Mit Planung und Würfeln das Reich erhalten
 
Kingsburg
 
Säen, bauen, ernten, Monster abwehren
 
Vielleicht stellen sich Italiener so ja ideale phantastische Reiche vor: unter der Herrschaft eines gütigen Königs wird im Frühling, Sommer und Herbst eifrig gesät, gebaut und geerntet, denn im Winter kommen die Monster aus dem Norden, und wollen alles kurz und klein schlagen. Und im nächsten Jahr fängt alles von vorne an.
Diese Ausgangssituation erinnert ein wenig an Der eiserne Thron / A Game of Thrones (Fantasy Flight Games 2003 / 2004), damit enden die Ähnlichkeiten zwischen jenem Spiel und Kingsburg aber auch schon. Nicht Intrigen sind hier gefragt, sondern weise Voraussicht und ein doch erkleckliches Maß an Würfelglück.
Über die Spielautoren ist nicht sehr viel Material zu erhalten: Andrea Chiarvesio gibt in Interviews an, 1970 in Turin das Licht der Welt erblickt, schon immer mit Gesellschafts-, Karten-, Rollen- und anderen -spielen Umgang gepflogen zu haben, dann für Wizards of the Coast in deren italienischer Niederlassung tätig gewesen und nun für Upper Deck hauptsächlich für Yu-Gi-Oh! und ähnliche Sammelkartenspiele
verantwortlich zu sein (Quelle: http://www.Spielepizza.de). 2007 erschien ein Donald
Duck Kartenspiel (Quack-Cards / Quack Karten) nach seinen Entwürfen in der Kinderzeitschrift Micky Maus (oder Micky Maus Magazin, wie sich das nicht mehr nur
Comic-Heft mittlerweile nennt). Über Luca Iennaco ist bislang noch weniger bekannt. Der ebenfalls aus Turin stammende Italiener treibt sich unter dem Pseudonym Luke the Flaming anscheinend vor allem als Spielekritiker auf http://www.Boardgamegeek.com herum. Gemeinsam haben die beiden das Brettspiel Kingsburg entworfen, die deutschsprachige Ausgabe kam nun bei Mario Truant heraus.
Neben dem quadratischen Spielbrett enthält die Spielschachtel noch 5 Spielerauslagen (so genannte Provinzkarten), 21 sechsseitige Würfel (je 3 in den 5 Spielerfarben + 6 weiße), 5 mal 3 Spielsteine und 5 mal 17 Marker in den Spielerfarben, 3 lila Holzmarker (Gesandter des Königs, Runden- und Jahresstein), 60 kleine Holzwürfel für Rohstoffe (gelb = Gold, braun = Holz, grau = Stein), je 5 so genannte Feindeskarten für jedes der 5 Spieljahre ( I – V ), sowie die erfreulich übersichtliche, achtseitige Spielregel. Wie man leicht errät, können bis zu fünf Spieler an den freundschaftlich konkurrierenden Auseinandersetzungen im Reiche von König Tritus (den Namen gibt die Spielregel an, man darf ihn aber gleich wieder vergessen) über fünf Jahresrunden teilhaben.
Das Spielfeld wird von der Siegpunktezählleiste umschlossen, und zeigt ansonsten beinahe alles, was für den Ablauf nötig ist. Zentral sind die 18 Hoffelder treppenförmig angeordnet. Vom Narren (Wert 1) bis zum König höchstselbst (Wert 18) bieten diese den Spielern in jeweils drei der vier Jahreszeiten ihre Unterstützung an. Der Narr verschenkt sofort einen Siegpunkt, der Alchemist verwandelt Rohstoffe, die Königin gewährt Gaben und Gunst, der König verteilt ebenso Geschenke und verleiht auch noch Söldner für den Kampf, der im Winter unweigerlich stattfinden wird, abzulesen an der Jahreszeitenleiste am unteren Spielfeldrand. Vor Spielbeginn wird noch aus jedem der fünf Feindeskartenstapel I – V eine Karte zufällig verdeckt ausgewählt, und der so entstandene neue Stapel auf dem entsprechenden Leerfeld platziert, damit im Winter dann entweder Barbaren, Goblinhorden, Dämonen oder gar Drachen ihr wüstes Werk versuchen können.
Das Treiben verläuft in der Frühlings-, Sommer- und Herbstrunde gleich. Die Mitspieler (im Spiel gerne Provinzgouverneure genannt) werfen ihre drei Würfel. Das Ergebnis bestimmt die Zugreihenfolge (die Person mit dem niedrigsten Ergebnis darf anfangen), dann werden die Würfel dazu benutzt, die Hoffelder mit den entsprechenden Werten in beliebiger Kombination zu besetzen. Jedes Feld darf nur von einer Farbe belegt sein, außer der Gesandte des Königs steht einem (normalerweise dem materiell ärmsten Spieler der vorangegangenen Runde) zur Seite. Sind alle Würfel mehr oder minder zufriedenstellend verteilt (bisweilen kann es sich ergeben, dass man einen oder gar zwei Würfel nicht mehr nützen darf, weil die Felder, die der Kombination entsprächen, schon besetzt sind – dann verfällt das Würfelergebnis), werden die erworbenen Dienste eingelöst. In den meisten Fällen wird es sich um Rohstoffe