UNSERE REZENSION

                                                 

Adel verpflichtet

 

NOBLEMEN

 

Wer gewinnt Elisabeth’s Gunst?

 

Obwohl ich mich demnächst im Loiretal des 18.Jahrhunderts herumtreiben werde, wechsle ich heute mit meiner Zeitmaschine über den Kanal ins England des 16. Jahrhunderts, in die Zeit von Elisabeth I. Als ehemaliger Konsument von Sisi-Filmen (ja ich geb‘s ja zu und schäm‘ mich) bin ich geradezu prädestiniert, ein Spiel um die jungfräuliche Königin zu rezensieren. Da sich auch ein gewisser Herr Friedrich Schiller in seinem Drama Maria Stuart damit befasst hat, fühle ich mich dabei in guter Gesellschaft.

 

Beginnen wir beim Cover das zwei englische Adelige darstellt. Das ist ganz sicher nicht mein Geschmack und wirkt in meinen Augen eher abschreckend, als dass es zu einem Kauf anregt. Auch der Titel ist nicht gerade glücklich. Meine erste Assoziation war, hier hätte ein Legastheniker über Probleme geschrieben, bis meine Synapsen auf „englisch“ umgestellt waren und erfassten, dass es das englische Wort für Adelige ist.

 

Also 3-5 Mitglieder des britischen Hochadels kämpfen um die Gunst besagter Königin mittels Ansehen und Einfluss, der sich in Siegpunkten niederschlägt. Da  es diese Leutchen in dieser Zeit nicht so richtig mit der Arbeit hatten, erfolgt dies auch durch Vergrößerung der eigenen Ländereien und Errichtung von Prunkbauten. Auch die Kirche spielte damals eine nicht unwesentliche Rolle, sodass es von Nutzen war, wenn man sich diese  gewogen machte. Schließlich kamen noch Bestechung und das Ausnutzen von Skandalen als „part oft the game“ hinzu. (Komisch, wieso erinnert mich das an irgendetwas – muss ich doch glatt schon mal gehört oder gelesen haben.) Das alles um die Gunst der Königin zu gewinnen und die meisten Siegpunkte zu hamstern.

 

Mein erster Eindruck, als die Post das Paket brachte:“ Ein schweres Spiel“. Über 2,5 kg wiegt die Schachtel und ist randvoll mit Spielmaterial. Sage und schreibe 14 Tafeln sowie ein 2-teiliger Spielplan füllt die Box bis an die Oberkante. Zu alldem kommen noch ein Kartensatz sowie ein schwarzer luxuriöser Samtbeutel mit bereits vorsortierten Material in Zippbeuteln (Tüten für unsere deutschen Freunde). Für die Stanzteile liegen außerdem noch leere Beutel dabei. Also wer immer für diese Ausstattung verantwortlich war. Bitte vor den Vorhang. Wenn ich da an manche Mogelpackung im Supermarkt denke, aber leider auch von der Verlagsszene, kommen mir hier fast die Tränen vor Rührung.

 

Kommen wir zum Spielplan der beidseitig bedruckt ist und zur Spielanleitung. Schon die Form des ersteren ähnelt dem Grundriss eines Schlosses anstelle einer einfachen 4-eckigen Tafel. Daraus sieht man mit welcher Liebe zum Detail gearbeitet wurde. Neben der üblichen Kramerleiste wird parallel eine zweite, die Prestigeleiste, geführt. Dazu kommen noch 6 Bereiche, die trotz der Menge übersichtlich angeordnet sind. In der Mitte befindet sich der Rundenzähler, der für die  Abwicklung der 3 Dekaden verantwortlich ist und außerdem 3 Wertungsfelder aufweist.

Auf der ersten Doppelseite der Regel findet sich neben der Aufzählung des Spielmaterials eine in 16 Punkte gegliederte Anleitung zur Spielvorbereitung. Auch diese lässt keine Wünsche offen. Da ich sonst eher zu Kritik neige, ist mir meine Begeisterung schon fast peinlich. Falls wer fragt – nein ich bekomme kein Geld von Pegasus (leider)und ich bin weder verwandt noch verschwägert mit dem Autor Dwight Sullivan und kenne ihn nicht einmal persönlich.

 

Kommen wir zum Spielablauf. Das Spiel wurde bereits 2009  ausgezeichnet, wo es beim Hippodice-Autorenwettbewerb auf den ersten Platz gereiht wurde. Mal sehen ob es jetzt ein alter Hut ist, oder ob Pegasus einen Schatz ausgegraben hat.

