London 1888 – Stadtteil whitechapel

Mr. Jack

The Return of Jack the Ripper   

 

In düsteren Gassen, beim Schein flackernder Gaslampen, schleicht Jack the Ripper durch das schmutzige Londoner Stadtviertel Whitechapel. Die Crème de la Crème der Detektive seiner Zeit macht Jagd auf den grausamsten Frauenmörder des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. Schon scheint sich das Netz endgültig zuzuziehen … doch wieder schlüpft der Mörder durch Polizeisperren, wieder bietet ihm ein verborgener Kanaldeckel einen letzten Ausweg vom Weg zum Galgen. Sherlock Holmes, John Watson, Inspektor Lestrade, Sir William Gull und wie sie alle heißen, die großen Detektive der alten Zeit, verzweifelt drohen sie auch diesmal an der Schläue und Verschlagenheit des Mordbuben zu scheitern. Wird es Ihnen besser ergehen? Nun, Ihr Gegenüber ist schon bereit, die Rolle von Jack the Ripper zu mimen. Lassen Sie ihn in dieser Nacht nicht nochmals entkommen!

Vorbereitung & Spielziel: „Wanted!“ – Die Ergreifung Mr. Jacks ist das erklärte Spielziel. Und dafür stehen acht Meisterdetektive in Form von Figurenscheiben bereit, die vorweg nach einem Grundschema auf dem Plan Whitechapels platziert werden. Vier davon befinden sich im Schatten, vier im Lichtkegel der acht Gaslaternen-Plättchen. Ein paar Kanaldeckel sowie zwei Polizeisperren, die das düstere Stadtviertel abriegeln, ergänzen das Bild. Acht Figurenkarten und acht Alibikarten liegen gemischt neben dem Stadtplan bereit. Zuletzt liegt eine Doppelkarte „Zeuge/Kein Zeuge“ auf. Einer der beiden Spieler übernimmt die Rolle Mr. Jacks, der andere schlüpft in die Haut des „Inspektors“. Mr. Jack darf durch Ziehen einer Alibikarte seine Identität – er verbirgt sich hinter einer der acht Figuren – geheim festlegen. Der Rundenzähler steht auf „1“ … die Jagd beginnt!   

Spielablauf & Spieltipps: In exakt acht Runden versucht der Inspektor den Mörder dingfest zu machen. Dabei stehen jeweils zweimal vier Figuren offen zur Wahl: Pro ungerader Runde (1-3-5-7) mit der Zugfolge Inspektor-Jack-Jack-Inspektor, pro gerader Runde (2-3-6-8) mit der Folge Jack-Inspektor-Inspektor-Jack. Piktogramme in der auf den Plan gedruckten Rundenzählerleiste zeigen diesen Ablauf deutlich an. Nach jeder Runde (also nach jeweils vier Karten) gibt es eine – kriminaltechnisch logisch begründete – Phase der Zeugenaussagen. Darunter darf man sich keine langen Befragungen vorstellen, sondern vielmehr eine schnelle Rückmeldung zur Position der acht Figurenkarten auf dem Plan. Die Zeugenkarte bleibt offen liegen, wenn sich nach der vollen Runde die vorweg geheim gewählte Figurenscheibe des Mr. Jack unter jenen Figuren befindet, die vom Lichtkegel einer Gaslaterne beschienen werden. Hierzu eine kurze Erläuterung: Im Lichtkegel steht jede Figur, die sich direkt neben einer Gaslaterne befindet, wie auch jede weitere Figur, die an eine im Licht befindliche angrenzt. Eine weitere Möglichkeit ist noch der Lichtkegel von Watsons Taschenlampe (dazu aber später). Hat sich dagegen Mr. Jack ins Dunkel der Gassen zurückgezogen, wird die Zeugenkarte auf die Seite „Kein Zeuge“ gedreht. Nur in diesen glücklichen Momenten hat Mr. Jack eine Chance, den Londoner Stadtteil Whitechapel durch einen der vier Ausgänge endgültig zu verlassen und damit das Spiel zu gewinnen. Nach jeder der ersten vier Nächte erlöscht zudem eine der durchnummerierten Gaslaternen. Der Rundenzähler rückt weiter … die Jagd beginnt aufs Neue … Das Spiel kann auf drei Arten enden: (1) Mr. Jack entflieht aus dem Stadtteil, (2) der Inspektor ergreift den Mörder (dies geschieht dadurch, dass eine der Figurenscheiben auf das Feld Mr. Jacks zieht und ihn korrekt anklagt) und (3) Mr. Jack kann bis zum Ende der achten Nacht nicht verhaftet werden. So viel zur Rohfassung des Ablaufs. Die Tücke liegt jedoch vielmehr in den unterschiedlichen Fähigkeiten der acht Figuren, die noch dazu nach bestimmten Vorgaben eingesetzt werden. Hier haben wir eine Palette klingender Namen: Sherlock Holmes, Privatdetektiv (darf sich die oberste Alibikarte ansehen), John H. Watson, Assistent von Holmes (mit Taschenlampe ausgestattet), John Smith, Gaslaternenmann (kann Gaslaternen verschieben), Inspektor Lestrade, Scotland Yard (versetzt Polizeisperren), Miss Stealthy, Frauenrechtlerin (kann jeden Teil Whitechapels überqueren, selbst die sonst gesperrten Gaslaternen- und Gebäudefelder), Sergeant Goodley, Polizist (holt Hilfe mit seiner Trillerpfeife), Sir William Gull, Leibarzt Ihrer Majestät (tauscht mit anderen Figuren den Platz) und zuletzt Jeremy Bert, Journalist (versetzt Kanaldeckel). Ständig ändert sich durch die Bewegung dieser Detektive das Stellungsbild: logische Rückschlüsse, ungewollte Kurzschlüsse, trickreiche Bluffs und bis zuletzt ein Gefühl der Hoffnung sind die Folge. Wird es reichen …? 

