UNSERE REZENSION

 

Wenn einer eine Reise tut

 

Mage Knight

 

dann kann er was er…obern!

 

Zweiunddreißig Jahre ist es her, dass das Atlantische Reich durch einen Magieunfall, verursacht von unbeherrschten Schatzsuchern, zerbrach. Ungeahnte zauberische Kräfte wurden freigesetzt, durchströmten alle Bereiche dieser geschundenen Welt und zu allem Überfluss nützten feindliche Mächte wie die üblen Orks und die noch gefährlicheren Draconum (das ist Küchenlatein und soll wohl „extrem magische Drachen“ bedeuten) die Gelegenheit, die Länder des zerstörten Reiches zu überrennen. Nun durchschreiten Ehrfurcht einflößende Krieger die Dimensionenportale, um eine gewisse Ordnung wiederherzustellen. Jedoch wurden sie, welche die unwissende Bevölkerung „Mage Knights“ nennt, da sie sowohl über Hexenkräfte als auch über weniger geheimnisvolle Kampfeskünste gebieten, vom außerirdischen Council of the Void gesandt. Dieser Rat angeblich göttlicher Wesen verfolgt freilich seine eigenen Pläne, und spielt auch schon mal gerne die Mage Knights gegeneinander aus. Ob das wirklich gute Aussichten für die Bewohner der ehemals Atlantischen Lande sind?

So ungefähr liest sich die Hintergrundgeschichte zur aktuellen Abenteuerspielwelt von Mage Knight™. Ursprünglich im Jahre 2000 als erstes erfolgreiches Sammelfigurenspiel von WizKids (im deutschen Sprachraum bei FanPro) herausgebracht, lief das Spiel nach einiger Zeit und zahlreichen Ausbausets aus. Auf Drängen begeisterter Sammler und Spieler (und wohl auch Investoren) erfolgt nun eine Neuauflage als (Sammel-)Karten-, Rollen- und, worum sich dieser Artikel dreht, als Brettspiel. Für dieses erarbeitete der Iglauer Autor Vlaada Chvátil („Im Wandel der Zeiten“, „Galaxy Truckers“, „Dungeon Lords“ et al.) die Regeln, für die Illustrationen zeichnet der renommierte Künstler J. „J-Is-For-Genius“ Lonnee verantwortlich. Dem Test liegt die englischsprachige Ausgabe zugrunde, eine Version auf Deutsch ist bei Pegasus erschienen.

Um in die Welt von „Mage Knight™ Board Game“ einzufallen, wähle man einen von vier vorgegebenen Charakteren (darunter mit Arythea, der Kultistin des Blut-Ordens, immerhin ein weibliches Wesen) und vertraue sich bedingungslos und erwartungsfroh dem „Game Walkthrough“ genannten Einführungshandbuch an. Tatsächlich ist es angeraten, diesem praxisnäheren Kurzregelheft (allerdings ebenfalls, wie das eigentliche Regelheft, zwanzig eng und klein bedruckte Seiten) zu folgen, auch wenn es nicht schadet, daneben oder unmittelbar danach auch die ausführlicheren Regeln zu studieren. Der „Gang durchs Spiel“ orientiert sich am Einstiegsszenario „The First Reconnaissance“ (etwa: „Erkundungsmission“), in dem bis auf die Möglichkeiten des Kampfes Held gegen Helden (bei Einwilligung aller immerhin dennoch erlaubt) und Eroberung einer Stadt alle Spielzüge vorgestellt werden. Jede weitere Partie darf dann getrost anhand eines anderen der elf vorgegebenen Abenteuer durchexerziert werden. Da es sich im Wesentlichen um ein Strategiespiel handelt, das halt zufällig in einer Fantasy-Welt angesiedelt ist, lassen sich die Mechanismen auch unmagisch zusammenfassen. Auf einer nach einer szenarioabhängigen Anfangskonstellation (drei oder vier annähernd sternförmige Kartonteile, eingeteilt in je sieben sechseckige Felder [Hex-Felder], die unterschiedliche Landschaften darstellen) weiter wachsenden Spielfläche (weitere Pappplatten) ziehen die Mage Knights zu selbst gewählten Zielorten, um dort Aufgaben zu erfüllen. Bei erfolgreichem Abschluss kassieren sie dafür Belohnungen verschiedenster Art. Sie können Ruhmespunkte sammeln, ihre Reputation steigern (oder aber vermindern), Zaubersprüche und Mana(kristalle) gewinnen, Unterstützer anwerben oder neue Fähigkeiten und Eigenschaften erlangen. Je nach Szenario gibt es leicht unterschiedliche Siegbedingungen. So kann auch einmal der Mage Knight gewinnen, der sich bei Spielende am richtigen Hex-Feld aufhält. Grundsätzlich werden aber am Ende der letzten Zugrunde Punkte aus mehreren Disziplinen ausgewertet (Ruhm, gewaltigstes Wissen, größte Anhängerschaft, die meisten eroberten Festungen oder ähnliches; negativ schlägt andererseits die höchste Zahl an Verwundungen zu Buche), und wer dadurch am meisten Ruhmespunkte auf seinen Charakter vereinigt, obsiegt.

