Heuchel & Meuchel

 

Heuchel & Meuchel

Autor: Rudi Hoffmann

Graphik: Harald Germer

3 - 6 Spieler ab 12 Jahre

Hersteller: Franckh Kosmos, 1990

Auswahlliste Spiel des Jahres 1990

 

Der einleitende Text verspricht gesellschaftliche Rangeleien in einem mittelalterlichen Szenario, immer mit dem Hinweis, dass damals eigentlich alles anders war, als die Geschichtsbücher uns das weismachen wollen. Es wurde zwar geheuchelt und gemeuchelt auf Teufel komm raus, aber natürlich - wie des öfteren betont wird - im Gegensatz zu modernen Zuständen - nur aus fürstlichem Edelmut und purer Großzügigkeit.

 

So weit, so nett. Aber was steckt hinter der hübsch ausgedachten Geschichte? Zunächst fällt schon die interessante farbliche Gestaltung der etwa quadratischen Schachtel auf - irgendetwas zwischen rosa und orange. Apropos farbliche Gestaltung: In der Spielbeschreibung wird erwähnt, dass der Spielplan vom Graphiker nach mittelalterlichen Vorbildern gestaltet und mit seltenen, heute nicht mehr gebräuchlichen Farbpigmenten ausgeführt wurde. Das mag im Sinne der Erhaltung alten Kulturguts löblich sein, aber der erzielte Effekt steht wahrscheinlich in keinem Verhältnis zum Aufwand.

 

Aber weiter zu Spiel selbst: auf dem Deckel der Schachtel ist abgebildet, was einen beim Öffnen erwartet: gestapelte Vertreter verschiedener mittelalterlicher Gesellschaftsklassen. Auf 36 Kärtchen sind jeweils sechs Vertreter aus sechs Schichten abgebildet. Prinzipiell bilden sie eine Rangordnung, wobei der "Fürst'' an der Spitze steht. Hinter bzw. unter ihm folgen die Kleriker, die Patrizierinnen, Quacksalber, Spielmänner, und ganz am Ende der Leiter die Feuerschlucker.

Innerhalb der einzelnen Schichten gibt es eine weitere Abstufung, die durch aufgedruckte Zahlen verdeutlicht wird: so gibt es etwa einen "6er'-Kleriker, der über dem "4er"-Kleriker steht, wobei aber beide unter dem "1er"-Fürst stehen. Die höchste Karte im Spiel ist also der"6er"- Fürst, die niedrigste der "1er"-Feuer-Schlucker.

 

Die gesamte Bevölkerung wird zu Beginn des Spieles verdeckt gemischt und es werden, unabhängig von der Teilnehmerzahl, jeweils sechs Karten an die Mitspieler verteilt. Diese Karten werden nun mit der Bildseite nach oben entsprechend ihrer Rangstufe auf den Spielplan (Startfelder) gelegt. Dieser besteht aus sechs senkrechten Reihen mit jeweils 13 Feldern. Jeder Spieler bewegt seine Kärtchen auf einer dieser Reihen. Die sechs unteren Felder sind die Startfelder, ein neutrales Feld trennt sie von den sechs Zielfeldern.

 

Jeder Gesellschaftsklasse ist eine Startreihe zugeordnet – die Feuerschlucker besetzen die unterste, die Fürsten die oberste. Entsprechend gleich orientiert sind auch die Zielfelder, die nach vorangegangenen Rangkämpfen erreicht werden sollen. Jedes Kärtchen hat also einen Weg von sieben Feldern zurückzulegen, unabhängig vom Rang der aufgedruckten Figur.

 

Gezogen wird jeweils ein Feld vorwärts, bzw., falls möglich, wie beim Halma, durch Überspringen eines oder mehrerer Kärtchen - jedoch immer nur in gerader Linie auf der eigenen Felderreihe. Wo liegt nun aber der Spielwitz? Laut Spielregel in dem Umstand, dass man nach Beendigung seines Zuges etwaige rangniedrigere Nachbarn ''heucheln oder meucheln', sprich in der selben horizontalen Reihe befindliche rangniedrigere Kärtchen einsammeln und unter das eigene legen darf. So bildet man einen Stapel von Untergebenen, den man in die eigenen Zielfelder in Sicherheit bringen kann (Was sich bei der Auswertung in Form von Pluspunkten niederschlägt).

 

Die große Schwäche des Spieles ist offensichtlich: der Spieler mit der höchsten Karte im Spiel kann mehr oder weniger mühelos bei jedem Zug alles in seiner Reichweite einsammeln und ins Ziel bringen. Für die Spieler mit den mittelmäßigen Werten bleibt wenigstens noch die Rangelei mit anderen 'Mittelmäßigen'', während der bedauernswerte Mensch mit dem "1er"-Feuerschlucker und ähnlich Gescheiterten nur zusehen kann, wie seine Schäfchen den diversen Mächtigen zulaufen.

 

Das eigentliche Spiel beschränkt sich daher meistens auf die Suche nach der bestmöglichen Schadensbegrenzung. Es sei dahingestellt, ob ein Spiel dadurch schon zum "Taktikspiel" wird. Es mag sein, dass ''Heuchel & Meuchel" durch seinen Aufbau besonders realitätsnah ist, jedenfalls, was den Umgang der gesellschaftlichen Klassen miteinander betrifft. Nur: ich finde eigentlich solche Spiele unterhaltsamer, wo sich das eigene Engagement je nach Geschick in irgendeiner Form positiv auswirkt und die Entscheidungen erst im Lauf des Spieles und nicht zu 99% schon beim Verteilen der Karten fallen.

 

Zum Schluss noch eine kurze Anmerkung: es fragt sich nach einigen Spielversuchen wirklich, wie "HEUCHEL & MEUCHEL" auf die Besten liste zum "Spiel des Jahres'' kommen konnte?! Soviel ich weiß, geht der Nominierung ein kompliziertes Auswahlverfahren voraus - hat dabei niemand bemerkt, dass das Spiel mit den gegebenen Regeln eigentlich nicht richtig spielbar ist ??