Kritik & Anmerkungen: Kaum zu glauben, dass ein Deduktionsspiel für Zwei so locker und spannungsgeladen rüber kommen kann. Bruno Cathala und Ludovic Maublanc ist es gelungen, die Nachdenkphasen in überschaubarem Rahmen zu halten und gleichzeitig das Gefühl zu vermitteln, alles unter Kontrolle zu haben. Wie der statistische  Bewertungsblock ausdrückt, ist Mr. Jack ein Deduktionsspiel mit hohem Glücksfaktor. Ein Widerspruch? Ja und nein, denn letztlich kommt es auf die subjektive Wahrnehmung an – und diese war bei meinen Spielpartnern schon wegen der elegant abgestimmten Spezialfähigkeiten der Figuren vom Gefühl der Logik bestimmt. Wurde man dann doch gefasst, blieb eben das „Pech“ ein willkommener Entschuldigungsgrund. Mr. Jack ist auch kurzweilig genug, um sofort eine Revanche mit getauschten Rollen zu erlauben. Und glauben Sie ja nicht, dass immer nur eine Seite gewinnt. Jede Partie läuft anders ab, dafür sorgt schon die gewaltige Zahl an Kombinationen beim Aufdecken der Figurenkarten. Ein Lob auch für die optische Umsetzung des Geschehens: Der Plan ist stimmungsvoll, die Figuren- und Alibikarten sind aus dickem Karton, griffig und außerdem schön gezeichnet, die Spielregel (auch in Englisch, Französisch und Holländisch) ist locker und leicht verständlich geschrieben, mit einer Extraseite für FAQ. Einziger Wermutstropfen: Der Farbrand der Alibikarten lässt ungewollte Rückschlüsse zu. Der Verlag hat allerdings mit einem Beiblatt eine Lösung aus dieser Misere anzubieten. Abschließend sei noch angemerkt, dass Mr. Jack auch als „Familienspiel“ (über die Generationen hinweg) überaus tauglich ist. Die Fähigkeit, Spannungserlebnisse zu verarbeiten, ist ja glücklicherweise nicht altersabhängig.  

Mein persönliches Fazit: Mr. Jack ist ein immens stimmiges Deduktionsspiel mit einer spannungsvollen nächtlichen Jagd durch die Straßen Whitechapels. Alle Spielelemente greifen elegant ineinander, der Spannungsbogen nimmt bis zum Ergreifen Jacks bzw. bis zur Flucht des Mörders ständig zu. Der geschickt konzipierte, abwechselnde Einsatz der Detektive (sprich: Figurenkarten) lässt kaum Langatmigkeit aufkommen, das langsame Erlöschen der Gaslaternen engt die Zahl der Verdächtigen mehr und mehr ein, und doch gelingt es Jack immer wieder, sich dem Arm der Gerechtigkeit zu entziehen. Vielleicht mag das Sujet einer Mörderjagd für ein Spiel ungewöhnlich erscheinen – hier wurde dieses Thema jedenfalls in geradezu unnachahmlicher Art aufs Spielbrett gezaubert.    

        

Hugo Kastner

Eine dramatische, nächtliche Jagd auf Jack the Ripper scheint die Schlinge eng und enger um den Hals des Frauenmörders zu ziehen. … Doch Stunde um Stunde verrinnt, die Lampen werfen spärliches, schwächer werdendes Licht auf die engen Gassen, und Jack the Ripper läuft noch immer frei herum. Verzweifelt greifen die acht Meisterdetektive nach dem Rock des Mörders … Noch aber öffnet sich ein allerletzter Kanaldeckel …

 

ÜBERBLICK

Autor:                  Bruno Cathala/Ludovic Maublanc

Vertrieb:              Fachhandel

Preis:                            ca. 30 Euro

Verlag:                Hurrican 2006

Spieler:               2

Alter:                           9+

Dauer:                 30

 

BEWERTUNG

Genre:                 Detektivspiel 

Zielgruppe:                   Zweierspiel

Mechanismus:     Deduktion

Strategie:            ●●○○○○○

Taktik:                ●●●●●○○

Glück:                  ●●●●○○○

Interaktion:                  ●●●●●●●

Kommunikation: ●●●○○○

Atmosphäre:       ●●●●●●○            

Kommentar:

Exquisite Ausstattung

Stimmige Atmosphäre

Knisternde Spannung

Unterschiedliche Charaktere

Die fünf grässlichen Morde eines Jack the Ripper im Londoner Stadtteil Whitechapel haben nicht nur in der Kriminalgeschichte sondern auch im Bewusstsein der Massen seit mehr als einhundert Jahren einen tiefen psychologischen Nachhall bewirkt. Heute können Sie mit einem wohligen Prickeln die Jagd nach dem Mörder am Wohnzimmertisch nachvollziehen. Mr. Jack mag nur für zwei Spieler konzipiert sein, dennoch tummelt sich ein weites Feld an charakterstarken Detektiven in den düsteren Gassen Whitechapels. Wenn Sie Spielen wie Incognito oder Cluedo  etwas abgewinnen können, dann sofort auf ins London des Jahres 1888!               

    

Hugo.Kastner@spielen.at