Einfach Genial

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Buch gekauft wird, steigt mit dem Bekanntheitsgrad des Autors. Paulo Coelho, Donna Leon, J.K. Rowling, Isabel Allende: Sie alle genießen großes Ansehen und eine guten Ruf. Und ein Buch eines guten Autors kann doch nur gut sein – oder? Aus diesem Grund fiebern wohl auch immer tausende Fans offen oder still nach Neuerscheinungen dieser Autoren.

Für Spieleautoren gilt hier ähnliches wie für Buchautoren: Manche Leute kaufen zwar Spiele prinzipiell nur vor Weihnachten und da nach der Größe und Farbgestaltung des Kartons oder aufgrund den Versprechungen der aktuellen Werbung. Kenner sind da aber schon klüger und lassen sich eher durch Empfehlungen von Freunden, durch objektive Spielbeurteilungen sowie durch die Namen bekannter Spieleautoren leiten.

Reiner Knizia gehört zu Zeit sicher zu den bekanntesten Spieleautoren in Europa. Unzählige Spiele wurden von ihm in den letzten 18 Jahren gestaltet. Er ist einer, der mit seinem Namen für Qualität bürgt. Er ist einer, auf dessen Neuerscheinungen man wartet. Ob sich diese Erwartungen mit seinem neuestem „Einfach Genial“ erfüllen, lesen Sie in diesem Artikel.

 

„Einfach Genial“ kommt in einer schlichten Kartonverpackung, die von schwarz-rot dominiert wird. In einem Sechseck ist Leonardo da Vinci´s anatomische Studie eines Menschen („La Divina Proportione“, im Original von 1490 in einem Rechteck und Kreis) abgebildet.

Von der sechseckigen Form ist auch das Spiel dominiert, das auf den ersten Blick als Mischung zwischen Halma und Domino erscheint. Das Spiel ist reichlich ausgestattet und besteht aus einem Spielplan, vier Wertungstafeln, 24 kleinen Holzwürfeln als Wertungsmarkern, einem Stoffsack mit 120 Kunststoff-Spielsteinen und vier Kunststoffbänkchen zum Ablegen der Spielsteine.

Der Spielplan zeigt ein einziges großes Sechseck, das selbst aus sechseckigen Feldern besteht. Die äußerste - dunkelgrau eingefärbte - Reihe wird nur bei 4 Spielern, die zweitäußerste, mittelgraue Reihe nur bei 3-4 Spielern verwendet. Bei 1-2 Spielern wird nur auf den inneren hellgrauen Feldern gespielt.

Die Spielsteine bestehen aus zwei, an einer Längsseite zusammenhängenden Sechsecken, die jeweils eines von 6 unterschiedlichen Symbolen (z.B.: roter Stern, grüner Kreis, oranges Sechseck,...) zeigen. Sie werden während des Spieles auf die sechseckigen Felder des Spielplanes gelegt.

Die Wertungstafel zeigt eine Matrix mit 6 Zeilen und 19 Spalten. Jedem Symbol eine der 6 Zeilen zugeordnet, die Spalten sind von links nach rechts mit 0 bis 18 beschriftet. Die Wertungsmarker werden zu Beginn auf die erste Spalte mit Wert „0“ gesetzt und rücken während des Spieles nach rechts vor.

Ziel des Spieles ist es, durch Anlegen von Spielsteinen mit Farbsymbolen an übereinstimmende Farbsymbole Punkte zu erzielen. Der Spieler dessen niedrigster Wertungsmarker zu Spielende auf der Wertungstafel am weitesten vorne ist, gewinnt.

 

Zu Spielbeginn erhält jeder der Mitspieler eine Wertungstafel und ein Kunststoffbänkchen. Das Bänkchen wird, ähnlich wie bei Rummy, mit sechs Spielsteinen bestückt.

 

Alle Wertungstafeln sollten – im Gegensatz zu den Steinen am Ablagebänkchen - für alle Mitspieler gut einsehbar sein. Die Steine am Ablagebänkchen hingegen darf nur der Spieler sehen, dem sie gehören. Das erreicht man am besten, wenn die Wertungstafeln zwischen Spielplan und Ablagebänkchen gelegt werden.

Reihum wird jeweils ein Spielstein auf die sechseckigen Felder des Spielplanes gelegt. Die einzigen Regeln für das Einsetzen der Steine sind:

-   sie dürfen dabei nicht über den Rand des Planes hinausragen.

