UNSERE REZENSION

 

Achtung! Infektionsgefahr!

 

PANIC STATION

 

Aliens finden und zerstören

 

Als mit Schatten über Camelot die neue Welle an kooperativen Spielen eingeleitet wurde, war ich überglücklich. Endlich konnte ich gemeinsam mit meinen Freunden am Tisch spielen ohne den ganzen Abend zu versuchen ihnen zu schaden um zu gewinnen.

 

Leider haben viele kooperative Spiele das Problem, das sich ein Spieler eine optimale Lösung überlegt und die anderen nach dessen Anweisungen ihre Figuren bewegen. Dafür gibt es sogar den Namen "Multi Player Solitaire". Für dieses Problem wurde auch schon in SoC eine Lösung präsentiert, indem es einen Verräter gibt, dessen Ziele jenen der anderen Spieler diametral entgegengesetzt sind. Dadurch kann nicht ein Spieler die anderen führen, weil ja die Ziele der Spieler unterschiedlich sind.

 

Das durch diesen Mechanismus eine paranoide Stimmung am Tisch entsteht, weil man jeden Tipp eines anderen Spielers auf die Goldwaage legt ist Teil des Flairs solcher Spiele. Leider bringt das auch Nachteile mit sich, aber dazu später mehr.

 

Panic Station liefert viele der Vorteile von Schatten über Camelot oder Battle Star Galactica. Man arbeitet gemeinsam an einem Ziel, ist sich nicht sicher, ob andere Spieler wirklich auf der eigenen Seite sind wodurch manchmal die Anschuldigungen fliegen. Aber die Besonderheit von Panic Station ist, dass die Spielzeit nicht so lange dauert wie bei den genannten Spielen sondern es mit angegebenen 40 Minuten viel schneller geht als vergleichbare Spiele.

 

Worum geht es?

 

Eine außerirdische Bedrohung hat die Raumstation Recon-6 eingenommen und die Spieler übernehmen die Rolle der Aufräumer. Jeder Spieler spielt ein Team bestehend aus einem Menschen und einem Androiden einer Farbe. Die Spieler müssen die Station durchsuchen um das Nest der Außerirdischen zu finden und auszuräuchern.

 

Im Spiel gibt es Raumkarten mit einem Symbol und Eingängen an verschiedenen Kanten. Der Raum ist dabei auf beide Seiten der Karte gedruckt. Die Vorder- und Rückseiten unterscheiden sich nur in der Farbe des Symboles, die anzeigt ob der Raum bereits einmal durchsucht wurde oder noch nicht. Aus diesen Raumkarten wird die Station zusammengebaut, wobei in die untersten Karten des Stapels der Zielraum mit den Eiern der Alien-Königin gemischt wird.

 

Die Spieler setzen im ersten Zug ihre Figuren ein und haben dann ein bis vier Aktionen, je nachdem wie angeschlagen ihre Charaktere schon sind. Diese Aktionen kann man zum Bewegen, Kämpfen, Räume durchsuchen oder für spezielle Aktionen verwenden.

 

Bewegen bedeutet einfach eine seiner Figuren - man spielt ja ein Team - von einer Karte zur nächsten zu stellen. Wenn sich in dem Zielraum bereits eine Figur eines Mitspielers befindet, muss man diese entweder angreifen, oder eine Ausrüstungskarte mit ihm tauschen. Das ist ein wichtiger Mechanismus der es dem Wirt erlaubt, andere Spieler auf seine Seite zu ziehen. Aber auch dazu gibt es unten noch mehr.

 

Angreifen klingt zwar ganz gut, aber leider haben die Spieler am Anfang des Spiels meist keine Munition. Wenn man aber schon Munition oder ein Messer gefunden hat, kann man als Aktion einem Parasiten oder einer Spielerfigur Schaden zufügen.

 

Räume durchsuchen ist dazu da, an mehr Gegenstände zu kommen. Wenn man einen Raum zu ersten Mal durchsucht - das erkennt man daran, dass das schwarze Symbol offenliegt - nimmt man sich einfach eine oder mehrere Ausrüstungskarten. Auf diese Art kann man wertvolle Ausrüstung finden wie Benzinkanister oder Munition. Man darf jeden Raum auch öfter durchsuchen, aber jedes weitere Mal fördert zwar weitere Ausrüstung ans Neonlicht, lockt aber auch Parasiten an, die Schaden verursachen können.

 

Man kann auch Räume entdecken indem man den nächsten ausliegenden Raum angrenzend an eine eigene Spielfigur anlegt. Dabei dürfen die Karten nur um 180 Grad gedreht und keine Türen zugebaut werden. Wenn es einmal gar keinen Weg mehr geben sollte die nächste Raumkarte anzulegen, wird sie unter den Stapel geschoben und die nächste verwendet.

