Durch die Wüste

 

Das Spiel:

Durch die Wüste

Taktikspiel für 2-5 Personen ab 10 Jahren

Von Reiner Knizia

Kosmos, 1998

 

WIN-Wertung:

**(*) Durch die Wüste AAA TT UUU II 3-5 (2-5) h

 

Vergleichbare Spiele:

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Sizimizi (M)

Topologik (M)

 

Der erste Blick auf das Spielmaterial schockt ein wenig - lauter kleine Kamele in den verschiedensten Pastelltönen (genauer gesagt in fünf Farben) und das sieht schon ein wenig kitschig aus, aber ist, wie man sehr bald merkt, absolut notwendig, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten. Quasi als Ausgleich dafür ist der Spielplan absolut farblos, ein schmutziges Gelb, richtig lebensfeindlich, Wüste eben. Und auch das ist notwendig.

 

Doch seit Walt Disney wissen wir, dass die Wüste lebt und so auch hier, denn schon nach dem Verteilen der 45 Wasserstellen und der fünf Palmen – sie symbolisieren Oasen - wirkt der Spielplan sehr lebendig. Damit hat man auch bereits fast alle Vorbereitungen getroffen, um die Wüste tatsächlich mit "Leben" zu füllen. Jeder Spieler nimmt sich nun noch, nein nicht alle Kamele einer Farbe, denn die Kamele gehören allen Spielern, er nimmt sich von den Kamelen mit Reitern jene sechs, auf denen ein Reiter derselben Farbe sitzt.

 

Damit hat jeder Spieler nun von jeder Kamelfarbe ein Kamel mit einem farbgleichen Reitern drauf, wobei die Farben der Reiter nichts mit denen der Kamele zu tun haben. Das sechste Kamel, ein graues, dient übrigens nur dazu, um auch während des Spiels schnell feststellen zu können, welche Reiterfarbe welchem Spieler zugeordnet wurde. Ein kleiner aber feiner Service des TM-Teams, das redaktionell für dieses Spiel verantwortlich zeichnet.

 

In Abhängigkeit von der Spielezahl sind noch einige kleine Vorbereitungen zu treffen (so gibt etwa bei fünf Spieler jeder eines seiner Kamele mit Reitern zurück) und dann kann es losgehen.

 

In fünf Einsetzrunden werden nun reihum die Kamelreiter auf den mit einem Hexmuster überzogenen Spielplan gestellt. Dabei dürfen diese nicht nebeneinander, nicht neben eine Oase und nicht auf Wasserlöcher, die übrigens Werte zwischen 1 und 3 tragen, gestellt werden. Da man bereits in dieser Phase das Spiel durchaus verlieren kann, sollte man Neulingen mit ein paar Tipps hilfreich zur Seite stehen.

 

Sind alle Reiter am Plan, beginnt die Eroberung der Wüste. Wer am Zug ist, darf 2 Kamele beliebiger Farbe auf den Spielplan setzen und zwar so, dass diese immer mit dem eigenen Kamelreiter, der ein Kamel dieser Farbe reitet, verbunden sind. So bildet jeder Spieler in jeder Kamelfarbe eine eigene Karawane, die durch seinen Reiter identifizierbar ist. Daraus folgt auch sofort und das ist die einzige Einschränkung, dass ein Kamel niemals so gesetzt werden darf, dass zwei farbgleiche Karawanen verschiedener Spieler verschmelzen.

 

Wer nun ein Kamel auf eine Wasserstelle setzt, erhält den entsprechenden Chip und darf sich die Punkte am Ende gutschreiben. Punkte und zwar 5 erhält man auch, wenn man eine der fünf Oasen erreicht. Dabei kann eine Karawane an ein- und derselben Oase nicht mehrmals punkten, wohl aber können verschiedene Karawanen eines Spielers an der selben Oase sich die fünf Punkte holen.

 

Noch bequemer kommt man zu Wasserstellen- und Oasenpunkten, wenn es einem gelingt, ein Gebiet ganz einzuschließen, wobei aber keine anderen Kamele, weder fremde noch eigene miteingeschlossenen werden dürfen. Dabei kann auch der Spielfeldrand und das Gebirge in der Mitte des Spielplans mitbenützt werden und man kassiert dann sofort alle eingeschlossenen Wasserstellen, ohne sie tatsächlich besetzen zu müssen und auch die Oasenpunkte für eine eingeschlossene Oase erhält man, ohne dieselbe erreichen zu müssen. Und damit noch nicht genug, gibt es am Ende für jedes Feld des eingeschlossenen Bereichs einen weiteren Punkt.