-   sie dürfen die bereits am Spielplan abgebildeten Symbole nicht abdecken.

-   sie müssen in der ersten Runde an eines dieser Symbole angrenzen, das von den Vorspielern noch „unbesetzt“ ist.

 

Nach dem Anlegen wird der Spielstein gewertet. Es wird nacheinander von jedem der beiden Farbsymbole auf dem neu angelegten Spielstein ausgegangen. Dabei werden jeweils alle fünf Richtungen  - außer der Richtung zum zweiten auf dem Spielstein befindlichen Symbol – in gerader Linie betrachtet. Für jeden in Strahlrichtung ausliegenden, ohne Unterbrechung durch einen anderen Spielstein oder eine Lücke angrenzenden, Spielstein mit gleichem Symbol gibt es einen Punkt.

Der Wertungsmarker des entsprechenden Symbols wird dann auf der eigenen Wertungstafel um die Zahl der erzielten Punkte weiter gezogen.

Erreicht ein Spieler mit einem seiner Steine die Spalte 18, so darf er zur Belohnung einen zusätzlichen Spielstein legen.

Am Ende jedes Zuges werden die eigenen Spielsteine am Ablagebänkchen wieder auf 6 Stück ergänzt - oder unter speziellen Bedingungen – gegen neue Steine ausgetauscht.

Das Spiel endet, wenn kein weiterer Stein mehr angelegt werden kann. Der Clou dabei ist, dass nur der niedrigste Wertungsmarker jedes Spielers zählt. Der Spieler, dessen niedrigster Wertungsmarker am weitesten vorne ist, gewinnt.

 

Während des Spieles bilden sich manchmal längere, zusammenhängende Reihen oder größere Flächen mit gleichen Symbolen. Diese Konstellationen sollten unbedingt ausgenützt werden, denn nur sie bringen gewinnbringend viele Punkte. Leider hat man nicht immer die geeigneten Spielsteine, um optimal anlegen zu können.

Man darf aber über dem eigenen Punktemachen auch nicht vergessen, dass diese Konstellationen auch den anderen Spielern viele Punkte bringen, wenn diese die passenden Spielsteine besitzen. Es gilt daher neben dem optimalen Ausnützen der Situation auch den anderen Mitspielern eben diese guten Möglichkeiten (am besten für deren am weitesten hinten liegende Wertungsmarker) zu blockieren.

 

Da am Ende nur der niedrigste Wertungsmarker jedes Spielers zählt, hilft es überhaupt nichts, mit einigen Wertungssteinen sehr weit zu sein, solange auch nur ein einziger eigener Wertungsmarker noch weit hinten ist. Hier sollte man sich auch von „einmaligen“ Punktegewinnen nicht blenden lassen. Denn oft gibt es am Ende gerade für das am meisten benötigte Symbol keine Möglichkeit mehr gute Punkte zu machen.

Eine weitere taktische Spielmöglichkeit – besonders bei zwei Spielern - ist es, das Spiel möglichst schnell zu beenden, wenn man selbst in Führung liegt. Das erreicht man durch Einschließen von möglichst vielen einzelnen Leerfeldern beim Legen von eigenen Spielsteinen. Das Spielfeld ist damit früher voll, weil keine weiteren Steine mehr in die einzelnen Leerfelder gelegt werden können.

 

Das Spiel ist abwechslungsreich und interessant, Spielsituationen wiederholen sich selten. Das Spielprinzip ist erfrischend neu und erinnert fast an klassische Brettspiele.

Die Wartezeiten zwischen den Zügen sind üblicherweise kurz. Neben dem Glücksfaktor beim Ziehen der Spielsteine ist auch die Taktik beim Anlegen sehr wichtig. Zufall und Strategie stehen hier in einem sehr gut ausgewogenen Verhältnis.

Die Regeln sind einfach und in längstens fünf Minuten erklärt. Die Spieldauer beträgt etwa 30-45 Minuten.

Das Spiel ist für Leute ab 10 Jahren bestimmt, dürfte sich jedoch, wenn man es taktisch nicht ganz so ernst nimmt und den Spaßfaktor in den Vordergrund stellt, wohl sicher auch für jüngere Kinder eignen.

