprodukten aus früheren Tagen erinnert - wahrscheinlich ist dieser Bezug auch so gewollt. Das Spielmaterial besteht, mal abgesehen von den Plastikstandfüßen der Spielfiguren, ausschließlich aus Karton bzw. Papier. Da haben wir unter anderem die 8 Kerkerräume, 2 Startzonen, 2 Sichtschirme, 2 Sätze Spielkarten zu je 16 Stück, die aufstellbaren Spielfiguren  aus Karton sowie eine Menge Pappmarker deren Funktionen etwas später genauer erklärt werden.

Beim Herauslösen der Teile sollte man sich Zeit lassen und vorsichtig sein. Die Stanzungen sind nicht an allen Stellen sauber durchgeführt und es kann passieren, dass man die Marker etwas einreißt was weder schön aussieht noch sehr förderlich für deren verdecktes Auslegen ist. Ich habe das leider zu spät bemerkt, wurde aber prompt von Pro Ludo mit Ersatzteilen versorgt.

Die Illustrationen der Herren Wayne Reynolds und Thierry Masson sind von höchster Qualität. Sowohl die Schachtel als auch Material und Spielregeln sind erstklassig.

Das 15-seitige Regelheft mag anfangs etwas abschrecken, es ist aber reich illustriert und leicht verständlich geschrieben.

 

WER GEWINNT?

Ziel des Spiels ist es, als erster fünf Siegpunkte zu erhalten. Was aber hier nach einer sehr leichten Aufgabe klingen mag, ist letztendlich das Resultat von Geduld und reichlichen strategischen Überlegungen. Wer hier hofft, sich auf sein Glück verlassen zu können, befindet sich im falschen Kerker.

Die Punkte, welche zum Sieg führen erhält man auf verschiedene Arten. So erhält man zum Beispiel 1 Siegpunkt für jede getötete bzw. eliminierte gegnerische Spielfigur. Jede eigene Figur, der es gelingt aus dem Kerker zu entkommen, bringt ebenfalls einen Siegpunkt - sollte es dem Goblin gelingen, sind es sogar 2 Punkte. Wer es schafft, einen Schatz ins Freie zu schaffen wird ebenfalls mit einem Punkt belohnt. Das Spiel endet sofort, wenn einer der Spieler mindestens 5 Punkte gewonnen hat.

 

DIE VORBEREITUNGEN

Jeder Spieler erhält seine 8 aufstellbaren Spielfiguren, 14 runde Marker (8 Spielfigurmarker und 6 Objektmarker), 16 Spielkarten (9 Kampf-, 3 Sprung- und 4 Aktionskarten), einige quadratische Hilfsmarker sowie eine Startzone und einen Sichtschirm.

Da ein Kerkergemetzel ohne Kerker nicht viel Sinn macht, wird dieser jetzt ausgelegt. Dazu werden die 8 Kerkerräume gemischt und verdeckt so platziert, dass sie ein 4x2 Raster bilden. An die schmalen Seiten legt jeder der Spieler seine Startzone an und setzt sich dahinter, um den Kerker der Länge nach zu durchqueren. Die beiden Spieler beginnen nun mit dem verdeckten Platzieren ihrer 14 runden Marker. Acht davon zeigen die Köpfe der Spielfiguren, die restlichen 6 Marken stellen Objekte dar, welche man im Laufe des Spieles aufnehmen und benutzen kann. Die Ausgangssituation für die beiden Spieler ist identisch, d.h. sie verfügen über die gleiche Auswahl an Figuren und Gegenständen. Die Marker unterscheiden sich lediglich in der Farbe.

Zuerst legen beide Spieler 4 ihrer 8 Figurenmarker verdeckt in die eigene Startzone um damit ihre Startmannschaft zu definieren. Die restlichen 10 Marker werden auf die noch immer verdeckten Kerkerräume verteilt und zwar so, dass sich zuletzt auf den inneren 4 Räumen je 3 Marker und auf den äußeren 4 Räumen je 2 Marker befinden. Abwechselnd legen die Spieler die Marker aus, bis alle platziert sind. Danach werden die Figurenmarker in den Startzonen umgedreht und, wenn man es so will, durch die größeren, aufstellbaren Figuren ersetzt. Nochmals wird der Startspieler bestimmt und das Spiel kann beginnen.

 

FIGUREN & GEGENSTÄNDE

Bevor wir zum Spielablauf kommen, möchte ich noch kurz die Figuren bzw. Gegenstände erklären.

Wie schon zuvor erwähnt, startet jeder Spieler mit den gleichen 8 Figuren. Jede der Figuren verfügt über einen Bewegungswert (BW) und einen Kampfwert (KW) sowie über eventuelle Sonderfähigkeiten, welche man im Laufe des Spieles nutzen kann. Hier die Figuren im Einzelnen.

