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Die Zeit der Zünfte

 

Strasbourg

 

Ämter für Familienmitglieder

 

Bald haben wir Europa durchgespielt, auf unserer Reise durch Mittelalter und Renaissance haben wir schon in einigen Städten Halt gemacht und uns als Bürger oder Fürsten, Adelige oder Kaufleute in die örtliche Politik eingemischt und versucht, Macht, Einfluss und Reichtum zu erwerben. Diesmal hat uns die Zeitmaschine in Strasbourg abgesetzt, im 15. Jahrhundert, die Stadtpolitik wird stark von den Zünften beeinflusst, die Spieler sind Familien in der Stadt und wollen Familienmitglieder in den Zünften unterbringen. Dazu braucht man aber Einflusspunkte und Geld, denn im Mittelalter musste man für Lehrstellen bezahlen! Und wie nicht anders zu erwarten, mischen auch noch Adel und Kirche mit.

 

Wenn wir uns den Spielplan anschauen, hat dieser drei fixe Bereiche: Den sogenannten Rat der Stadt mit 8 Feldern für Adel, Kirche, die fünf Zünfte Schmiede, Weinleute, Schuhmacher, Fleischer und Bäcker sowie für die Kaufleute. Jeder dieser Plätze ist grundsätzlich von einem der eigenen Familienmitglieder zu erreichen, von denen jeder über 15 verfügt. Wann immer man ein Familienmitglied in eines dieser Ratsfelder setzen kann, geht ein schon dort stehendes Familienmitglied an den Eigentümer zurück. Der zweite große Bereich ist das Stadtgebiet, mit Feldern für die Zünfte, unregelmäßig angeordnet, aber zusammenhängend und von verschiedenem Wert. Und schon hier sollte man sich das Ganze gut anschauen, denn die Felder der Zünfte sind unterschiedlich viel wert, die der Schmiede am meisten, dann kommen die Weinmacher, dann die Schuster, Fleischer und am wenigsten wert sind die Felder der Bäcker. Der dritte immer gleiche Bereich ist die rundumlaufende Siegpunktleiste von 1 bis 80. Für den Spielverlauf am wichtigsten und interessantesten und variabel ist der vierte Bereich, der Bereich für die Rundentafeln. Diese Rundentafeln werden zu Spielbeginn zufällig dort nebeneinander ausgelegt und sind der Schlüssel zum Spiel, von dem alles andere abhängt. Jede dieser Rundentafeln hat an oberster Position A ein Feld Adel/Kirche, dann kommen von Position B bis einschließlich G abwechselnd 3 Zunftfelder und drei Kaufleute-Felder, Position H ist immer ein Feld für die Aktion Kapelle bauen und Position I immer ein Feld für die Aktion Bauwerk bauen. Unbedingt beachten sollte man, dass die Rundentafeln immer nur drei der fünf Zunftfelder anbieten und jede Zunft auf allen Rundentafeln insgesamt nur drei Mal vorkommt und das nicht in regelmäßigem Rhythmus. Ans Ende der Rundentafeln wird zufällig und offen je eines der fünf Bauwerke gelegt.

 

Bevor wir uns weiter mit diesen Rundentafeln beschäftigen, noch ein schneller Blick auf das restliche Material: Jeder Spieler bekommt einen Satz so genannter Einflusskarten mit 4x den Werten von 1 bis 6. Dann gibt es noch Münzen, Privilegien, Bauwerke und Warenplättchen sowie einen Sichtschirm für jeden Spieler, eine Rundenfigur und eine Startspielerfigur. Jeder beginnt mit seinen Figuren, Einflusskarten, dem Sichtschirm und Münzen im Wert 5 hinter diesem Schirm.

Fehlt uns nur noch ein schneller Blick auf den allgemeinen Spielablauf, bevor wir uns in die – nicht unbedingt einfachen - Details des Spielablaufs vertiefen.

Gespielt wird Strasbourg in fünf Runden, wobei jede dieser Runden aus den drei Phasen Planungsphase, Aktionsphase und Ratsphase besteht.

 

Es beginnt damit, dass wir vor der ersten Runde irgendwie einen Startspieler bestimmen. Dieser bekommt die Startspielerfigur und platziert ein Familienmitglied im Adelsfeld des Rats, sein linker Nachbar stellt eines seiner Familienmitglieder ins Kirchenfeld.

