Prinz gegen Drache

 

Beowulf – Das Spiel zum Film

 

Oder: Auf Heller und Pfennig einmal anders

 

Beowulf war ein getischer Prinz, der in seiner Jugend den Hof Heorod des Dänenkönigs Hrothgar vor dem Ungeheuer Grendel und vor dessen Mutter (an sich nur verbiesterte Nachbarn, die das ständige Saufen und Grölen der Dänen nicht mehr ertragen konnten) rettete. Danach und auch deswegen wurde er in seiner Heimat Getland (Südschweden) König, und die folgenden vierzig Winter passierte offenbar gar nix. Durch den Diebstahl eines Goldpokals verärgert, fiel dann ein Drache über Getland her, und der alte Beowulf trat ihm, nur unterstützt von einem Schildhalter, im Zweikampf entgegen. Drache und Herrscher sterben, doch der Knappe berichtet vom Heldentod und sorgt für ein anständiges Begräbnis des Königs zusammen mit dem (verfluchten) Drachenschatz.

Reiner Knizia ist ein deutscher Spieleautor, der seit seiner Jugend unsere Freizeit immer wieder mit schönen Spielen bereichert hat. Auf seiner Homepage verweist er auf über 400 Produkte, BoardGameGeek listet immerhin noch 254 unterschiedliche Spiele auf. Darunter befinden sich auch so bekannte Exemplare wie „Medici“, „Euphrat & Tigris“, „Lost Cities“, „Blue Moon“ oder „Auf Heller und Pfennig“. Dem Vernehmen nach hat sich Reiner Knizia nie eines Vergehens gegen seltene, vom Aussterben bedrohte Reptilienarten schuldig gemacht. Warum er sich aber nach dem eher schwachen epischen Abenteuerspiel „Beowulf: Die Legende“ (Kosmos 2005, jetzt neu aufgelegt) erneut der Geschichte des Getenfürsten widmet, bleibt unverständlich.

 

Das System von „Beowulf: Das Spiel zum Film“ gleicht dem von „Auf Heller und Pfennig“ (Hans im Glück 1994), und selbst davon kam unter dem Titel „Kingdoms“ 2002 eine englischsprachige, leicht bearbeitete Version beim Verlag Fantasy Flight Games heraus. Versuchte man in der sehr hübschen wenn auch leicht biederen deutschen Ausgabe noch, durch gute Platzierung eigener Standeln oder durch abschreckende Maßnahmen gegen die Konkurrenz auf einem Markt die kaufkräftigsten Kunden anzulocken, schlich sich in Kingdoms bereits der Größenwahn ein. Hier galt es, den größten Reichtum durch die besten Lehen zu erwirtschaften. Man setzte die Schlösser und Burgen in die reichsten Landschaften, und hatte Ernteausfälle, wenn der missgünstige Baron von nebenan einen Troll auf Besuch vorbeischickte. Nun also soll man der bekanntesten Sage des altenglischen Epenkreises nacheifern, nichts weniger als ein Held werden.

 

Das Spielprinzip ist dasselbe geblieben. Die Mitspieler verfügen über verschiedenwertige Spielfiguren (4 zum Wert 1, 3 mit dem Wert 2, 2 zu 3 und 1 mit dem Wert 4), die Partie geht über drei Runden, und die Spielerinnen und Spieler ziehen entweder eine Spielmarke (bei einem Handvorrat von 2 Marken) und setzen diese, oder stellen eine Spielfigur auf das gerasterte Spielfeld. Nur wer Figuren platziert, kann am Ende der Runde Siegpunkte verdienen (oder verlieren), die Figuren mit dem Wert 1 erhält man nach der Abrechnung zurück, die höherwertigen werden aus dem laufenden Spiel genommen. Es gibt Marken, die Punkte bringen, Marken die Punkte kosten, und Sondermarken mit verschiedenen Funktionen wie Teilung des Spielfeldes, Vervielfachung der Werte (positiv wie negativ), oder ähnliches. Eine Runde endet jeweils, wenn kein freier Platz mehr auf dem Spielplan zur Verfügung steht, dann folgt die Wertung (Multiplizieren, Subtrahieren und Addieren der Reihen und Spalten). Nach der dritten Runde ist Sieger, wer die meisten Punkte gemacht hat, bei Gleichstand gewinnt, wer die höherwertigen Figuren zurückbehalten hat, oder man feiert einen gemeinschaftlichen Sieg bei einem Humpen Met oder Honigmilch, ganz nach Disposition.

