Rezension

 

Auch Bauern mögen schöne Bretter

 

Agricola – Kennerspiel

 

Ein neu gepflügtes Feld

 

2007 war ein guter Brettspieljahrgang. Doch ein Spiel ist aus der Masse herausgestochen: Agricola. Uwe Rosenberg hat sich damit als Autor, nach Bonanza im Massensegment, auch im Vielspielerbereich in die erste Reihe geschoben (und hat seither kräftig nachgelegt), Lookout wurde zur festen Größe in der deutschen Verlagsszene (wenn auch mittlerweile nicht mehr unabhängig) und auch für Grafiker Klemens Franz war es der Durchbruch (mittlerweile fester Bestandteil der Brettspielszene).

 

Nun, noch keine zehn Jahre nach der Erstveröffentlichung, gibt es eine komplett überarbeitete Neuauflage. Das Spiel an sich ist gleichgeblieben. Wer das Original kennt, erkennt es sofort wieder und kann auch ohne Regellesen sofort loslegen. Es fällt auf, dass die Spielbretter nicht mehr eckig, sondern abgerundet sind und zusammengepuzzelt werden müssen. Die Grafiken wurden überarbeitet, haben aber nichts von ihrem Charme verloren, der in ihrer Comic-ähnlichen Einfachheit liegt. Die Symbolik wurde etwas modernisiert, wodurch auch hin und wieder der Text reduziert werden konnte.

 

Auch inhaltlich ist alles beim Alten geblieben. Wir steuern das Schicksal einer Bauernfamilie. Schicken sie los um Rohstoffe zu sammeln, Felder zu pflügen, Nachwuchs zu zeugen oder auch auf eines der zahlreichen anderen Aktionsfelder um am Ende den schönsten, größten und vielfältigsten Bauernhof zu besitzen. Ständig mit dem Druck der Mitspieler, die auf die gleichen raren Aktionsfelder scharf sind und mit der nächsten drohenden Erntezeit vor Augen, denn da wollen alle Familienmitglieder ernährt werden.

 

Den spielerisch größten Unterschied zum Original machen die Karten. Wie im Original bekommt jeder Spieler zu Beginn sieben Ausbildungen und sieben Anschaffungen, die nur ihm zur Verfügung stehen. Das sorgt für viel Abwechslung, denn kaum ein Spiel in dem man mit den gleichen Karten ins Rennen geht. Das Original kam mit 3 Kartendecks: Einsteiger, Komplex und Interaktiv. Ein Nachteil dieser Vielfalt war, dass das Balancing nicht ganz perfekt war und einige Karten von vielen Spielgruppen gebannt wurden. Aber bitte nicht falsch verstehen: In Anbetracht der schieren Masse an Karten wurde ein guter Job bei der Entwicklung gemacht und der Großteil der Karten war problemlos spielbar.

Die Neuauflage kommt nur noch mit zwei Decks: A und B. Diese wurden komplett neu zusammengestellt und sind nicht klar nach Zielgruppen unterschieden. In Summe sind es deutlich weniger Karten als im Original. Dafür sollte das Balancing besser sein. Weniger Karten bedeuten aber auch, dass bestimmte Kombinationen öfter gezogen werden können.

Für das Original kamen im Laufe der Jahre zahlreiche neue Kartendecks auf den Markt. Auch für die Neuauflage ist dies zu erwarten. Es spricht auch nichts dagegen das neue Spiel mit den alten Karten zu spielen.

 

Das Spielmaterial reicht nur noch für vier Spieler. Im Original waren es fünf. Das hat sich zwar als Standard in der Brettspielbranche etabliert, ist aber der größte Nachteil der Neuauflage. Zumindest für mich war Agricola immer eines der wenigen herausragenden Strategiespiele die man auch problemlos zu fünft spielen kann.

Abhilfe schafft eine schon erhältliche Erweiterung für 5 oder 6 Spieler. Womit die Neuauflage sogar einen Spieler mehr erlaubt als das Original.

Ferner enthielt das Original die Regeln für ein abgespecktes und daher einfacheres Familienspiel. Dieses ist nun nicht mehr enthalten. Dafür wurde ein eigenständiges Agricola Familienspiel bereits publiziert, das dies ersetzen soll. Das kann ich gerne verzeihen, denn obwohl ich zahlreiche Partien Agricola gespielt habe, habe ich kein einziges Mal das Familienspiel gespielt.

Um den vollen Umfang des alten Agricola zu erhalten muss man also mehrere Packungen kaufen und dafür deutlich mehr Geld investieren. Dafür erhält man den Mehrwert der Option auf einen sechsten Spieler und eines etwas schöneren Spiels mit optimierten Karten.

Für den Großteil der Spielegruppen wird aber auch das Grundspiel ausreichen.

Das alles ändert nichts daran, dass Agricola auch in der Neuauflage ein großartiges Spiel ist, das als Klassiker unter den modernen, komplexen, strategischen Brettspielen genannt werden kann.

 

Markus Wawra

 

Spieler: 1-4

Alter: 12+

Dauer: 30/120+

Autor: Uwe Rosenberg

Grafiker: Klemens Franz

Preis: ca. 45 Euro

Verlag: Lookout Spiele 2016

Web: www.lookout-spiele.de

Genre: Worker Placement

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 1 Spieler

Version: de

Regeln: de en + andere

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Neuauflage

Deutlich weniger Karten

Nur noch für bis zu vier Spieler im Grundspiel

Erweiterung für bis zu 6 Spieler erhältlich

Überarbeitete Spielgestaltung

 

Vergleichbar:

Agricola, Caverna

 

Andere Ausgaben:

Diese Auflage Mayfair (en), und ansonsten zu viele um sie zu erwähnen

 

Meine Einschätzung: 6

 

Markus Wawra:

Agricola ist ein geniales Spiel. War es immer, ist es noch immer. Wenn mich jemand nach einem Beispiel für ein konkretes Spiel fragt, das ich gerne spiele, sage ich nach wie vor Agricola. Aber natürlich muss sich eine Neuauflage mit dem Original messen. Da frage ich mich als Kunde und Besitzer des Originals: Warum soll ich Geld für weniger Karten und einen Spieler weniger bezahlen? Im direkten Vergleich mit dem Original schneidet die Neuauflage da einfach schlechter ab. Daher auch ein Punkt Abzug in meiner Wertung. Denn wenn es ein klar besseres Spiel gibt, ist eine Maximalwertung meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. Bleibt noch der Vorteil zusammen mit der Erweiterung einen sechsten Spieler mitspielen zu lassen. Aber für diesen eher seltenen Fall habe ich immer noch Caverna im Regal, das ist sehr ähnlich und geht zu siebent.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0