Kleriker (BW 4/KW 2): Die Sonderfunktion des Klerikers besteht darin, verletzte Figuren heilen zu können.

Goblin (BW 4/KW 1): Der Goblin verfügt über keine Sonderfähigkeiten, jedoch bringt seine Befreiung aus dem Kerker einen Extra-Siegpunkt.

Krieger (BW 3/KW 3): Der Krieger kann geschlossene Gitter zerstören, welche danach für das restliche Spiel offen bleiben.

Magier (BW 4/KW 1): Er schwebt über Gruben und andere Figuren hinweg und ist die einzige Figur, welche den Gegenstand „Feuerballstab“ benutzen kann.

Mechanork (BW 3/KW 2): Normalerweise werden die Kerkerräume nur in Pfeilrichtung gedreht - der Mechanork kann sie in beide Richtungen drehen.

Wand-Läuferin (BW 4/KW 1): Ich denke, der Name sagt alles.

Troll (BW 2/KW 4): Ein Kampfkoloss, der sich auch noch selbst regenerieren kann.

Diebin (BW 5/KW 2): Die Diebin kann sich über Gruben hinwegbewegen und sogar auf ihnen stehen bleiben. Sie kann außerdem Schlösser knacken und wieder versperren.

Nun noch schnell einige Worte zu den Gegenstände, welche die Spieler zu Beginn platziert haben und welche sie später aufnehmen und verwenden können. Sie können von beiden Spielern benutzt und getragen werden, egal ob sie die eigene oder gegnerische Farbe zeigen.

Rüstung: Erhöht die Kampfkraft beider Verteidigung um einen Punkt.

Feuerballstab: Kann nur vom Magier benutzt werden und eliminiert die nächste Figur in Sichtweite.

Seil: Hilft beim Überqueren von Fallgruben.

Schwert: Erhöht den Kampfwert um einen Punkt beim Angriff.

Trank der Schnelligkeit: Erlaubt es der Figur, 4 zusätzliche Aktionspunkte in der aktuellen Runde zu verwenden.

Schatz: Bringt einen Extra-Punkt, wenn man ihn ins Freie trägt.

 

DAS SPIELPRINZIP

Die Ausgangssituation stellt sich nun wie folgt dar. Jeder Spieler befindet sich an dem einen Ende des Kerkers und muss versuchen seine Figuren an das andere Ende zu bringen. Auf dem Weg dorthin wird man auf die Figuren des Kontrahenten treffen und diese bekämpfen müssen. Das ganze mag bei genügend abstrakter Betrachtung an eine Partie Schach erinnern und das nicht ganz zu unrecht.

Die Kerkerräume, welche man dabei durchquert, werden erst enthüllt wenn man sie das erste Mal betritt. Wie wir schon wissen, gibt es 8 davon, wobei je 4 von ihnen die gleiche Farbe haben wodurch sie funktionell miteinander verbunden sind. Ein Prinzip des Spiels, welches ihm auch dem Namen gegeben hat, ist die Möglichkeit die Kerkerräume zu drehen. Eines der 25 Felder eines jeden Kerkerraumes stellt einen Drehmechanismus dar. Eine Figur welche sich drauf befindet, darf diesen Raum oder den gleichfarbigen anderen Raum (auf welchem man sich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht befindet) in Pfeilrichtung drehen. Man kann sich gut vorstellen, dass eine anständige Portion Vorstellungskraft hier nicht schaden kann, da sich durch die Rotation der Räume immer wieder neue Wege aber auch neue Blockaden ergeben können.

 

DER SPIELABLAUF

Gespielt wird in Runden. Jeder Spieler verfügt über 4 Aktionskarten mit den Werten 2,3,4 und 5. Der „aktive Spieler“ legt zu Beginn seiner Runde eine dieser 4 Karten aus. Der Wert der gespielten Aktionskarte bestimmt die Anzahl der in dieser Runde zur Verfügung stehenden Aktionspunkte. Wurde eine Karte gespielt, erhält man sie erst wieder zurück, wenn man zu Beginn seiner Runde keine Aktionskarte mehr auf der Hand hat.

Man kann die Aktionspunkte nutzen um verschiedene Handlungen durchzuführen wie etwa das Umdrehen oder das Drehen eines Kerkerraums, das Bewegen einer Figur, das Beginnen eines Kampfes oder das Nutzen einer Spezialfähigkeit. Dabei ist zu beachten, dass man eine Aktion abgeschlossen haben muss bevor man die nächste Aktion beginnt. So darf man z.B. nicht einen Teil seiner Bewegungspunkte nutzen, eine Aktion durchführen und danach den Rest der Bewegungspunkte verbrauchen.

Da zu Spielbeginn alle Kerkerräume verdeckt sind verwendet man die ersten Aktionspunkte dazu, die äußeren Räume zu betreten und seine Figuren von der Startzone ins Spiel zu bringen.

