Rezension

 

klassisches Radrennen

 

Flamme Rouge

 

Windschatten und Führungsarbeit

 

Der Radsport ist trotz zahlreicher Dopingskandale in vielen Ländern dieser Erde ungebrochen beliebt. Nicht nur, dass die Rennfahrer, auch wenn diese unerlaubte Substanzen im Blut haben, schier unmenschliche Leistungen vollbringen, der Sport selbst ist auch ein taktisch und strategisch hoch interessanter Teamsport. Jeder der schon mal eine Tour de France gesehen hat weiß, dass die berühmten Wasserträger, die Führungsarbeit leisten und Lücken zufahren müssen, keine Rennen gewinnen. Gewinnen sollen die Teamkapitäne, die sich die meiste Zeit im Peleton (dem großen geschlossenen Fahrerfeld) verstecken um Kräfte zu sparen und dann im richtigen Moment angreifen um auf der Ziellinie ein paar Zentimeter vorne zu sein. Fast in jedem Rennen bilden sich Ausreißergruppen die oft viele Minuten vor dem Hauptfeld herfahren aber meist dann doch auf den letzten Kilometern vor dem Ziel noch eingeholt werden.

 

Nun sind Rennspiele sicher eines der ältesten Subgenres der Brettspielgeschichte und Radrennen nicht erst seit gestern populär. So haben sich in der Vergangenheit schon zahlreiche Autoren mehr oder weniger gelungen an das Thema herangewagt, erwähnt sei nur das 2008 erschienene, sehr geniale Leader 1, dessen Neuauflage Giro d’Italia, oder Um Reifenbreite das 1992 sogar die Auszeichnung Spiel des Jahres gewann.

2016 hat sich nun der dänische Autor Asger Harding Granerud in seinem Erstlingswerk dem Thema gewidmet und sein Spiel Flamme Rouge genannt. Radrennsportfans erkennen den Titel sofort als Radrennspiel, handelt es sich bei der flamme rouge doch um den roten Wimpel der bei der Tour de France den letzten Kilometer vor der Ziellinie markiert.

 

Bis zu vier Teammanager dürfen je zwei Rennfahrer auf die Rennstrecke schicken. Die Rennstrecke muss zunächst aus mehreren Steckenteilen gebastelt werden. Das Spiel enthält dafür mehrere Vorschläge. Die Länge der Strecke ist immer gleich, allerdings können an verschiedenen Stellen des Kurses Berge platziert werden, die ein abwechslungsreiches taktisches Element in das Rennen hineinbringen.

Jeder Spieler erhält zwei unterschiedliche Plastikfiguren in seiner Farbe und die dazu passenden Kartendecks. Alle haben die gleichen Rennfahrer und somit die gleichen Karten: einen Rouleur und einen Sprinter. Der Rouleur hat im Durchschnitt die höheren Karten, dafür hat der Sprinter drei Neuner im Deck und kann somit in drei Runden im Spiel deutlich schneller fahren als der Rouleur.

 

Sobald alle Figuren hinter der Startlinie platziert sind kann es auch schon losgehen. Man mischt die Decks für die beiden Fahrer (getrennt) und zieht jeweils die ersten vier Karten. Für jeden Fahrer legen dann alle Spieler je eine Karte verdeckt vor sich ab, die übrigen Karten kommen offen unter den jeweiligen Nachziehstapel. Ist ein Nachziehstapel aufgebraucht werden die offen unter ihn gelegten Karten neu gemischt und bilden den neuen Nachziehstapel.

Dann wird ausgewertet. Die erste Figur in der aktuellen Rennreihenfolge zieht zuerst so viele Felder vorwärts wie es die für ihn gespielte Karte anzeigt. Es folgt die zweite und die dritte, bis alle gezogen sind. Die gespielten Karten werden aus dem Spiel entfernt.