Dann kommen die Aufgabenkarten ins Spiel. Ähnlich wie in Zug um Zug werden jedem Spieler Aufgabenkarten zugeteilt, in diesem Fall 5 Stück, die man anschaut und dann entscheidet, wie viele man behalten will; man muss eine Aufgabenkarte behalten und kann alle behalten, man hält auch die Anzahl geheim. Erfüllte Aufgaben sind bei Spielende Prestigepunkte wert, nicht erfüllte Aufgaben kosten aber Prestigepunkte. Diese Aufgabenkarten beziehen sich auf Positionen eigener Familienmitglieder im Stadtgebiet, entweder in Bezug auf Bauwerke, Zünfte oder die Außenmauer, oder man muss Waren besitzen, die Startspielerfigur besitzen oder die meisten Familienmitglieder im Stadtgebiet haben oder mehr Münzen besitzen –diese Aufgaben gelten bei Gleichstand als nicht erfüllt.

Hier ist zu Vorsicht zu raten, vor allem beim ersten Spiel – die Spielabläufe sind derartig verzahnt, dass man kaum abschätzen kann, ob man eine Aufgabe erfüllen wird oder nicht, also lieber nicht zu viele Minuspunkte riskieren.

 

Jetzt können wir uns endgültig ins Spielgeschehen stürzen.

Die Planungsphase führen wir mit unseren Einflusskarten durch – sie liegen als verdeckter Stapel bereit. Wir können beliebig viele davon für die jeweilige Runde ziehen, müssen aber bedenken, dass die 24 Karten für alle 5 Runden reichen müssen, ja, im Schnitt haben wir weniger als 5 Karten pro Runde zur Verfügung. Wir ziehen die Karten einzeln und können nach jeder Karte entscheiden, ob wir aufhören oder nicht – und können natürlich schon ein wenig abschätzen, was für die nächsten Runden übrig bleibt. Diese Information wird mit jeder Runde besser, aber natürlich kann es da dann oft schon zu spät sein, sie relevant einzusetzen. Hat man die Anzahl der Einflusskarten entschieden, teilt man nun seine Einflusskarten auf beliebig viele Stapel auf – man darf Stapel aus nur 1 Karte bilden oder alle Karten in einen Stapel legen, ganz nach Belieben.

Nun, Belieben ist das falsche Wort, man muss alle möglichen Dinge berücksichtigen.

Die Stationen der Rundentafel werden der Reihe nach absolviert und man kann bei jeder dieser Stationen entscheiden, ob man einsteigt oder nicht. Jede Station wird von dem Spieler gewonnen, der den meisten Einfluss dort einsetzt, die anderen folgen in absteigender Reihenfolge ihres Einflusses, Gleichstände werden durch den Sitzabstand zum Startspieler entschieden.

 

Der entscheidende Punkt ist natürlich was ich kriege, wenn ich gewinne: Zuerst einmal die Startspielerfigur (wichtig für die weiteren Positionen bei Gleichstand!). An Position A kann ich als Sieger ein Familienmitglied auf das Adelsfeld des Rates stellen, als Zweiter kann ich ein Familienmitglied auf das Kirchenfeld stellen. Auf den Feldern B, D und F kann ich die jeweilige Zunft beeinflussen – mit den meisten Punkten stelle ich einen Meister, mit den zweitmeisten einen Gesellen und den drittmeisten einen Lehrling. Als Meister darf ich ein Familienmitglied für die Zunft in den Rat stellen, eine Ware der Zunft aus dem Vorrat nehmen und ein Familienmitglied auf ein freies Feld der Zunft im Stadtgebiet stellen. Dies kostet den angegebenen Preis in Münzen. Als Geselle bekomme ich noch Ware und einen Platz in der Stadt, als Lehrling entweder eine Ware oder einen Platz in der Stadt.

An den Positionen C, E und G beeinflusst man die Kaufleute. Wer den meisten Einfluss hat, darf Waren an die Kaufleute verkaufen und – nur an Position G – ein Familienmitglied für die Kaufleute in den Rat stellen. Position H und I werden ohne Einflusspunkte abgewickelt, wer im Kirchenfeld des Rates ein Familienmitglied stehen hat, baut für Position H eine Kapelle auf ein freies weißes rundes Feld seiner Wahl in der Stadt, natürlich möglichst nahe zu eigenen Familienmitgliedern. Wer an Position I aktuell ein Familienmitglied im Adelsfeld des Rats stehen hat, nimmt das Bauwerk der Runde von der Rundentafel und legt es auf ein freies Baufeld im Stadtgebiet, es gibt davon insgesamt 7. Dabei sollte man natürlich Aufgabenkarten etc. berücksichtigen.