Das Spiel läuft in Runden, die in Tag oder Nacht unterteilt sind, ab. Innerhalb dieser größeren Einheiten gibt es die Zugrunden, deren Länge von der Anzahl der ausgespielten Handkarten der Charaktere abhängt. Bei Beginn verfügt jeder über 16 Aktionskarten – 15 sind bei allen Charakteren identisch, eine zeigt je spezielle Fähigkeiten oder Eigenschaften des Mage Knights. Mit Steigerung des Ruhmes (angezeigt auf der Ruhm-und-Reputations-Tafel) gewinnt man neue Aktionskarten (Zaubersprüche oder Artefakte zählen ebenfalls dazu, und auf eine weniger erfreuliche Art auch Verwundungskarten), die das Deck der Spielenden auffüllen und somit allmählich die Runden (Tag oder Nacht) verlängern. Die Runde endet jeweils spätestens dann, wenn für einen Charakter keine Karten mehr ausgespielt werden können. Um das nicht zu berechenbar zu machen, gibt es noch spezielle Eigenschaften (etwa bei höherem Ruhmespunktestand), die erlauben, das allgemeine Handkartenlimit von zu Beginn fünf Karten zu überschreiten.

Die Zugrunde eines Charakters, wenn er nicht passen bzw. die speziellen kartenunabhängigen Eigenschaften eines Ortes nutzen will, besteht – und zwar in genau dieser Reihenfolge – aus Bewegung (kann auch entfallen) und einer Handlung. Nur Aktionskarten ermöglichen einerseits Bewegungen und andererseits Handlungen verschiedener Art. Bewegungen kosten Bewegungspunkte, jede Landschaftsart verursacht dabei unterschiedliche Kosten (es gibt bisweilen auch Unterschiede zwischen Bewegung bei Tag oder Nacht). Jede Karte (außer Wundenkarten, die verstopfen, wie erwähnt, bloß die Kartenhand) zählt übrigens mindestens einen Bewegungspunkt, selbst wenn gar keine Bewegungspunkteanzahl aufgedruckt ist. Die Auswahl an Handlungen ist nicht allzu groß: man kann attackieren, abwehren, sich heilen oder mit den Einwohnern einiger Felder interagieren (wozu meist Einflusspunkte benötigt werden, die man grundsätzlich aus Karten gewinnen muss, aber durch Reputation, Eigenschaften und andere Karten erhöhen kann).

Immer liegen auch Manawürfel (die Anzahl hängt von der Anzahl der teilnehmenden Charaktere ab) in bis zu sechs Farben (weiß, blau, grün und rot für Elementarzauberkräfte, schwarz und gelb bzw. gold mit Sondereigenschaften bei Nacht oder Tag) aus. Normalerweise darf jeder Mage Knight am Beginn seines Zuges einen Würfel wählen, in diesem Zug nutzen (hauptsächlich zur Aktivierung oder Verstärkung seiner ausgespielten Karten), und danach würfeln und zurücklegen. Es passiert nicht selten, dass durch das erneute Würfeln eine Farbe erscheint, die just in dieser Runde (schwarz am Tage, gelb/gold bei Nacht) nicht mehr zu gebrauchen ist.