 

Und zuletzt, mit speziellen Aktionen meine ich Aktionen die durch Ausrüstungskarten oder Raumkarten erlaubt werden. So gibt es zum Beispiel den Erste-Hilfe-Koffer mit dem man Schaden heilen kann oder Räume mit Computerterminals, die den Spielern weitere Optionen eröffnen.

 

Wenn alle Spieler reihum alle ihre Aktionen verbraucht haben, wird gewürfelt, in welche Richtung sich die Parasiten bewegen. Es wird mit dem vierseitigen Würfel eine Himmelsrichtung bestimmt und alle Parasiten ziehen eine Raumkarte weiter in die entsprechende Richtung, wobei sie nur durch offene Türen ziehen können. Jeder Charakter der danach mit einem Parasiten auf einem Feld steht, erhält einen Schaden.

 

So weit, so einfach. Die Spieler suchen also einfach den Endraum und umgehen die Parasiten weiträumig. Wäre da nicht der infizierte Spieler, wäre das Spiel sehr einfach und nicht sehr spannend. Am Anfang des Spiels wird einer der Spieler durch eine Ausrüstungskarte infiziert und er übernimmt geheim die Rolle des Wirts, der die anderen Spieler anstecken kann und der nur dann gewinnt, wenn die übrigen Menschen ihr Ziel nicht erreichen.

 

Der Wirt versucht durch geschicktes Tauschen beim Hineinziehen zu anderen Spielern andere Spieler zu infizieren. Dazu beginnt jeder Spieler mit drei Blutkarten in seiner Farbe, die aber die gleichen Rückseiten haben wie die Ausrüstungskarten.

Nur der Wirt oder die infizierten Spieler dürfen beim Tauschen eine Blutkarte hergeben um ihr Gegenüber anzustecken, ein gesunder Spieler darf das niemals. Gegen die Ansteckung kann man sich aber wehren indem man im Gegenzug den Gegenstand Benzinkanister wegtauscht. Wie auch immer man sich das vorstellen kann, Benzin hat eben eine antiseptische Wirkung und man bleibt gesund.

 

Nachdem beide Spieler wissen, was sie getauscht haben, wissen sie auch, ob ein eventueller Ansteckungsversuch erfolgreich war. War der Versuch erfolgreich, dann spielen ab nun beide Spieler gegen die übrigen gesunden Spieler. Natürlich liegt es im Interesse beider Spieler das geheim zu halten.

 

Die durch diesen Mechanismus entstehende Paranoia ist es, die das Spiel richtig spannend macht. Natürlich dürfen sich die Spieler gegenseitig laut beschuldigen, aber kein Spieler darf Handkarten herzeigen um seine Argumente zu stützen. Dabei ergeben sich viele interessante Situationen, die einem Logikfreund viel Spaß bereiten.

 

Durch den Aufbau der Räume im Laufe des Spieles und durch verschiedene Ausrüstungskarten gibt es viel Varianz zwischen den Partien. Manche Ausrüstungskarten erlauben es durch verschlossene Türen zu gehen - auch die gibt es. Dann kann man sich mit der Schutzweste vor Schaden schützen, oder bekommt mit dem Energy Drink extra Aktionen.

 

Etwas schwierig ist auch die Munition zu verstehen. Androiden haben ein Waffensymbol auf ihrer Karte und können trotzdem nur mit einer ausliegenden Munitionskarte schießen. Menschen dürfen niemals schießen. Die Munitionskarte wird ähnlich wie beim Siedler von Catan Kartenspiel eine Kante weitergedreht um die verbleibenden Schüsse anzuzeigen und ist nach vier Anwendungen verbraucht. Der Getroffene bekommt einen Schaden, was bei einem Parasiten schon reicht um ihn wegzuräumen. Es gibt auch Messer mit nur einer 50 prozentigen Trefferquote, die dafür auch von den Menschenfiguren verwendet werden dürfen, ebenso Handgranaten, Zielfernrohre und noch viel mehr, das alles vor dem Spiel gezeigt und erklärt werden muss.

 

Die Räume unterscheiden sich nicht nur durch die Türen, sondern auch durch diverse Symbole. So gibt es zum Beispiel Räume die beim ersten durchsuchen mehrere Gegenstände liefern oder Räume mit Krankenzimmern wo man sich heilen kann. Ein besonderer Raum wird in die obersten Karten gemischt und enthält das Computer Terminal. Dieses Terminal kann man auch mit einer Aktion nutzen um eine von drei speziellen Funktionen aufzurufen. 1 - man kann den nächsten Raum beliebig anlegen anstatt benachbart zu eigenen Figuren. 2 - man kann sämtliche versperrten Türen öffnen. 3 - man kann mit einem Scan feststellen, wie viele Mitspieler bereits infiziert wurden. Dieser Scan passiert natürlich anonym, aber wenn dabei festgestellt wird, dass bereits alle Spieler infiziert sind, endet das Spiel.

