UNSERE REZENSION

 

Merchants & Marauders

 

Korsaren der Karibik

 

… und ’ne Buddel voll Rum!

 

There's a pirate, known to fame
Black Macocco was the pirate's name.
In his day, the tops was he
Round the Caribbéan or Caríbbean Sea.

 

„Mack the Black“ aus dem Filmmusical „Der Pirat“, Vincente Minnelli, 1948

 

Ein Schiff unter vollen Segeln schießt durch die raue See, der Laderaum gefüllt mit kostbarer Fracht. Das Frischwasser an Bord reicht noch für zwei Tage, doch bis dahin ist man längst im Zielhafen angelangt. „Schiff backbord achtern!“ brüllt da plötzlich der Ausguck. Eine Brigg wird sichtbar, klein, wendig und verteufelt schnell nähert sie sich. Als der Abstand immer geringer wird, entdeckt der Kapitän durchs Fernrohr, was er schon befürchtet hat – die Brigg hat eine schwarze Flagge gesetzt – Piraten! Klar zum Gefecht!

 

„Niemals, Käpt’n! Das ist ein Umweg von mindestens sieben Tagen, dafür haben wir nicht genug Futter gebunkert. Wir müssen erst nach Tortuga, unsere Vorräte ergänzen.“ An Bord einer schnellen Brigg studiert der Maat die seltsame Karte. Der Klabautermann weiß, wo der Kapitän diesen Fetzen aufgestöbert hat – ist das wirklich Leder? Oder gar…? Ach, gar nicht drüber nachdenken. „Fetter Kaufmann steuerbord voraus!“, tönt da der Ruf von Deck herab. „Harrr, vielleicht müssen wir doch nicht erst nach Tortuga, was, Maat? – Die Kanonen klarmachen, Ihr Abschaum!“, brüllt der in vierzig Häfen steckbrieflich gesuchte Pirat, als er das schmuddelige Stück Leder (oder…?) im Stiefelschaft verstaut.

Gefürchteter Freibeuter, mal im Dienste eines Monarchen, dann wieder auf eigene Rechnung, oder geschickter Kauffahrer mit besten Verbindungen zu Gouverneuren und zur Schmugglergilde – bisweilen ohnehin kaum zu unterscheiden: in „Korsaren der Karibik“ stehen viele Möglichkeiten offen. Sechzehn Kapitänsrollen, darunter sogar drei weibliche, liegen zur Auswahl (korrekt nach den Spielregeln wird der Kapitän zufällig gezogen) bereit, man erhält Startkapital und wählt ein Schiff – entweder eine wendige Schaluppe (auch: Slup, Sloop) oder eine bauchige Fleute (auch: Fliete, Fluyt, Flute). Damit, und abhängig von den vier Eigenschaften des Kapitäns (Seemannskunst, Suchen, Führungskraft, Einfluss), hat man eventuell schon eine Vorentscheidung getroffen, ob man die für den Sieg nötigen zehn Ruhmespunkte als Seeräuber oder Handelsmann erringen will. Freilich, wenn sich eine günstige Gelegenheit ergibt, kann man die Rollen immer noch wechseln, auch wenn es viel leichter ist, zum Piraten zu konvertieren als in eine rechtschaffene Existenz zu schlüpfen.

Gespielt wird auf einem Spielbrett (64 cm x 56 cm), das die Karibische See mit 16 wichtigen Häfen des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts der vier Mächte England, Frankreich, Holland und Spanien sowie eine neutrale Meereszone in der Mitte darstellt, und auf den Kapitänsbrettern, wo für die jeweiligen Kapitäne wichtige Informationen, wie etwa Ausrüstung des Schiffes, Ladung, Beschädigungen, Mannschaftsstärke aber auch geheim zu haltende Aufträge (und Gerüchte – beide sollten sich im Laufe der Partie in Ruhmespunkte verwandeln) verwaltet werden.

Zu Beginn jeder Runde wird eine Ereigniskarte gezogen, die entweder einmalige (etwa Stürme, die das Manövrieren der Schiffe beeinflussen, oder Bewegungsvorgaben für neutrale Schiffe) oder länger andauernde (Beginn oder Ende kriegerischer Handlungen zwischen den vier Mächten, das Auftauchen von Kriegsflotten oder zusätzlichen Piraten) Phänomene ins Spiel bringt. Die Partie endet spätestens, wenn die letzte Ereigniskarte aufgedeckt wird. Daneben liegen stets zwei Aufträge aus. Jeder Kapitän kann sich dazu entschließen, einen davon anzunehmen, zum Beispiel die entführte Tochter eines Gouverneurs zu retten, eine neue Pflanzenart zu entdecken oder geheime Dokumente zu überbringen. Bei Erfüllung winken neben einem sicheren Ruhmespunkt sowie einer Ruhmeskarte (im Spiel einzusetzen, bringt Vorteile, wie etwa zusätzliches Personal oder anderen Kapitänen in deren Pläne reinpfuschen zu können, auch bisweilen Kampfboni) oft auch Gold oder Handelsprivilegien.

In den Häfen liegen dort jeweils begehrte Handelswaren aus (Tabak, Gewürze, Rum, Stoffe, Früchte, etc.) sowie, anfangs noch verdeckt, welche Verbesserungen man in dieser Werft für das eigene Schiff erwerben kann. Zusätzlich haben fast alle Hafenstädte noch spezielle, auf dem Spielplan aufgedruckte Angebote – Piraten etwa werden in Port Royal stets freundlich empfangen, in Curaçao gibt es eine reichhaltigere Auswahl an Handelswaren und dergleichen mehr. Auf See sind, repräsentiert durch bis zum Einsatz der Suchen-Aktion verdeckte Kartonmarker, Handelsschiffe der vier Mächte (Spanien stellt fünf, alle übrigen vier Schiffe) unterwegs – potentielle Beute für alle Seeräuber, wozu man durch einen Überfall auf ein fremdes Schiff meist automatisch wird. Schon ist ein Kopfgeld auf Dich ausgesetzt, und besonders hingebungsvolle Schurken werden gar von allen vier Seemächten gejagt!