Kämpfe sind an sich einfach geregelt, erfordern aber oft ein langwieriges Rechnen und Ausprobieren. Die Rauferei mit Monstern oder die Eroberung von Festungen und Zauberburgen wird, wen überrascht das noch?, mittels Karten ausgetragen. Kann man in der ersten Kampfrunde, dem Fernkampf (bzw. Sturmangriff), die Verteidigung überwinden, ist auch schon alles vorbei. Dafür benötigt man jedoch unabdingbar genau passende Aktionskarten, die man ausnahmsweise nicht durch andere beliebige Karten verstärken kann (wohl aber durch zuvor rekrutierte Einheiten, wenn diese über die passende Eigenschaft verfügen). Die Mitspielenden sind tunlichst angehalten, bei den verschiedenen Zuschlägen bzw. Abzügen (Mauerbonus, doppelter Verstärkungsbonus, Widerstandskraft gegen Eis oder Feuer und etliches mehr) genau mitzurechnen, denn selbst ohne böse Absicht ist es leicht, sich zu verkalkulieren. Verzichtet man auf den Fernkampf, da man zu wenige Punkte oder gar die falschen Kräfte zusammenbringt, schlagen die Gegner zu, je nach Ort unterschiedliche Kartonmarker, von marodierenden Orks (grün) bis hin zu Zaubergolems (lila) oder gar lindwurmartigem Gezücht (rot oder – oje! – weiß). Nun muss man den Angriff abwehren (Abwehrkarten; Punkte dürfen durch beliebige Karten vermehrt werden, auch hier diverse Zu- oder Abschläge magischer oder sonstiger Natur), eventuell Verwundungen kassieren, dann darf man zuschlagen (Angriffskarten jeglicher Art, sowie die üblichen Boni und Mali). Siegt der Mage Knight, gibt es Belohnungen (immer Ruhmespunkte, manchmal Reputationsgewinn oder -verlust, manchmal noch anderes wie etwa Artefakte oder Zaubersprüche), verliert er, muss er sich vom Feld zurückziehen. Sonderformen des Kampfes sind das Aufsuchen von Höhlen (Dungeons), anderen Abenteuerorten – dort zieht man dem ausliegenden Marker entsprechend andere Monstermarker; gewöhnlich sind das stärkere Gegner als auf freiem Feld – oder Städten, die größte Herausforderung, da diese die am stärksten befestigten Orte darstellen.

Weitere Aktionen sind das Heilen und das Verhandeln mit der Bevölkerung bzw. Burgbesatzung oder Zauberern in deren Türmen, um Truppen anzuwerben, Heilung zu erlangen oder auch mal ein Dorf oder Kloster zu plündern (das bringt erheblichen Reputationsverlust, man kann aber tolle Schätze ergattern).

Obwohl in den Spielregeln mehrmals darauf hingewiesen wird, dass man seine Aktionen durchaus schon während der Zugrunde der anderen planen kann, kommt das Spiel öfter ins Stocken. Die Mitspielenden müssen beobachtet werden und vor allem in der ersten und meist noch in der zweiten Runde stehen die Mage Knights doch recht dicht am Spielfeld beisammen, so dass, will man einander nicht ständig verhauen, die eigene Phase sehr stark von den Aktionen der anderen beeinflusst wird.

Die Regelhefte sind ausführlich, aber eher mangelhaft strukturiert und leider auch nicht ganz frei von komplizierten oder nicht eindeutigen Formulierungen. Der „Game Walkthrough“ berücksichtigt zwar im Großen und Ganzen die zu erwartende Abfolge der Ereignisse und Begegnungen im Basisabenteuer (die Landschaftsteile sind durchnummeriert und werden in der „Erkundungsmission“ auch nicht gemischt), bei grundsätzlichen Fragen („Greifen jetzt die Orks an oder ich?“) ist es allerdings schwer, schnell die passende Antwort zu finden. Leider fehlt auch im Regelheft ein Index, da offenbar Spieleverlage mittlerweile davon ausgehen, dass man ohnehin auf seinem Rechner die Online-Regeln stets griffbereit hat und elektronisch leicht durchstöbern kann. Es soll aber noch Leute geben, die nicht gerne auf diese Art spielen.

