UNSERE REZENSION

 

Vom Atlantik zum Pazifik

 

Expedition northwest passage

 

Auf der Suche nach der Franklin-Expedition

 

Während ich diese Rezension schreibe hat es 35 Grad im Schatten draußen. Da trifft es sich günstig, dass ich mich wenigstens geistig im Polarkreis aufhalte und mir dort mental eine Abkühlung hole.

Es geht um eine der mit Mystik meistbeladenen Seestraßen der Welt – um die Nordwest-Passage. Seit 1520 der portugiesische Seefahrer Magellan die Südspitze Südamerikas umrundete um auf diese Weise vom Atlantik in den Pazifik zu gelangen und einen neuen Weg nach Asien bzw. Indien fand, wurde auch eine nördlich Route gesucht. Abgesehen von der Entdeckerlust der sich seinerzeit sowohl Sir Francis Drake als auch James Cook hingab, stand und steht auch heute der Wirtschaftsfaktor im Vordergrund. Schließlich beträgt die Route nach Asien durch den Suezkanal ca. 21000 Kilometer und somit eine fast um 50% längere Strecke. Auch durch den Panamakanal verliert man vier Tage was für ein Frachtschiff ungefähr 20.000 $ Mehrkosten bedeutet. Man sieht also wie enorm wichtig es schien, in den bislang unentdeckten Gefilden eine brauchbare Route zu finden. Das ganze Abenteuer reicht bis in unsere Tage, da es seit 1969 erst 2 Handelsschiffen gelang die Strecke zu durchqueren. Erst seit 2008 war die Route infolge der Klimaerwärmung im Sommer nahezu mehrere Wochen eisfrei. Übrigens mit Arved Fuchs hat sich auch ein Österreicher 1993 in die Geschichtsbücher eingetragen, der mit einem Segelboot die Passage durchquerte.

Wir gehen aber zurück in das Jahr 1845 als der britische Admiral Sir John Franklin mit 2 Schiffen und 128 Mann im Auftrag der Krone sich daran machte den Seeweg zu finden und zu kartographieren. Daraus entstand allerdings ein Desaster. Er verschwand mit „Mann und Maus“ – wie es so schön heißt und man fand nie mehr eine Spur von ihm. Unzählige versuchten zu ergründen was mit der Expedition passierte. Vergebens. Selbst Roald Amundsen versuchte 1903 in einer 3 Jahre dauernden Aufklärungsmission die Hintergründe des Unglücks zu erforschen. Soweit die Vorgeschichte.

 

Nun hat sich der französische Verlag MATAGOT mit Hilfe des Autors Tourigny des Themas angenommen und meiner Meinung nach die Problematik vortrefflich dargestellt. MATAGOT besteht erst seit 2005 und hat bereits mit „Takenoko, Cappuccino, Nofretete, Cyclades und Khronos“ einige interessante Spiele auf den Markt gebracht. Vom Autor selbst ist mir nur „Blue Print“ als Werk bekannt. Für die Nordwestpassage gelang ihm jedenfalls ein Meisterstück.

 

Zum Spiel: Die 2-4 Spieler erwartet ein Spielplan mit dem Ausgangspunkt Grönland und dem Pazifik an der Westküste Alaskas und Kanadas als Zielhafen. Die Fläche weist eine 3teilige Markierung auf, die im Spielverlauf die zu erringenden Siegpunkte beeinflussen. Je weiter weg vom Heimathafen, desto mehr Siegpunkte sind realisierbar. Jeder Spieler erhält ein Spielertableau, ein Schiff, einen Schlitten und sieben Besatzungsmitglieder, die vorerst am Schiff zur Verfügung stehen. Der Spielplan umfasst eine Spielfläche mit ca. 100 Feldern unbekanntes Territorium. Nach und nach wird durch die Platzierung von Entdeckerplättchen die Landschaft gestaltet. Es gibt 64 2-Felder große Platten, von denen 4 zur Auswahl am Plan ausliegen. Der Rest ist in einem Beutel und wird blind gezogen wenn eine der 4 offenen Platten ersetzt werden muss. Neben den großen Entdeckerplatten gibt es 36 kleine, 1Feldgroße, die in 6 Stapeln ebenfalls am Plan liegen. Diese dienen zur Ergänzung, falls sich im Spielverlauf offene Stellen ergeben.

 

Das wesentliche Teil ist eine zweigeteilte Sonnenscheibe, die auf einfache aber sehr wirkungsvolle Weise die Witterungsverhältnisse in der Arktis verkörpert. Zu Beginn ist der größte Teil der Fläche, nämlich ca. 90 % eisfrei, sodass man mit seinem Schiff problemlos zwischen den Eisschollen bzw. Inseln navigieren kann. Mit Fortdauer des Spiels wechselt die Temperatur mit jeder Runde und das offene Meer friert immer mehr zu. Ein Schiff das nicht rechtzeitig in die südlichere Hälfte gelangt wird im Packeis gefangen und unbeweglich. Das erfordert ein Umsteigen auf die Schlitten. Aber aufgepasst beim Wetterumschwung können Schlitten samt ihrer Besatzung unwiederbringlich im Polarmeer untergehen. Mit dieser Methode wird die Stimmung, die das Thema vorgibt vortrefflich wiedergegeben.