Um einen Raum betreten zu können, muss man sich auf einem angrenzenden Feld eines Nebenraums befinden, das einen Zugang zum verdeckten Raum besitzt. Für die Abgabe eines Aktionspunktes kann man dann die Kerkerkarte umdrehen. Das geschieht immer nach dem gleichen Prinzip: Die Marker, die sich auf dem Kerker befinden, werde beiseite gelegt, die Karte wird gerade herausgezogen, nach innen geklappt und wieder zurück in die Reihe geschoben. Die Marker, welche sich auf dem Kerkerraum befunden haben werden danach auf der Karte platziert. Der aktive Spieler darf zuerst alle Marker außer denen, welche eigene Gegenstände zeigen, selbst verteilen. Anschließend legt der andere Spieler die Gegenstände des aktiven Spielers auf die Felder seiner Wahl.

Je nach Bewegungswert können sich die Figuren für die Abgabe eines Aktionspunktes unterschiedlich weit bewegen. Ihre Bewegungen werden durch Wände,  Gruben und Gitter eingeschränkt. Wände können nur von der Wand-Läuferin durchquert werden, und das auch nur für die Abgabe eines Aktionspunktes pro passierter Wand. Gruben können von der Diebin oder dem Magier überquert werden. Alle anderen Charaktere müssen eine der begrenzten Sprungkarten (3 Stück pro Spiel) opfern und zusätzlich einen Aktionspunkt abgeben, um diesen Akt zu vollbringen. Gitter können vom Krieger eingeschlagen oder von der Diebin geknackt werden. Andere Figuren müssen einen Umweg in Kauf nehmen oder einfach nur abwarten bis jemand aushilft.

Wenn sich 2 Spieler auf benachbarten Feldern befinden so kann der aktive Spieler für die Abgabe eines Aktionspunktes zum Kampf entscheiden.

 

DER KAMPF

Ein Kampf wird immer zwischen Figuren auf benachbarten Feldern ausgetragen. Das Kampfsystem ist einfach. Jeder Spieler entscheidet sich geheim für eine sei­ner Kampfkarten (Werte 0 bis 6) und beiden decken diese dann gleichzeitig auf. Zu deren Wert addiert man den Kampfwert der Figuren. Der Spieler mit dem höheren Wert gewinnt, bei Gleichstand bleibt die Situation unverändert. Der Verlierer des Kampfes ist nicht sofort tot, sondern erst einmal nur verletzt. Dies wird angezeigt, indem man die aufgestellte Figur aus dem Spiel nimmt und durch den runden Marker dieser Figur ersetzt. Wird eine verletzte Figur später nochmals erfolgreich bekämpft, so ist sie aus dem Spiel und der Sieger erhält dafür einen Siegpunkt. Solange ein Charakter verletzt ist, kann er sich weder bewegen noch angreifen, verteidigen ist jedoch noch möglich.

Es gibt auch die Möglichkeit eines Gruppenkampfes. Figuren, welche waagrecht oder senkrecht an eine andere Figur angrenzen, egal ob Angreifer oder Verteidiger, können ihren Kampfwert aufsummieren. Es wird aber trotzdem nur eine Kampfkarte gespielt. Im Gruppenkampf werden alle Beteiligten bei einer Niederlage verletzt.

Gespielte Kampfkarten kommen aus dem Spiel - die Karte „0“ bekommt man immer zurück.

 

RESUMEE

„Dungeon Twister“ ist ein sehr gutes Spiel, welches zu überraschen vermag. Der Rollenspieler wird bei diesem Spiel dem Strategen gerne den Vortritt lassen und lieber in einem anderen Dungeon nach Ruhm & Ehre suchen. Für Langzeit­spaß ist gesorgt, am Horizont tummeln sich schon etliche Erweiterungen.

andreas.resch@spielen.at

 

Spieler         : 2

Alter            : 11

Dauer          : 45

 

Autor           : Christophe Boelinger

Grafik          : W. Reynolds und T. Masson

Vertrieb        : Fachhandel

Preis            : ca. € 24,00

Verlag          : Pro Ludo 2005

                     www.proludo.de

 

Genre                    : Fantasy-Spiel

Zielgruppe             : Freunde, Zwei Personen

Mechanismen         : Dungeon erforschen

 

Strategie                : *****

Taktik                    : *****

Glück                    : **

Interaktion             : ******

Kommunikation      : *****

Atmosphäre           : *****

 

Kommentar            :

Sehr schönes Material

Gelungene Grafik

Eher komplexere Regeln

Spielerfahrung von Vorteil

 

Wenn Sie gerne strategische Konfontrationen mit Fantasy-Flair mögen und zu zweit spielen wollen, ist Dungeon Twister die ideale Wahl.

 

Andreas Resch:

Christophe Boelinger serviert uns hier anstatt leichter Partyspiel-Kost einen strategischen Leckerbissen der besonderen Art