 

Eine Besonderheit von „Einfach Genial“ ist, dass es von 1-4 Personen gespielt werden kann. Wir haben das natürlich ausgiebig getestet. Uns hat das Spiel mit 2-4 Teilnehmern am besten gefallen.

Im Gegensatz zu anderen Spielen ist das Spiel zu zweit mindestens genauso lustig wie zu dritt oder zu viert, nur ein wenig anders.

Wie bei den meisten interaktiven Spielen üblich ist das Vorausplanen und das Verfolgen einer Taktik umso schwieriger, je mehr Spieler beteiligt sind. Während sich bei zwei Spielern nur geringe Änderungen innerhalb einer Runde ergeben, kann sich die Situation bei vier Spielern bis zum nächsten Mal drankommen schon wesentlich verändern.

Dafür steigt mit der Anzahl der Mitspieler die Herausforderung sich jedes Mal rasch an die aktuelle Situation anzupassen. Da die Maximalzahl der teilnehmenden Spieler bei 4 liegt, sind die Auswirkungen nicht ganz so dramatisch.

Das Solospiel ist technisch in Ordnung, gleicht aber fast dem Patiencelegen und hat uns nicht so gut gefallen. Hier fehlt eindeutig die Interaktion mit den Mitspielern.

 

Verbesserungswürdig sind die folgenden beiden Punkte.

Die Schachtel ist gut dimensioniert, für die Wertungstafeln bleibt allerdings kein sinnvoller Platz. Sie müssen ganz obenauf gelegt werden, rutschen dort hin und her und tendieren dazu heraus zu fallen. Wären die Ränder des Kunststoffeinsatzes hingegen auf zwei gegenüberliegenden Seiten vertieft, könnte man hier die Wertungstafeln besser hineinlegen.

Die Bestimmungen für die Wertung sind in der Spielanleitung bei Gleichstand zweier Spieler nicht genau definiert. So hatten wir bei einem Testspiel folgenden Stand auf der Wertungstafel:

 

 

13

14

15

16

17

18

Spieler A:

rot, gelb

-

grün

-

violett

blau, orange

Spieler B:

orange

Rot

lila

-

-

grün, blau, gelb

 

Hier sollte man annehmen, dass Spieler B gewonnen hat, weil seine Wertungssteine eindeutig weiter vorne sind als die von Spieler A. Schließlich hat Spieler A zwei Steine auf der niedrigsten Position, Spieler B nur einen.

Wertet man allerdings streng nach Spielregel „... wenn zwei oder mehr Spieler den gleichen Punktestand erreicht haben, also ein Gleichstand eintritt: dann entscheidet die Position des nächst höheren Wertungssteines der Spieler mit Gleichstand über den Sieg und so weiter.“, so gilt: nächst höherer Wertungsstein von Spieler A liegt auf 15, von Spieler B auf 14. Also hätte Spieler B eigentlich gewonnen, was vom Spielautor aber wohl nicht so gemeint sein kann.

 

Alles in allem ist „Einfach Genial“ gut gelungen und hat allen Testspielern Spaß gemacht. Es deckt eine breite Palette von Anforderungen ab und eignet sich als Gesellschaftsspiel sowohl für Familien als auch für anspruchsvollere Spieler.

 

Christoph Klager

christoph.klager@andritz.com

 

Spieler:           1-4

Alter:              ab 10 Jahren

Dauer:            ca. 30-60 Minuten

Verlag:           Kosmos, www.kosmos.de

Vertrieb:         Kauffert

Autor:            Reiner Knizia, www.knizia.de

Grafiker:         Fine Tuning / Michaela Schelk

Preis:              ca. € 26

 

Genre:                   Lege- und Sammelspiel

Zielgruppe:            Familie

Mechanismus:         Steine anlegen und nachziehen

Strategie:               ****

Taktik:                  ****

Glück:                   ****

Interaktion:            *****

Kommunikation:     ***

Atmosphäre:          ******

 

Kommentar:

Elegante, abstrakte Ausstattung

Sehr einfache Regeln

Großer Spielspaß

Auch für Anfänger geeignet

 

Christoph Klager: Es deckt eine breite Palette von Anforderungen ab und eignet sich als Gesellschaftsspiel sowohl für Familien als auch für anspruchsvollere Spieler.

 

Wenn Sie gerne Toscana oder Carcassonne spielen, wird Ihnen auch Einfach Genial gefallen.