Zuerst errichtet man Sichtschirme die ziemlich stabil sind und die als zusätzliche Hilfe auf der Innenseite für sämtliche Wertungen den Ablauf unterstützend aufgedruckt haben. Durch den beidseitigen Druck der Kopftafeln mit den diversen Adelstiteln kann man diese an das Geschlecht der Mitspieler anpassen. Zu Beginn gibt es 10 Pfund, wobei der Startvorteil dadurch ausgeglichen wird indem im Uhrzeigersinn die Nachfolgenden jeweils um 1 Pfund mehr als die Vorgänger erhalten. Außerdem bekommt jeder 2 Marker für Landgewinnung und Steuereintreibung. Auf deren  Bedeutung komme ich noch zurück. Das zukünftige eigene Anwesen wird sich aus 4 verschiedenen Landschaften zusammensetzen: Erstens dem Acker, der beim Legen jedes derartigen Plättchens Geld (1 Pfund) bringt, zweitens dem Hain, der einem zu weiteren Zusatzplättchen verhilft, die blind gezogen werden. Drittens dem Brunnen, der bei der Wertung des Maskenballs Prestige verschafft und viertens last but not least der Wiese, die als Bauplatz dient auf der Gebäude errichtet werden.  Zu Beginn hat jeder Spieler die Möglichkeit 0-3 Stück der verschiedenen Landschaftsformen zu wählen. Dann wird die eventuell verbleibende Differenz blind auf 12 Stück aufgestockt. Abgesehen von der Wiese haben die anderen 3 Formen noch einen zusätzlichen Vorteil aufzuweisen. So gibt es ab 4 gelegten Äckern (= Gutshof) 2 Pfund als Bonus, ab 4 Hainen (= Wald) 2 Plättchen extra und ab 4 Brunnen (= Garten) erhält man die Figur der Königin. Der Besitzer ist für die Bewegung des Rundenzählers verantwortlich und erhält bei jedem Zug einen Siegpunkt. (Das Aussehen der Figur erinnert mich eher an die Venus von Willendorf als an eine Royal Highness).

 

Jetzt geht es richtig los. Jeder Spielzug erlaubt nur eine einzige Aktion und hier fängt das Dilemma an. Sieben Möglichkeiten gibt es und wie immer bei solchen Spielen würde man am liebsten alle gleichzeitig durchführen. Unabhängig von diesen Varianten kann man, wenn man am Zug ist, Landschaftsplättchen gezielt im Verhältnis 2 : 1 tauschen und, sofern man im Besitz einer Skandalkarte ist, diese ausspielen. Aber für welche der sieben Varianten kann man sich entscheiden?

Man kann sein Anwesen um bis zu 3 Plättchen ausbauen, mit allem vorhin erwähnten Nutzen. Oder alternativ kann man ein Gebäude errichten. Diese stehen bereits zu Beginn am Spielplan. Es gibt Burgen, Paläste, Kirchen und Follies (eine Art Gartenhäuschen). Allerdings gibt es eine Baubeschränkung die besagt, dass kein Gebäude derselben Art benachbart errichtet werden darf. Also weder waagrecht, senkrecht noch diagonal. Wie bei den Landschaften bringen auch die einzelnen Gebäude verschieden Boni. So bringen Burgen Ritter ins Spiel, von denen jeder 2 besitzt. Auf dem Gebiet eines Mitspielers platziert agieren sie als Raubritter und nehmen dem Gegner Geld, Plättchen oder die Königin ab. Der Kapellenbau wird mit einer Skandalkarte belohnt, die man aus den 3 obersten aus dem Stapel auswählen kann. Der Palast ersetzt eine bestehende Burg und führt zur Eroberung der Königin. Bleiben noch besagte Follies. Die sind zwar mit 12 Pfund sauteuer und man muss vor dem Kauf  entweder 2 ausgebaute gleiche Landschaften oder 3 verschiedene in Besitz haben. Außerdem zählt die Schnelligkeit, denn während der erste Bau 12 Siegpunkte einbringt bringen die weiteren immer weniger. Es gibt auch nur insgesamt 4 Stück zu erwerben. Die 3. Aktionsmöglichkeit wäre Bestechungsmarker zu erstehen. Diese kosten 2 Pfund pro Stück und der Kauf ist pro Spielzug mit 5 Stück begrenzt. Dafür bringen sie sofort einen Siegpunkt und sind auch sonst ganz nützlich wie man sehen wird.

