REZENSION

 

Farmer-Leben am Mississippi

 

RIVERBOAT

 

Ackerfrüchte anbauen, ernten und verkaufen

 

Schon seit über 20 Jahren unterhält Michael Kiesling mit seinen Spielen die Spiele-Community. Dass seine Spiele viel Anklang finden, zeigt sich auch bei der heurigen Nominierung von Azul zum Spiel des Jahres, das Azul dann auch gewann! Riverboat wäre für diesen Preis allerdings nicht geeignet, dazu ist das Spiel zu komplex. Würde man nach dem Spieletitel gehen, könnte man vermuten, dass es sich thematisch hauptsächlich um Schiffe dreht, es könnte sogar auch ein Rennspiel sein. Dem ist aber nicht so, die Schiffe spielen zwar schon eine nicht unwesentliche Rolle, primär geht es jedoch in Riverboat um Ackerfrüchte, vom Aussäen bis zum Ernten und Verkaufen. 

 

Riverboat ist ein sehr geradliniges Spiel. Das Ziel und der Weg zum Ziel sind leicht verständlich. Kern des Handelns sind die Ackerfrüchte. Damit diese angebaut werden können braucht es vorerst Arbeiter, die auf die Felder geschickt werden. Danach wachsen die Ackerfrüchte und werden von denselben Arbeitern auch gleich geerntet und auf Boote verladen, dafür gibt es dann auch gleich ein Einkommen. Damit ist das Spiel eigentlich schon erklärt, angereichert ist dieser Ablauf noch um verschiedene Möglichkeiten um zu Siegpunkten zu kommen. Dies gibt eine reizvolle Kombination eines einfachen Ablaufes mit den verzahnten Mechanismen für die Siegpunktgewinnung.

 

In Riverboat werden genau vier Runden durchgespielt, die alle den gleichen Ablauf haben. Dazu gibt es pro Runde fünf Phasen zu absolvieren, die zwar immer in derselben Reihenfolge durchgespielt werden, aber jede mit ihrem eigenen Startspieler! Dies läuft so ab, dass es pro Phase eine Phasenkarte gibt. Zu Beginn der Runde nimmt sich jeder Spieler reihum eine dieser Phasenkarten, beginnend beim Startspieler der Runde. Zwangsläufig haben dadurch am Ende dieser Phase einzelne Spieler nur eine Phasenkarte, andere zwei. Derjenige, der die Phasenkarte besitzt, ist Startspieler dieser Phase. Zusätzlich bietet jede Phasenkarte einen individuellen Bonus für den Besitzer. Bei der Wahl der Phasenkarte gilt es also Startspieler für diese Phase und passenden Bonus abzuwägen, denn meist trifft dies nicht dieselbe Phasenkarte.

 

Sind alle Phasenkarten aufgeteilt, spielen alle Spieler die einzelnen Phasen durch, die erste Phase ist den Arbeitern gewidmet. Jeder Spieler hat zu Beginn dreizehn Arbeiter in seinem Vorrat. Davon muss jeder nun bis zu acht Arbeiter auf seinem Spielertableau einsetzen, außer er hat nur noch weniger im Vorrat. Das Spielertableau ist so aufgebaut, dass es ein in Sechsecke (die Ackerfelder) unterteiltes Gebiet darstellt. Dieses Gebiet teilt sich in fünf Anbaugebiete unterschiedlicher Farbe auf, wobei die Konturen dieser Anbaugebiete bei allen Spielern gleich sind, aber nicht die Farb-Anordnung. Diese Farben haben Einfluss auf die Setzmöglichkeiten der Arbeiter, denn pro Durchgang werden in dieser Phase acht Gebietskarten gezogen, jede Gebietskarte definiert die Farbe des Anbaugebietes, in dem ein Arbeiter auf ein Ackerfeld gesetzt werden muss.

 

So wie in den meisten Spielen gibt es auch in Riverboat Geld. Geld wird in diesem Spiel aber nicht zum Kauf genutzt, sondern um die Regeln brechen zu dürfen. In dieser Phase Eins kann gegen Bezahlung die Farbe der aktuellen Gebietskarte ignoriert werden.

Alle Spieler setzen nach und nach ihre Arbeiter ein, der Startspieler sogar einen neunten, da er als Bonus der Phasenkarte einen zusätzlichen Arbeiter vom zentralen Spielplan erhält und diesen beliebig einsetzen darf, allerdings vor dem Ziehen der Gebietskarten.

 

Diese Arbeiter bearbeiten nun das Ackerfeld, auf dem sie stehen, so dass dort Ackerfrüchte wachsen.