handeln, aber je nach Spiellage können auch Bonuswürfel für die nächste(n) Runde(n), Söldner oder gleich Siegpunkte günstig erscheinen. In der folgenden Phase darf gebaut werden, was bedeutet, dass die Spieler die auf ihren Provinzkarten aufgedruckten Preise in Form von Rohstoffwürfeln (Gold, Holz und Stein in unterschiedlicher und jeweils ganz spezifischer Menge und Mischung) entrichten, und das geplante Bauwerk mit ihren Farben markieren. Jeweils fünf Typen in vier Stufen gilt es zu vollenden. Religiöse Monumentalbauten, dem Handel oder Gewerbe dienende sowie militärische Konstruktionen stehen zur Wahl und bieten je eigene Vorteile. Eine Kirche zu erbauen hilft im Falle des Falles beim Kampf gegen Dämonen, eine Statue (von König Tritus, von wem sonst?) verleiht Siegpunkte, die Anlage eines Bauernhofes bringt einen zusätzlichen (weißen) Würfel für die nächste Hofphase (schwächt aber die Verteidigung im Winter) und ähnliches mehr. In jeder der drei Bauphasen darf nur ein Bauwerk errichtet werden (außer ein Spieler verfügt über die besondere Gunst des Königs, repräsentiert durch dessen Gesandten), und die Reihenfolge jedes Typs ist streng reglementiert – einen Steinwall darf zum Beispiel nur anlegen, wer schon über Palisaden und Ställe verfügt, gleichgültig, ob man zwei Steinwälle bezahlen könnte. Mithin ist es unmöglich, alle 20 vorgegebenen Baupläne auszuführen. Am Ende der fünften Runde (Jahr V, entsprechend der Feindeskarte) wird die Siegerin bzw. der Sieger ermittelt. Wer die meisten Siegpunkte, oder bei Gleichstand, noch die meisten Rohstoffe oder Bauwerke sein eigen nennt, gewinnt.
Kingsburg ist ein schnell zu erlernendes, schlichtes und dennoch taktisches Aufbauspiel. Das Würfelglück überwiegt jegliche Strategie allerdings bei weitem. Die eingebauten Abfederungen, etwa die Startposition für den Pechvogel mit der geringsten Würfelaugensumme, die Hilfe durch den Gesandten des Königs für die Mitspielerin oder den Mitspieler mit der geringsten Anzahl an bereits errichteten Bauwerken (faktisch ein oder gar mehrere Doppelzüge), oder die billige Verfügbarkeit von Söldnern für die Winterschlacht sind dabei nur ein kleiner Ausgleich. Mischt nicht ein ausgesprochenes Schoßkind des Glücks mit, bleibt die Balance jedoch gewahrt – schließlich hat rein statistisch gesehen jede der sechs Würfelseiten dieselbe Wahrscheinlichkeit, oben zu liegen zu kommen.
Für eine gewisse Abwechslung sorgt das Zufallselement der Jahresendgegner, die erst mit Einläuten der Wintersaison offengelegt werden. Zwar besteht insgesamt kein großer Variantenreichtum (theoretisch könnte jedes Jahr eine Bande wilder Wikinger das Land zu überrennen trachten), aber mögliche Überfälle von Orks, Untoten oder Drachen rufen das Fantasy-Element des Spiels stets in Erinnerung, wenn man es schon nicht schafft, die Zauberergilde (das letzte Gebäude in einer Baureihe, die sich aus Wachtturm, Schmiede und Kaserne zusammensetzt) rechtzeitig fertigzustellen. Auch einige der höfischen Helfer entstammen dem Umfeld der Märchen und der phantastischen Literatur (der Alchemist, die Meisterjägerin scheint elbische Ahnen zu haben, der Schwertschmied entspringt eindeutig dem Zwergengeschlecht, ein Held sieht wie ein Troll aus, der Hauptmann hat entweder Schimpansen oder Halborks zu Eltern), die grafische Gestaltung verstärkt diesen Eindruck bewusst. Das Spielbrett ist kompakt und dennoch liebevoll gestaltet.
Am Spielsystem gibt es nichts auszusetzen, wenn man Partien mit hohem Zufallsfaktor (Würfelglück) schätzt. Die begrenzte Rundenanzahl (exakt fünf Jahreszyklen) zwingt förmlich zur Entscheidung, ob man zwei bis drei Reihen von Bauwerken komplett ausbauen oder lieber in allen Ebenen gleich schnell, soll heißen gemächlich, voranschreiten will. Für mehr an strategischer Planung reicht die Zeit eher nicht. Die Verlagsangabe einer Spieldauer von 90 Minuten kommt ziemlich genau hin. Die Spielregel ist tadellos gestaltet: übersichtlich und klar strukturiert, ein Register vermisst man dadurch (und weil es sich um lediglich acht Seiten handelt) nicht. Auch die Übersetzerin (Dagmar Ziegel) hat gute Arbeit geleistet. Kurzregeln für die Mitspieler wären zwar wünschenswert, sind aber durchaus nicht dringend nötig. Die Altersempfehlung scheint mit 10 Jahren ein wenig hoch gegriffen, Kingsburg eignet sich gewiss bereits für etwas jüngere Spieler.
 