 

Wie kommt man zu Siegpunkten? In jeder der zehn Spielrunden hat der aktive Spieler bis zu acht Aktionsmöglichkeiten. Er kann entweder ein großes Plättchen ziehen und in seinem Vorrat geben. Man darf davon eine unbegrenzte Anzahl horten. Dazu zieht er eines seiner sieben Crewmitglieder von dem Einsatzbereitschaftsfeld in die Ruhephase. Er kann aber auch alle 4 Auslagen erneuern und von der neuen Auslage ein Plättchen ziehen. Diese Wahl kostet aber zwei Mannschaftsmitglieder. Die dritte Möglichkeit wäre ein bereits im Besitz befindliches Plättchen auszulegen. Dies muss aber an ein Plättchen, auf dem sich sein Schiff oder sein Schlitten aufhält orthogonal angelegt werden. Die Kosten betragen ebenfalls einen Mann. Man kann auch beliebig viele Crewmitglieder vom Schiff auf seinen Schlitten transferieren. Schließlich könne Aktionen nur von den Mannschaften, die am jeweiligen Gefährt sind ausgeführt werden. Ein Umsetzen ist aber nur erlaubt wenn sich Schiff und Schlitten auf dem gleichen Plättchen befinden. Schließlich gibt es noch die Alternative sein Schiff bzw. seinen Schlitten auf ein benachbartes Feld zu bewegen. Dies kostet ebenfalls wie das Umsetzen eine seiner Figuren. Die ersten 5 Aktionen dienen also nur um das unbekannte Gelände zu erkunden und um weiter in die Arktis vorzustoßen.

 

Auf den zu legenden Plättchen finden sich vereinzelt Piktogramme und zwar insgesamt vier verschiedene. Diese werden sofort nach Platzierung mit Markern versehen. Sie stellen Steinhügel, Inuit (also Eskimos), Meerengen, sowie Überreste der Franklinexpedition dar. Befindet sich ein Schiff oder Schlitten auf dem entsprechenden Feld mit einem Marker so darf so darf der Spieler es sich sichern. Allerdings sind die Kosten hoch. für Inuit und Steinhügel benötige ich 2 frei zur Verfügung stehende Männer und für Meerengen und Franklinmarker sogar drei. Dies ergibt auch die gleiche Anzahl von Siegpunkten, multipliziert je nach Gebiet (1, 2 oder 3) wo der Marker aufgenommen wird. Weitere Punkte auf der Kramerleiste erhält man durch Komplettieren einer Insel. Je nach Anzahl der dafür erforderlichen Plättchen, mehr oder weniger, ersichtlich an einer Tabelle auf dem Spielplan.

Möchte ich in meinem Zug mehrere Aktionen hintereinander durchführen so werden die folgenden um jeweils eine Mannkraft teurer. Man muss also abwägen ob es sich lohnt abzuwarten bis man wiederum an die Reihe kommt.

Habe ich nicht mehr genügend Mannschaftsmitglieder um eine Aktion zu bezahlen, muss ich passen. Die Reihenfolge des Passens bestimmt die Zugreihenfolge in der nächsten Runde.

Jetzt kommt es auch zu einer Klimaänderung. Die Sonnenscheibe wird weiter geschoben und erwirkt dadurch eine teilweise Vereisung des Polargebiets. Wehe dem Schiff das in dieser Zeit nicht rechtzeitig offenes Wasser erreicht hat. Es ist unweigerlich im Packeis festgefroren.

 

Nach zehn Runden kommen wir zur Schlusswertung. Für das Erreichen von Kanada, also der Nordwestpassage erhält der erste von vier Spielern satte 15 Siegpunkte und der Rest gestaffelt 10, 6 und 3 Punkte. Ähnlich verhält es sich bei der Rückkehr nach Grönland mit der Einschränkung, dass hier der letzte leer ausgeht. Es wird in der Spielanleitung aber ausdrücklich erwähnt, dass das Erreichen der Nordwestpassage nicht unbedingt erforderlich ist, da wie bereits im Untertitel erwähnt die Suche nach der Franklinexpedition das Hauptanliegen des Spiels ist. Wesentlich ist es innerhalb der 10 angesetzten Runden zurückzukommen und möglichst viele Marker zu sammeln. Hier ist wieder die Anpassung an die Realität gegeben, da im Laufe der Jahre viele Forscher bei der Suche verunglückt sind. Auch dem trägt die Regel Rechnung, weil es für jedes zurückgelassenes Schiff oder Schlitten je 2 Punkte Abzug gibt und ebenso für jedes verlorene Mannschaftsmitglied.

Das Sammeln von Markern wird am Schluss erheblich belohnt. Für einen Satz von verschiedenen Markern gibt es 6 Punkte und für die Mehrheit in jeder Kategorie kann man zwischen 9 und 13 Punkten absahnen. Auch hier geht der Letze leer aus. Die genaue Punktanzahl ist auf den Spielertafeln ersichtlich. Damit liegt der Schwerpunkt eindeutig beim Sammeln und nicht beim Finden der Passage.

Selten habe ich ein Thema derart exakt im Spiel abgehandelt gesehen. Die Zielgruppe ist in meinen Augen zwischen Familienspiel und für Freunde einzustufen. Es macht richtig Spaß und ja wer jetzt Lust verspürt die Reise in natura zu erleben – es werden Kreuzfahrtpassagen  zum Preis zwischen 10.000 und 20.000€ angeboten. Bon Voyage!

 

Rudolf Ammer

 

Spieler: 2-4

Alter: 14+

Dauer: 60+

Autor: Yves Tourigny

Grafik: Stephane Poinsot

Preis: ca. 40 Euro

Verlag: Matagot SAS 2014

Web: www.matagot.com

Genre: Legen, Sammeln

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: multi

Regeln: de en fr nl

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Seltenes Thema

Vorbildlich umgesetzt

Gut passendes Material

Variable Spielgestaltung

 

Vergleichbar:

Lege- und Sammelspiele zu historischen Themen

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Rudolf Ammer:

Man fühlt sich richtig in das Thema hinein versetzt und spürt die Entdeckerlust in einem selbst. Durch die abwechslungsreiche Auslegung ergibt sich immer neue Problematik, das Thema wurde innovativ gelöst.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 1

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0