Nun kommt der Windschatten ins Spiel. Für jede Figur wird überprüft ob der Fahrer vor ihm genau ein Feld vor ihr ist. Ist dem so, darf er und alle Figuren seiner Gruppe sofort das eine Feld vorrücken. Eine Gruppe sind alle Fahrer die ohne freie Felder zwischen ihnen zusammenhängen. Da von hinten nach vorne geschaut wird, kann es passieren, dass ein Rennfahrer in einer Runde gleiche mehrere Felder umsonst vorrücken darf.

Danach wird überprüft welche die vordersten Fahrer jeder Gruppe sind. Diese müssen Führungsarbeit leisten und erleiden daher eine Erschöpfung in Form einer Zweierkarte, was die schlechteste Karte im Spiel ist. Diese kommt in das Deck des jeweiligen Fahrers und kann (oder muss), wie jede andere Karte im Deck, gezogen und ausgespielt werden. Das Deck verschlechtert sich also.

Damit ist eine Runde auch schon vorbei.

In dieser Form läuft Runde nach Runde bis die Fahrer das Ziel erreicht haben. Wer mit einer seiner Figuren zuerst das Ziel erreicht gewinnt das Spiel. Sollten mehrere Figuren in der gleichen Runde die Ziellinie überschreiten, was quasi der Regelfall ist, gewinnt wer am weitesten über das Ziel hinausgeschossen ist. Wenn da auch Gleichstand herrscht, diejenige der Beteiligten die zuerst gezogen ist.

So ein Rennen geht recht flott und dauert etwa 30 Minuten. Im Normalfall spitzt sich das Rennen gegen Ende hin zu und die letzten Runden werden richtig spannend. Dann zeigt sich wer sich die Kräfte gut eingeteilt hat und im richtigen Moment die hohen Karten spielen kann. Wie im richtigen Radrennen auch, kann man die hohen Karten früh ausspielen und quasi ausreißen und versuchen das Rennen von vorne zu gewinnen. Wer im Hauptfeld mitfahren will, versucht es zu vermeiden an die Spitze des Feldes zu gelangen um Erschöpfung zu vermeiden, dann spät im Spiel die hohen Karten zu ziehen und noch an den ausgelaugten Konkurrenten vorbeizufliegen.

Ich war vom ersten Moment an begeistert von diesem Spiel. All die spannenden Elemente der echten Radrennen sind da und das in einem Spiel das schnell erklärt und einfach zu spielen ist.

Auch die optische Gestaltung von Spiel und Regelwerk des finnischen Verlags lautapelit.fi lässt kaum Wünsche offen. Einzig die optische Unterscheidbarkeit zwischen den Rouleur- und Sprinterfiguren einer Farbe wurde von einigen meiner Mitspieler bemängelt. Zugegeben, diese Unterscheidung bedarf genaueren Hinsehens. Mich hat sie aber nie gestört und man kann die Plastikfiguren auch problemlos bemalen, was dieses Problem auch lösen sollte.

 

Markus Wawra

 

Spieler: 2-4

Alter: 8+

Dauer: 45+

Autor:  Asger Harding Granerud

Grafik: Ossi Hiekkala, Jere Kasanen

Preis: ca. 37 Euro

Verlag: Lautaoelit 2017

Web: www.lautapelit.fi

Genre: Radrennen 

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: multi

Regeln: de en es fr

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Einfacher Mechanismus

Spannende Rennen

Hoch interaktiv

Ansprechendes Spielmaterial

 

Vergleichbar:

Giro d‘Italia, Leader 1, Um Reifenbreite

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Gesamt: 7

 

Markus Wawra:

Ich bin ja ein Fan von guten Rennspielen. Gut ist ein Rennspiel für mich wenn es einen relativ einfachen aber interessanten Mechanismus hat und bis zum Zieleinlauf spannend bleibt. Flamme Rouge ist aus meiner Sicht eines der besten Spiele dieser Zunft. Jedenfalls das beste Rennspiel das mir in den letzten Jahren so untergekommen ist. Klare Empfehlung also von meiner Seite für alle die mit dem Genre etwas anfangen können.

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0