BLINDE JUSTIZ

 

BLINDE JUSTIZ

KLEE Edition, 3-10 Spieler

 

In einem Anfall von Selbstzerstörung habe ich mir nach GUINESS Spiel der Rekorde gleich noch ein Ratespiel zur Besprechung ausgesucht. Irgendwie schienen sie mir beide etwas verwandt, und deshalb hat mich die direkte Gegenüberstellung gereizt. Schon beim Öffnen der Schachtel schien sich mein Verdacht zu bestätigen. Wenn diese zwar etwas kleiner ausgefallen ist (man hat sich an das übliche Klee-Format gehalten), so sind doch gute 75 % mit Luft gefüllt. Auch hier hat man eine mehr oder weniger eindeutige Zielgruppe ins Visier genommen, nämlich die Liebhaber von Gerichtsverhandlungen, und das muß sicherlich auch eine ganz erkleckliche Anzahl sein wenn man bedenkt, daß ganze Fernsehserien wie L.A., Perry Mason, Old Bailey oder so berühmte Filme wie "Zeugin der Anklage" oder "Die 12 Geschworenen" sich nahezu ausschließlich mit den Plädoyers bzw mit den Vorgängen im Gericht befassen. Allerdings hat sich bei näherer Betrachtung doch der eine oder andere wesentliche Unterschied herausgestellt.

 

Aber zuerst zum Ablauf

Spielziel ist nicht, wie rnan zuerst vielleicht fälschlicherweise annehmen könnte die Gerechtigkeit sondern der schnöde Mammon. Wer zuerst 80.000 DM auf der hohen Kante hat, ist Sieger. Man sieht also deutlich dem wahren Leben abgeguckt.

Auf dem Spielplan sind zwei Rundläufe abgedruckt. Auf dem größeren geht es in erster Linie um eher einfache Fälle aus dem Amtsgericht oder Landesgericht, also eher mn dem österr. Bezirksgericht gleichzusetzen. In den kleineren Rundlauf, wo es um Bundesgerichtsfälle geht und auch um dementsprechend höhere

Geldforderungen - darf man erst, wenn man bereits 20.000 DM zusammengekratzt hat. Ja, ja wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Wie gesagt sehr lebensnah.

Man startet also mit 3000'DM vom Kanzleifeld des ersten Rundlaufes, und erhält auch beim jeweiligen erneuten Passieren dieses Feldes immer DM 3000. (DKT läßt grüßen) Positiv aufgefallen sind mir die Spielfiguren, denen wurde nämlich trotz zusätzlicher Kosten ein schwarzes Barrett aufgesetzt, damit sie besser die Anwälte darstellen, die sie ja verkörpern sollen. Zieht man nun auf eines der 12 folgenden Paragraphenfelder, wird eine entsprechende Karte gezogen (insgesamt stehen 195 Fälle zur Verfügung) und der entsprechende Prozeß vorgelesen. Es handelt sich durch die Bank um realistische und praxisbezogene Fälle. So stehen Bisse von Tieren, Verletzungen bei dienstlichen Tätigkeiten, Ehrabschneidungen usw. zur Diskussion. Jeder Fall beruht auf einer tatsächlichen Begebenheit.

 

Derjenige Spieler, der gerade an der Reihe ist, hat nun die Möglichkeit seine Schmerzensgeld bzw. Schadenersatzforderungen zu stellen. Als Hinweis dienen ihm auf der jeweiligen Karte Richtzahlen (z.B. DM 9000.-- bis DM 12.000.--), wobei er sich nicht daran halten muß und einfach bluffen kann, indem er DM 18.000.-- beantragt. Die restlichen Spieler(innen) stellen nun das Gericht dar und haben 2 Minuten Zeit zu beraten, ob und in welcher Höhe sie die Fordenung anerkennen. Falls keine Einigung eintrat wird das geringste Gebot (auch eine evenduelle Zurückweisung) als gegeben erachtet. Ist der Kläger mit dem Betrag einverstanden, erhält er diesen aus der Gerichtskasse, und es geht ohne nachzusehen weiter. Und da verlangt das Spiel Unmögliches.

Man muß sich vorstellen: Da sagt ein Bauer zu einem Studenten, der verboten erweise seine Wiese betreten hat, "kleiner Scheißer", worauf dieser angibt, seitdem an Schlafstörungen, Potenzschwäche und eklatanter Prüfungsangst zu leiden. Sie sprechen also ein Urteil und die Neugier frißt sie auf, wie nun tatsächlich der Prozeß ausgegangen ist. Spieler sind nun mal neugierige Menschen sonst würden sie sich nicht mit neuen Spielen befassen, sondern immer noch Domino, Halma oder Mikado spielen. Also wir haben immer nachgesehen, obwohl das nur vorgesehen wäre, wenn man in die Berufung geht. Das heißt falls man mit dem einem zugesprochenen Betrag nicht zufrieden oder einverstanden Ist kann man in die Berufung gehen. Man zahlt einen auf der Karte vermerkten Betrag und erhält dann erst das Recht im "Buch der gezahlten Beträge" nachzusehen ob einem Unrecht widerfahren ist. Ist der dort angeführte Betrag höher als einem die Spielrunde zugebilligt hat erhält man sowohl die Differenz als auch die Berufungskosten erstattet und darf auch gleich nochmals würfeln.

 

Die Regel wonach man nur bei Berufungszahlung nachsehen kann, hat allerdings schon eine gewisse Berechtigung, denn am Laufe des Spieles stellt sich doch ein gewisser Zusammenhang zwischen den vorgeschlagenen und tatsachlich gezahlten Entschädigungen heraus. Dadurch kann der Kläger doch einen Vorteil ableiten. In diesem Zusammenhang wäre auch wünschenswert gewesen wenn man im "Buch der gezahlten Beträge eine kurze Begründung des professionellen Urteils finden würde, anstatt der unkommentierten nackten Zahl. I

 

Relativ unnötig sind noch die Vergleichsfelder - Felder mit verschieden hohen Beträgen, auf denen man von einem beliebigen Mitspieler diese Summe einfordern kann. Dieser hat nun die Möglichkeit entweder freiwillig das Doppelte der angeführten Summe zu bezahlen oder sein Würfelglück zu versuchen. Bei 1, 3 oder 5 kommt er ungeschoren davon, bei 2 4 oder 6 wird der Betrag allerdinge multipliziert. Hier wurde künstlich versucht zusätzlich und meiner Meinung nach auch unnötig Interaktion zu schaffen.

 

Abschließend wäre zu sagen, daß im Vergleich zu GUINESS wo nur geraten werden kann hier sehr wohl ein gewisser Einfluß auf den Ausgang genommen werden kann. Allerdings sind redegewandte Mitspieler zweifellos im Vorteil ggenüber Partnern, denen eher das Sprichwort vom ''Schweigen ist Gold- naheliegt. Leute die von Natur aus immer glauben, die Klappe offen zu haben müssen, kommen erfahrungsgemäß zu höheren Beträgen (wie im richtigen Leben).

Damit wird das Spiel unter Umständen einsenig. Auch verfliegt der Reiz des Spiels sehr schnell. Ich würde es also nur dann empfehlen wenn sie sich selbst der anfangs erwähnten Zielgruppe zuordnen oder sich unbedingt einmal überzeugen wollen daß Madame Justitia fallweise nicht nur blind sondern auch taub und zusätzlich geistesgestört ist.

WIN-WERTUNG

Blinde Justiz D I U