 

Dabei hatten die ursprünglichen Spielregeln bei der Siegbedingung einen großen Fehler. Alle infizierten Spieler konnten gemeinsam gewinnen. Daher gab es einige Runden, die so strategisch dachten, dass sich alle Spieler freiwillig infizieren ließen und somit immer alle Spieler als Aliens gewonnen haben. In einer neuen Regelversion gewinnt ein infizierter Spieler nur wenn er es geschafft hat, einen anderen Spieler anzustecken oder im Kampf aus dem Spiel hinausgeworfen hat.

 

Damit kommen wir auch schon zu dem aus meiner Sicht großen Problem des Spieles. Ich sehe es als meine Mission, diese Art von komplexeren Spielen möglichst vielen Menschen näherzubringen. Deshalb erkläre ich komplexe Spielregeln sehr häufig bei Spieleabenden. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem solchen teilkooperativen Spiel die Regeln inklusive ALLER Sonderfälle allen Spielern sehr genau bekannt sein müssen weil man so einen Fall einfach nicht nachfragen kann ohne seine Situation zu verraten.

 

Zum Beispiel, was passiert wenn ein Spieler nachdem der Wirt ihn zweimal erfolglos anstecken wollte, nur mehr Blutkarten in der Hand hat? Wenn hier ein Auffassungsunterschied in den Spielregeln besteht ist das ganze Spiel dahin, weil dann entweder zu viele Informationen weitergegeben werden oder ein Spieler sich für infiziert hält der es eigentlich nicht sein sollte.

Ein weiteres Problem ist die Spielregel. Zumindest die erste Lieferung von Panic Station wurde mit Spielregeln ausgeliefert, die so konfus geschrieben waren, dass sich in unseren Runden erst nach einigen Spielen der Sinn vieler Regeln herauskristallisierte.

 

Inzwischen gibt es Online eine bessere Spielregel, die einiges am Spiel abändert und die weit verständlicher geschrieben ist. Man erkennt die neuen Regeln weil sie Strategietipps enthalten. Ob diese neuen Regeln auch in späteren Lieferungen von Panic Station enthalten sind und ob sie in alle vier Sprachen übersetzt wurden ist mir nicht bekannt. Jedenfalls sollte man sich unbedingt die neuen Regeln besorgen weil die alten Regeln teilweise nicht gut funktionierten.

 

Meiner Einschätzung nach wäre es auch besser gewesen, verschiedene Sprachversionen mit Texten auf den Karten zu haben. Damit wäre die Einstiegshürde, alle Karten im vornhinein kennen zu müssen, einmal überwunden wenn beim Benzinkanister beispielsweise seine beide Funktionen (verhindern von Ansteckung und für die Siegbedingung) aufgelistet wären.

 

Panic Station, ein Spiel das schnell geht, extrem unterschiedlich ablaufen kann, viele taktische und strategische Möglichkeiten bietet und dabei noch kooperativ ist, hat im Moment eine Nische für sich selbst. Wer sich durch die Komplexität der Möglichkeiten und durch das Regelheft nicht abschrecken lässt findet eine gute Mischung von guten Mechanismen vor, die schnell ins Blut übergehen. Leider ist der Glücksfaktor in dem Spiel ziemlich hoch und man kann ohne eigenes Verschulden schnell aus einer Partie geworfen werden ohne viel gemacht zu haben - aber in so einem Fall kann man das Spiel ja gleich noch einmal spielen.

 

Christian Grundner

 

Spieler: 4-6

Alter: 12+

Dauer: 40+

Autor: David Ausloos

Grafik: David Ausloos

Preis: ca. 25 Euro

Verlag: White Goblin / Pegasus 2012

Web: www.pegasus.de

Genre: Kooperatives SciFi-Spiel

Zielgruppe: Für Experten

Version: de

Regeln: de + cz en fr nl

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Gute Mechanismen

Detaillierte Erklärung vor Spielbeginn nötig, da Fragen die Identität aufdecken könnten

Schnell zu spielen

Eher hoher Glücksfaktor

 

Vergleichbar:

Schatten über Camelot

 

Andere Ausgaben:

White Goblin Games, Niederlande; REXhry, Tschechien; Stronghold Games, USA

 

Meine Einschätzung: 6

 

Christian Grundner:

Ein tolles Kooperativspiel mit vielen Möglichkeiten, einziger Nachteil ist die intensive Erklärung und nötige Detailkenntnis der Regeln vor dem Spiel, damit Fragen im Spiel nicht zu viel verraten.

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 3

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0