Als größtes Manko erscheint uns aber der für ein Strategiespiel erstaunlich große Zufallsfaktor. Nicht nur die neu aufzudeckenden Landschaftselemente werden in fast allen Szenarien vom gemischten Stapel gezogen und relativ beliebig (bloß Schrift und einzelne Symbole müssen einheitlich ausgerichtet werden) angelegt – das geht in Ordnung und ermöglicht es, ein Abenteuer mehrfach unter jeweils leicht veränderten Bedingungen zu spielen. Auch neu zu erwerbende Aktionskarten, Zaubersprüche, ja sogar Fähigkeiten der Mage Knights unterliegen dem Zufallsprinzip. Besonders planungsstörend ist das bei der eigenen Kartenhand. Statt sich für die Runde (Tag oder Nacht) eine Auswahl zusammenzustellen – dabei kann ja immer noch genug aus dem Ruder laufen –, darf man Bangen und Hoffen, dass in der nächsten eigenen Spielphase endlich die passende Karte auftaucht, um die blöden Monster am Nachbarfeld angreifen zu können, während die glücklichere Mitspielerin bereits zum dritten Mal Superninjakampfmönche anwirbt. Die an sich freundliche, von den Regeln gedeckte Möglichkeit, jeden Zug „solange keine neue Information enthüllt wurde“ (zum Beispiel ein Spielfeldteil angelegt) zurückzunehmen, führt auf jeden Fall in den ersten Partien zu einer schier endlos langen Spieldauer. Drei Stunden scheint das absolute Minimum, selbst beim einfachsten Abenteuer.

Das Spielmaterial (darunter über 450 Karten, Markerplättchen und Spielfeldteile, 54 hübsche und bunte Kristalle, die man besser nicht neben die Schale Gummibärli stellt, sowie vier feine und bereits bemalte Heldenfiguren und ebenso viele große Stadtmodelle) ist recht schön, nicht übertrieben aufwändig aber doch detailreich gestaltet, der Druck (auch auf den Markern und in den Regelheften) allerdings zu klein. Wichtige Symbole sind teilweise schwer voneinander zu unterscheiden.

Wen lange Abende mit kurzen Aktionsphasen und längeren Ratereien über jeden einzelnen Ankauf von Ausrüstung oder Anreisen zu Allerweltsorten ohne Anspruch auf Individualität in einem Ambiente potemkinscher Fantasy-Elemente abschrecken, sollte dieses Spiel getrost auslassen. Wer aber an langwierigen Tüfteleien und dem Ausprobieren verschiedenster Taktiken Freude hat, wen auch das unberechenbare Auftauchen von Aktionskarten im eigenen Blatt nicht abschreckt, und wer das alles in einer von Magie, Monstern und Mönchskriegern (immerhin ohne Magmaausbrüche oder Mutanten) bevölkerten Umgebung versuchen möchte, wird sich mit „Mage Knight™ Board Game“ wohl anfreunden.

 

Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender

 

Spieler: 1-4

Alter: 14+

Dauer: 180+

Autor: Vlaada Chvátil

Grafik: J. Lonnee, Milan Vavroň

Preis: ca. 60 Euro

Verlag: WizKids 2011

Web: www.pegasus.de

Genre: Fantasy-Strategiespiel

Zielgruppe: Für Experten

Version: en

Regeln: de en

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Hoher Zufallsanteil

Umfassende Spielregeln

Schönes Material

Lange Spieldauer

 

Vergleichbar:

Runebound, Warrior Knights

 

Andere Ausgaben:

Mage Knight, Pegasus

 

Meine Einschätzung:  3

 

Martina, Martin und Markus:

Langwieriges, dabei sehr hübsch gestaltetes Strategiespiel mit Fantasy-Hintergrund, das leider auf zu vielen Zufallselementen aufbaut.

 

Zufall (rosa): 3

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0