Welche das sind, ergibt sich aus Phase Zwei. Hier nimmt sich jeder Spieler reihum ein Ackerfruchtplättchen von der zentralen Auslage und legt dieses unter seine freien Arbeiter am Spielertableau. Diese Phase läuft solange weiter, bis unter allen Arbeitern am Spieletableau jedes Spielers ein Ackerfruchtplättchen liegt. Ackerfruchtplättchen können ein, zwei oder drei Sechseckfelder groß sein, die letzten beiden bringen zusätzlich sofort Siegpunkte. Pro Sechseckfeld des Ackerfruchtplättchens ist eine von fünf verschiedenen Ackerfrüchten abgebildet, bei den größeren Plättchen meist gemischt. Natürlich kann ein größeres Ackerfruchtplättchen nur dann gelegt werden, wenn alle abzudeckenden Sechseckfelder mit einem Arbeiter besetzt werden können. Dies setzt natürlich voraus, dass die Arbeiter in der vorigen Phase entsprechend passend aufgestellt wurden bzw. werden konnten.

Die zentrale Auslage ist allerdings beschränkt und wird in der Regel auch nur am Beginn der Runde aufgefüllt. Es gibt genau vier Dreier- und vier Zweier- sowie zehn Einer-Ackerfruchtplättchen zur Auswahl. Sollte nichts Passendes ausliegen, bietet sich hier an, gegen Geld ein Plättchen aus dem allgemeinen Vorrat zu wählen, eine Aktion die besonders in der letzten Runde gerne genutzt wird.

 

In Phase Drei können nun Ackerfrüchte auf die Flussboote, die Riverboats, ausgeliefert werden, jeder Spieler darf dies zweimal tun, in der letzten Runde sogar dreimal. Flussboote gibt es am zentralen Spielplan in neun verschiedenen Versionen, allerdings nur eines jeder Art. Dieser Mangel kann jedoch dadurch umgangen werden, ein Flussboot aus dem allgemeinen Vorrat um ein Geld zu kaufen anstelle eines vom Spielplan gratis zu nehmen.

Der Spieler am Zug nimmt sich nun ein Flussboot, gratis oder gekauft, und legt es oben an sein Spielertableau an den dafür vorgesehenen Aussparungen an. Um ein Flussboot nehmen zu können, muss es aber vollständig beladen werden. Jedes Flussboot hat seine eigene Ladekapazität, zwischen eins und sieben. Für den Spieler bedeutet dies, er muss Arbeiter in der geforderten Anzahl von seinen Ackerfrüchten wegnehmen, und zwar nur von einer Ackerfrucht-Sorte. Hier kann man noch einen Extrabonus gewinnen, sollte man insgesamt mindestens neun Ackerfrüchte einer Sorte auf seinem Spielertableau geerntet haben.

Flussboote zu beladen hat also einerseits den Vorteil, wieder Arbeiter von den Ackerfeldern zurückzubekommen, andererseits bietet jeder Bootstyp zwei Einkommen, die der Spieler sofort erhält. Dies kann Geld oder Siegpunkte sein, wichtig sind auch Schritte des Hafenmeisters. Jeder Spieler hat auf seinem Spielertableau einen Hafenmeister, der an den belieferten Flussbooten vorbeiwandert. Erst dann, wenn der Hafenmeister ein Flussboot erreicht bzw. daran vorübergezogen ist, bringt das Flussboot am Spielende Siegpunkte.

Weitere mögliche Einkommen eines Flussbootes sind Scheunen und Brunnen. Sie dienen ausschließlich der Siegpunkte-Gewinnung und müssen sofort am Spielertableau gesetzt werden. Schließlich gibt es noch die Einkommen einen Gutachter zu erhalten bzw. einen Arbeiter als Kommissionär einzusetzen. Gutachter sind eigene Spielfiguren und werden für die letzte Phase benötigt, um Siegpunkte zu gewinnen, Kommissionäre sind Arbeiter des Spielers, die er dauerhaft aus seinem Vorrat zum zentralen Spielplan schickt, auch das ausschließlich für Siegpunkte. Zweiteres hat die unangenehme Konsequenz, dass der Vorrat an Arbeitern immer mehr schrumpft.

 

Sind alle Bootsbelieferungen abgeschlossen, folgt Phase vier mit den Günstigen Gelegenheiten. Am zentralen Spielplan liegen vier Karten Günstige Gelegenheiten aus, die ausschließlich der Siegpunkt-Gewinnung dienen, je nach Erfüllung der Bedingungen auf der Karte. In Phase vier werden sie aber nur genommen, gewertet können sie in Phase fünf werden. Hier ist nicht zu verachten, dass jede Karte auch einen sofortigen Bonus liefert, je nach Lage am Spielplan. Beim Nehmen der Karte sind also diese beiden Aspekte zu berücksichtigen, welchen Bonus will ich bzw. welche Karte bringt mir viele Siegpunkte. Wenig Wahlmöglichkeit hat hier der letzte Spieler in Spielerreihenfolge, bei vier Spielern bleibt für ihn schlechtesten falls nur noch eine Karte übrig. Aber auch hier kann jeder Spieler Geld ausgeben und darf dafür eine Karte aus dem Nachziehstapel anstelle vom Spielplan aussuchen. Natürlich gibt es in diesem Fall keinen Bonus des Spielplans.