Und was ist mit jemand, der leer ausgeht obwohl er an einer Position mitgeboten hat? Er kann genau eine Karte aus seinem gebotenen Einflussstapel nehmen und unter seinen Nachziehstapel legen. Die übrigen Karten gehen aus dem Spiel, ebenso nicht eingesetzte Stapel. Daher lohnt es sich immer mitzubieten, auch wenn man weiß, dass es sinnlos ist, denn so kann man wenigstens eine Karte für den Nachziehstapel retten und damit den Einfluss der nächsten Runden insgesamt erhöhen. Wer nicht mitbietet, hat gepasst und kann keinesfalls eine Aktion ausführen.

 

Damit sind wir in der dritten Phase, der Ratsphase, angelangt – jeder bekommt so viele Prestigepunkte wie er Familienmitglieder im Rat stehen hat, wer dort die meisten hat, bekommt zusätzlich ein Privileg. Dieses kann man später einsetzen, um an den Positionen A-G ein Mal auszusetzen, wenn es um die Entscheidung bieten oder passen geht, man kann auch mehrere Privilegien an einer Position nutzen.

 

Nach fünf Runden werden Prestigepunkte vergeben:

- ein Punkt pro Familienmitglied im Stadtgebiet

- ein Punkt pro Kapelle für jedes Familienmitglied auf -angrenzenden Feldern

- die Prestigepunkte eines Bauwerks für jedes Familienmitglied auf einem Feld waagrecht oder senkrecht direkt neben dem Bauwerk

- ein Punkt für jedes nicht verwendete Privileg

- die Punkte für jede erfüllte Auftragskarte, höchstens einmal

- minus drei Punkte für jede nicht erfüllte Aufgabenkarte

 

Wer die meisten Prestigepunkte besitzt, gewinnt, und kann stolz sein, er hat ein extrem anspruchsvolles Spiel bravourös gemeistert. Strasbourg verlangt Ressourcenmanagement der Extraklasse, noch erschwert dadurch, dass der Einstieg ins Spiel von Zufall der Kartenverteilung im Einflusskarten-Spiel reguliert wird und auch noch vom Zufall der Rundentafeln-Verteilung. Zu dieser Zufallskomponente gab es geteilte Meinungen, aber ich finde, es ist ein Beweis für die Spielerfähigkeiten, daraus dann das Optimum herauszuholen!

Man darf sich eigentlich keinen Fehler erlauben, denn man muss Waren haben, um Geld zu haben, um dieses auszugeben um Familienmitglieder möglichst gezielt einzusetzen – da kann ein Moment der Unachtsamkeit oder Geiz mit den Einflusskarten im falschen Moment alles kaputt machen.

Das erste Spiel wird wohl für die meisten ein Übungsspiel sein, aber das sollte man unbedingt in Kauf nehmen, das Spiel ist absolut empfehlenswert, tough, anspruchsvoll, und belohnt die Anstrengung mit einem attraktiven Spielerlebnis. Noch ein Kompliment an die Regeledition für die für ein so komplexes Spiel knappe und absolut verständliche Regel und an die Redaktion für die gelungene Ausstattung!

 

Spieler         : 3-5

Alter            : ab 12 Jahren

Dauer           : ca. 90 min

 

Autor           : Stefan Feld

Grafik          : Alexander Jung, Hans-Georg Schneider

Titel             : ident

Preis            : ca. 35 Euro

Verlag          : Pegasus 2011

                     www.pegasus.de

 

Genre                    : Aufbauspiel

Zielgruppe             : Für Experten

 

Version        : multi

Regeln         : de en

Text im Spiel : nein

 

Kommentar:

Nominiert zum Kennerspiel des Jahres

Fantastisch verzahnte Mechanismen

Toll gemachte Regel

 

Vergleichbar:

Andere Ressourcenmanagementspiele

 

Meine Bewertung: 6

 

Dagmar de Cassan:

Eine echte Herausforderung, aus dem zufallsdominierten Beginn mit den wunderbar verzahnten Mechanismen das Optimum herauszuholen!

 

Zufall                            2

Taktik                  3

Strategie__                  2

Kreativität          

Wissen_              

Gedächtnis         

Kommunikation  

Interaktion                   3

Geschicklichkeit 

Action