Nun kommen wir zu den Möglichkeiten die jeder Spieler nur einmal pro Dekade einsetzen darf. Mit Hilfe des Steuermarkers den man – ihr erinnert euch – zu Spielbeginn erhält gibt es Geld und zwar pro Acker, Gutshof und Ritter auf fremden Gutshöfen, also eine Miniwertung des eigenen Anwesens. Außerdem erhält man 1 Pfund  für die Rückgabe pro Bestechungsmarker. Ähnlich läuft es mit dem Landgewinnungsmarker, nur dass es hier statt Geld weitere Plättchen zum Ausbau seiner Landschaft gibt. Auch hier bringen die Bestechungsmarker einen Bonus. Bleibt als 6. Möglichkeit die Stiftung für die Kirche. Ebenfalls nur einmal pro Dekade anwendbar. Hier gibt es pro abgegebenen Landschaftsplättchen 1 Siegpunkt mit der Einschränkung, dass die Kirche maximal 3 Stück pro Sorte entgegen nimmt. Man will ja nicht unverschämt sein. Zum Schluss bleibt noch der Müßiggang, sprich passen. Sogar dafür gibt es noch einen Siegpunkt. Sozusagen das Arbeitslosengeld der damaligen Zeit.

Hat man die Aktionenrunde abgearbeitet und allenfalls den Rundenzähler der jeweiligen Dekade bewegt, kommt man 2 x pro Runde auf ein Feld das den Maskenball auslöst. Hier werden die Karten neu gemischt. Zuerst verliert man seinen Adelstitel um neu eingestuft zu werden. Maßgeblich dafür ist das gegenwärtige Prestige. Das setzt sich einerseits aus der Ausstattung seines Anwesens in Form von Brunnen, Gärten und Palästen zusammen, kann aber auch durch Abgabe von Bestechungsmarkern oder Skandalkarten beeinflusst werden. Der gegenwärtige Besitzer der Königin beginnt und dann geht es reihum zur Feststellung des laufenden Prestiges. Bei Gleichstand muss man mit einem Feld zurück vorlieb nehmen. Nun werden die Adelstitel verliehen. Für den Viscount sind magere 2 Prestigepunkte erforderlich, für den Earl schon 6, den Marquess 10 und den Duke 14. Da der Duke und der Marquess nur einmal vergeben werden, ist es wichtig auf der Leiste vorne zu liegen. Mit der Verleihung geht auch eine Belohnung in Form von Siegpunkten einher und zwar jeweils die Hälfte der erforderlichen Prestigepunkte. Außerdem gibt es je nach Rang beim zukünftigen Gebäudekauf Rabatt. Der Rundenzähler wird bewegt und die Runde geht links vom Besitzer der Königin weiter.

Ein Feld bevor die Dekade zu Ende geht gibt es noch eine Gebäudewertung für Burgen und Paläste und zwar 3 Siegpunkte für diejenigen, die vom Land umschlossen sind sowie einen Extrapunkt für benachbarte Kirchen.

Vor der nächsten Dekade werden die Gebäude am Plan wieder nachbesetzt, die Kirchenstiftung abgeräumt und jeder erhält wieder eine Skandalkarte wie zu Beginn. Diese sind während des eigenen Spielzugs einzeln einsetzbar, hingegen beim Maskenball in unbegrenzter Anzahl für Prestigepunkte allerdings hier dann ohne den Bonusvorteil.

Die Fülle der Möglichkeiten klingt vielleicht etwas verwirrend, ist aber in der Praxis ziemlich einfach. Wir haben sehr schnell ins Spiel hinein gefunden. Außerdem erhält jeder Spieler 2 Karten auf denen zusammenfassend alle Möglichkeiten festgehalten sind. Eine ausgezeichnete Hilfe die ich mir bei so manch anderen Spielen gewünscht hätte. Ein Spiel mit vielen Strategiemöglichkeiten, toller Ausstattung und einer vorbildlichen Regel, die sich glatt die Essener Feder verdienen würde. Der seinerzeitige 1. Preis beim Autorenwettbewerb war sicher verdient. Ein Kommentar bei meinen Spielrunden lautete: „Von der Qualität des Spielgefühls erinnert es sogar an Village“ und das würde ich doch als Auszeichnung ansehen. Schade, dass es in der Flut der Neuerscheinungen ein wenig unterging, denn das hat es sich sicher nicht verdient. Von mir gibt es jedenfalls eine uneingeschränkte Kaufempfehlung.  

 

Rudolf Ammer

 

Spieler: 3-5

Alter: 12+

Dauer: 75-120

Autor: Dwight Sullivan

Grafik: Claus Stephan, Oliver Schlemmer

Preis: ca. 45 €

Verlag: Pegasus 2012

Web: www.pegasus.de

Genre: Strategie

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de + en

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Vorbildliche Ausstattung

hübsches Aussehen

einwandfreier Regelaufbau,

variantenreicher Spielablauf

 

Vergleichbar:

Lege- und Ressourcenmanagementspiele

 

Andere Ausgaben:

Tasty Minstrel Games, USA

 

Meine Einschätzung: 6/7

 

Rudolf Ammer:

Ein absolutes Highlight des Spielejahrgangs 2012, auch für Familien mit Spielerfahrung geeignet, Spielerherz was willst du mehr?

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 1

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0