Die Kapitäne haben, beginnend mit dem Starterkapitän, pro Runde jeweils drei Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung – Bewegung, Suchen und Dinge im Hafen erledigen. Eine Bewegung umfasst jeweils das Ein- oder Auslaufen in einen oder aus einem Hafen und den Zug in eine angrenzende Meereszone. Beim Suchen (ein Würfelwurf gegen den entsprechenden Fähigkeitswert) entdeckt man entweder ein fremdes (auch neutrales) Schiff – was zu einem Seekampf führen kann, der innerhalb der Suchaktion abgehandelt wird –, oder erledigt damit, wenn der Würfelwurf erfolgreich ist, auch schon mal einen Auftrag. Am umfangreichsten sind die Aktionsmöglichkeiten in den Häfen. Pro Runde darf daher nur jeweils einmal im Hafen agiert werden. Waren können ge- und verkauft werden, Mannschaft rekrutiert, Schiffe repariert und aufgerüstet, Gerüchte aufgeschnappt (normalerweise Gold bezahlen und würfeln, bei Erfolg eine Gerüchtekarte ziehen), ein Auftrag angenommen oder, meist nur im Heimathafen, Goldverstecke (quasi geheime Ruhmespunkte) angelegt werden.

Das alles ist wenig kompliziert, das Regelheft ist durchaus übersichtlich und mit einer Vielzahl an praktischen (Bild-)Beispielen ausgestattet – auch wenn ein vernünftiger Index durchaus nicht verkehrt wäre; aber es gibt die Spielregeln immerhin im Internet zu finden, da muss man sich im Falle des Falles eben mit der Suchfunktion durcharbeiten. Das Spielmaterial ist üppig und dabei recht liebevoll hergestellt, die Plastikschiffsmodelle hätten zwar etwas hübscher sein dürfen, erfüllen aber ihren Zweck, und bei den Auftrags- und Gerüchtekarten bemerkt man die große Liebe zum Detail und den Spaß, den die Autoren, die Dänen Aagard und Marcussen, beim Entwerfen gehabt haben.

Nicht ganz so viel Spaß hat man jedoch oft beim Spielen. Will man alle Details auskosten, wird man gewiss nicht unter vier Stunden an einer Partie sitzen. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass die Konkurrenz – durch Zufall oder sture Strebsamkeit – schon zuvor die (im Grundspiel) zum Sieg reichenden zehn Ruhmespunkte erlangt. Einfacher gelingt das brutalen Seeräubern, aber auch skrupellose Kaufleute können durch geschickten Warenumschlag zu Gold und Ruhm kommen. Da sowohl Aufträge als auch die Verfügbarkeit von Waren in den Häfen und nicht zuletzt die Ereignisse (Stürme können den Aktionsradius der Kapitäne dramatisch einschränken, dagegen ist die Verfolgung durch beispielsweise die französische Flotte ein beinahe harmloses Räuber- und Gendarmspiel) einen großen und kaum zu kontrollierenden Einfluss auf die Aktionen der Kapitäne nehmen, ist es elementar, die entsprechenden Kartenstöße in der Vorbereitung wirklich gut zu mischen. Kaum etwas ist ärgerlicher als vier Hurrikans hintereinander oder das rundenweise Erscheinen sämtlicher Kriegsflotten aus aller Herren Länder. Die schönste Strategie wird dadurch vereitelt. Am besten fährt man meist damit, die anderen Kapitäne entweder links liegen zu lassen oder sie bei ihren Projekten zu behindern, während man selbst versucht, möglichst oft lukrative Aufträge zu erfüllen und auch als Seeräuber die wertvollsten Güter, ob unterwegs geraubt oder halbwegs ehrlich erworben, zum höchsten Preis zu verkaufen. Kurzum, wer sich nicht von den vielen, eigentlich viel zu vielen Möglichkeiten der „Korsaren der Karibik“ beirren lässt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen, aber eine komplexe Spielwelt nicht voll ausschöpfen und auch die Mitspieler dieses Vergnügens berauben.

 

Besprechung von Martina und Martin Lhotzky mit Marcus Steinwender

 

Spieler: 2-4

Alter: 13+

Dauer: 120+

Autor: Christian Marcussen, Kasper Aagaard

Grafik: Ben Nelson, Chris Quilliams

Preis: ca. 35 Euro

Verlag: Pegasus Spiele 2011

Web: www.pegasus.de

 

Genre: Abenteuerspiel mit Piratenthema

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de en fr it nl pl

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Komplexe Spielwelt * sehr viele Möglichkeiten * Wechsel zwischen Pirat und Händler möglich * attraktive Ausstattung * gute Regeln * eher lange Spieldauer

 

Vergleichbar:

Pirates 2ed und alle anderen Abenteuerspiele mit Piratenthema

 

Andere Ausgaben:

Z-Man Games, USA; Rebel.pl, Polen; Asterion Press, Italien; Filosofia Editions, Frankreich

 

Meine Einschätzung: 4

 

Martina, Martin & Markus:

Schön gestaltetes, einfach zu erlernendes Spiel, das leider nicht ohne Längen auskommt.

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0