 

Nach dieser kurzen Phase folgt die letzte, fünfte Phase der Runde. Beim Startspieler beginnend, darf jeder Spieler zwei bzw. in der letzten Runde drei Gutachter einsetzen um eine Scheune, einen Brunnen oder eine Günstige Gelegenheit zu werten und erhält sofort die Siegpunkte dafür. Zusätzlich bringt jeder bisher gesetzte Kommissionär und jeder Gutachter einen Siegpunkt.

 

Ist die vierte Runde durchgespielt, endet Riverboat mit einer Schlusswertung. Jetzt werden der Hafenmeister, die Kommissionäre und die Gebiete gewertet. Der Hafenmeister liefert die Summe der Kapazitäten aller Flussboote als Siegpunkte, an denen er vorübergezogen ist, allerdings nur dann, wenn er im Vergleich zu den Hafenmeistern der anderen Spieler am weitesten gezogen ist. Andernfalls bringt er nämlich nur die Hälfte dieser so ermittelten Siegpunkte.

Auch bei den Kommissionären gibt es eine Mehrheitenwertung. Der Spieler, der die meisten Arbeiter als Kommissionär zum zentralen Spielplan geschickt hat, bekommt nun zwanzig Siegpunkte, zehn und fünf gibt es noch für Platz zwei und drei.

Schließlich erhalten die Spieler noch Punkte für Anbaugebiete auf ihrem Spielertableau, die der Spieler vollständig bedeckt hat. Jedes dieser Anbaugebiete bringt sieben Siegpunkte. Sollte man jetzt noch Geld oder nicht gewertete Scheunen und Brunnen haben, bringen auch diese noch ein paar Siegpunkte zusätzlich.

 

Riverboat ist ein Spiel mittlerer Komplexität mit interessanten Mechanismen, die das Spiel abwechslungsreich machen, so zum Beispiel die Phasenkarten, über die die Spieler entscheiden können, in welcher Phase sie Startspieler sein wollen. Natürlich werden hier vorrangig die Phasenkarten der Phasen gezogen, bei denen die Spielerreihenfolge von Bedeutung ist, wodurch nicht alle Phasenkarten gleich interessant sind, trotzdem stellt sich jede Runde die spannende Frage: bekomme ich die gewünschte Phasenkarte oder schnappt sie mir jemand anderer weg.

Bei den Gebietskarten kann einem schon das Glück verlassen, hier lässt sich wenig gegensteuern, außer man verfügt über genug Geld, um die Farbe der Gebietskarte ignorieren zu können. Das Ergebnis dessen hat aber taktische und strategische Auswirkungen, taktisch, weil das das Nehmen großer Ackerfruchtplättchen einschränken kann, strategisch, weil man ja versuchen sollte, Anbaugebiete komplett zu füllen. Weiters spielt auch noch die Anordnung der Ackerfrüchte am Spielertableau für Scheune und Brunnen eine Rolle.

Auch die Mischung zwischen Solospiel und Interaktion ist in Riverboat gut gelöst. Während die Spieler unabhängig voneinander ihr Spielertableau befüllen, sind doch oft die benötigten Ackerfrucht-Sorten weggeschnappt. Auf keinen Fall außer Acht lassen darf man die Fortschritte der anderen Spieler beim Hafenmeister und den Kommissionären. Hier können noch viele Punkte in der Schlusswertung gewonnen werden.

Nach meiner Erfahrung empfiehlt sich vor allem eine Spieleranzahl von drei Spielern, bei vier Spielern hat der letzte Spieler oft nur noch die Wahl des Griffes zur Geldbörse, wenn er bei seiner Aktion Wahlmöglichkeiten haben möchte, speziell bei der Günstigen Gelegenheit.

 

Spieler: 2-4

Alter: 10+

Dauer: 90+

Autor: Michael Kiesling

Grafik: Klemens Franz

Preis: ca. 45 EUR

Verlag: Lookout Spiele 2017

Web: www.lookout-spiele.de

Genre: Wirtschaftsspiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de en es

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Kurzweiliges Spiel

Einfache Regeln

Viele Siegpunktmöglichkeiten

 

Vergleichbar:

La Granja für Thema, Worker Placement Spiele

 

Andere Ausgaben:

SD Games (es)

 

Meine Einschätzung: 5

 

Bernhard Czermak:

Riverboat glänzt durch einen einfachen Ablauf mit mehreren Möglichkeiten, Siegpunkte zu bekommen. Während des Spiels agiert jeder Spieler relativ unabhängig von den anderen, ignoriert man allerdings die Aktionen der anderen Spieler, rächt sich das in der Schlusswertung.  

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0