Martina & Martin Lhotzky
Marcus Steinwender
 
Spieler   : 2 bis 5
Alter     : ab 10 Jahren
Dauer    : 90 bis 120 Minuten
 
Autoren : Andrea Chiarvesio & Luca Iennano
Grafik    : Mad4Gamestyle
Vertrieb : Heidelberger
Preis     : ca. € 40
Verlag   : Mario Truant 2007
              www.truant.de
 
Genre                : Aufbauspiel mit  Fantasy-Hintergrund
Zielgruppe         : Familie, Freunde
Mechanismen     : Würfelresultate verwenden
 
Strategie            : *****
Taktik                : ****
Glück                 : *******
Interaktion         : ******
Kommunikation  : *****
Atmosphäre       : *****
 
Kommentar:
Hoher Glücksfaktor
Sehr gute Regeln
Einfache Mechanismen
Fantasy-Hintergrund
Auch als Familienspiel geeignet
 

Martin und Martina Lhotzky:

Kingsburg ist ein leicht zu erlernender, schneller Spaß für Einsteiger, ein Aufbauspiel ohne Handel mit hohem Glücksfaktor, dafür mit einer an Fantasywelten angelehnten Hintergrundgeschichte. Zu oft wird man es dennoch nicht an einem Nachmittag spielen können oder wollen.