 

Das Ende ist übrigens da, sobald von einer Farbe das letzte Kamel gesetzt wurde und dann beginnt das Zählen der Punkte. Eine Möglichkeiten zum Punktesammeln habe ich allerdings noch nicht erwähnt: Für jede Farbe wird nämlich nun geprüft, welcher Spieler die längste Karawane gebildet hat, wofür es nochmals 10 Punkte gibt, bzw. fünf, wenn es mehrere Spieler mit den meisten Kamelen in einer Farbe gibt. 

 

Und wenn man jetzt den Spielplan betrachtet, voll von Kamelen, dann versteht man, warum die Kamelfarben derartig pastell-kitschig gewählt worden sind, denn erstaunlicher Weise verliert man trotz des Getümmels kaum den Überblick über die vielen verschiedenen Herden. Und dass das sehr wichtig für das Spiel ist, sollte nach obiger Beschreibung klar sein. Wer das spielerische Werk Reiner Knizias kennt, der findet in "Durch die Wüste" an allen Ecken und Enden seine Handschrift und diese ist nicht immer unbedingt leicht lesbar, will heißen, seine Spiele können (aus meiner Sicht) nicht immer das halten, was man sich davon verspricht.

 

In "Durch die Wüste" aber ist er wieder zu Bestform aufgelaufen. Für mich ist dies sein Spiel in diesem Jahr. Wenige Regeln, sehr schnell zu lernen, auch für 10jährige Kinder kein großes Problem. Natürlich handelt es sich um ein im Grunde abstraktes Spiel, aber das Thema passt sehr gut zum Spielgeschehen und auch die verschiedenen Regeln fügen sich harmonisch ein. Trotz dieser Schlichtheit an Regeln entwickelt sich sehr schnell ein Spiel mit erstaunlich vielen Möglichkeiten und taktischen Finessen, die man erst im Laufe einiger Partien auszuloten beginnt.

 

Wie bei vielen Knizia-Spielen steht man immer vor dem Dilemma, dass es so vieles zu tun gibt - da sind noch einige 3er-Wasserstellen, die man besetzen will, bevor einem jemand zuvorkommt, von der Oase da drüben droht man abgeschnitten zu werden, ein unfreundlicher Mitspieler will ein Gebiet einkreisen, was natürlich nicht passieren darf und die Mehrheit in Gelb schwindet auch dahin; und zu allem Überfluss sind nur noch zwei blaue Kamele verfügbar, das Ende naht also unnaufhaltsam - aber man nur zwei Kamele setzen darf.

 

Das Schönste an diesem Spiel ist aber, und das unterscheidet es von "Euphrat & Tigris", das formal durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit "Durch die Wüste" besitzt, dass der Faktor Glück keine Rolle spielt. Alles liegt in den Händen der Spieler.

 

Schon beim Einsetzen der Reiter kann sich vieles entscheiden. Es lohnt durchaus, in einen Bereich mit weniger punktebringenden Wasserstellen zu setzen, da hier die Chancen, ein Gebiet einschließen zu können, viel größer sind. Auch sollte man tunlichst darauf achten, nicht in die Nähe von farbgleichen Kamelen anderer Mitspieler zu setzen, da es zu massiven Ausbreitungsproblemen kommen kann. Und später dann, kein Ziehen der zu setzenden Kamele, man wählt frei aus, man tut das, was einem zu tun notwendig erscheint, aber es ist verdammt schwer, unter den vielen Möglichkeiten die richtige Entscheidung zu treffen.

 

"Durch die Wüste" gehört im Moment zu meinen Lieblingsspielen, das ich immer wieder gerne auf den Tisch bringe, denn es ist auch in seiner Spieldauer mit knapp 45 Minuten sehr moderat und eignet sich als Abschluss eines Spieleabends ausgezeichnet. Es kommt auch sehr gut bei Spielern an, die nicht unbedingt Taktikspiele favorisieren, was sicherlich auch dem schönen Spielmaterial zuzuschreiben ist.

 

Sicherlich, innovativ ist "Durch die Wüste" nicht gerade, wie einer meiner Mitspieler ein wenig ätzend bemerkte, aber das stört mich überhaupt nicht, denn hier werden bekannte Spielelemente in geschickter Weise zu einem hervorragenden Spiel verwoben, das uns noch lange Freude bereiten wird.