 

Es gibt durchaus Änderungen gegenüber den Vorgängerspielen. Der Spielplan teilt sich nun auf drei Rasterfelder in unterschiedlicher Form (quadratisch, eingedellt quadratisch und zick-zack), und für jede Runde werden andere Spielmarken ausgegeben, wobei man die beiden Marken aus dem eigenen Vorrat in die folgenden Runden mitnehmen kann, sollten strategische Überlegungen dies günstig erscheinen lassen. Diese hinterher wieder richtig einzuordnen fällt nicht schwer, jede Rundenmarkengruppe verfügt über eine andersfarbige Rückseite und Rahmung. Die Sondermarken haben teilweise andere Funktionen, die mit hochtrabenden Titeln versehen durchaus mehr Abwechslung ins Spiel bringen. Marken können nun getauscht, Spielfiguren verschoben werden. Eine Erweiterung der taktischen Varianten ist nicht zu leugnen und in der Tat zu begrüßen, da auch in jeder Runde eine unterschiedliche Zusammensetzung der Marken geplant ist.

 

Die Ausstattung des Spieles wirkt, man kann es nicht anders nennen, düster. Selbst die Spielerfarben bewegen sich im Spektrum dunkelgrün, ocker, violett und mittelgrau, die Figuren stellen (in aufsteigender Wertigkeit) Drachenboote, finstere Festungen, speerbewehrte Krieger und schwertschwingende Anführer dar. Der Spielplan zeigt, in der Reihenfolge der „Kapitel“ genannten Runden, die spärlich beleuchtete Festhalle Hrothgars, die Schatzhöhle der Familie Grendel (und einen goldenen Grottenolm, warum auch immer – das muss etwas mit dem Film zu tun haben) sowie eine brennende Felsenfestung auf sturmumtoster Klippe. Die Spielmarken bilden neben Zahlenwerten und Funktionssymbolen (Metkrug, Berge, Drachenkopf und dergleichen) Szenen und Wesen aus dem computeranimierten Spielfilm „Beowulf“ (2007, Regie Robert Zemeckis, nach der graphischen Romanvorlage von Neil Gaiman, die mit der frühmittelalterlichen Beowulfsaga nur mehr am Rande zu tun hat) ab – eben das Spiel zum Film!

Das achtseitige Regelheft ist klar und übersichtlich aufgebaut, wie man es vom Doktor der Mathematik Knizia schon eher erwarten darf, die Regeln sind widerspruchsfrei und nicht schwer zu erlernen (vor allem, wenn der Spielmechanismus ohnedies seit Jahren bekannt ist), enthalten tendenziell zu viele gut gemeinte Beispiele aus dem Spielgeschehen (macht nix) und allerlei Brimborium über Bänkelsänger und Drachentöter.

Ziemlich ärgerlich ruft dies so die Themenverfehlung in Erinnerung. Weder mit dem Film, noch gar mit dem alten Heldenlied hat das Spielprinzip auch nur das geringste zu tun. So drängt sich der Gedanke auf, dass von den amerikanischen Lizenzgebern eilig ein Spiel zum Film in Auftrag gegeben wurde, und zwar eines, das als deutsches Spiel durchgeht – in Übersee verweist dies mittlerweile weniger auf die geographische Herkunft als auf den Mechanismus eines Spieles, die ausgearbeiteten Regeln und so weiter –, und Fantasy Flight Games sich möglicherweise die Chance auf das Aufspringen auf einen Zug mit bekannten Namen (Beowulf & Knizia) nicht entgehen lassen wollten. Reiner Knizia hätte das Angebot besser nicht annehmen sollen, denn während sich der Aufbau von „Beowulf“ doch zu sehr von „Auf Heller und Pfennig“ entfernt hat (drei verschieden geformte Marktplätze? Lächerlich!), macht das Spiel als Fortsetzung oder Ausbau von „Kingdoms“ eine weitaus bessere Figur. Das aufgesetzt wirkende Versprechen, „Nur ein Skalde, der die Spannung und Tragik dieses Epos zu vermitteln mag [lies: vermag; Anm. MMMLSt], darf auf ewigen Ruhm hoffen.“ [Regelheft, Seite 1], erfüllt sich nicht, denn abgerechnet wird in Münzen, auch wenn sie zehnmal Sagen-Punkte genannt werden wollen; und erzählt wird beim Spiel gar nix, der Konkurrenz werden im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg gelegt und Drachen in die Hütte geschickt, während man selbst am liebsten hinter hohen Bergen und tiefen Schluchten seine Schätze vermehrt oder seinen Met bechert.

 

Martina & Martin Lhotzky

Marcus Steinwender

 

Spieler         : 2 bis 4

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer          : ca. 60 Minuten

 

Autor           : Jeff Tidball, Reiner Knizia

Grafik          : Kevin Childress

Vertrieb        : Heidelberger Spieleverlag

Preis            : ca. € 25 ,00

Verlag          : Heidelberger Spieleverlag

                    www.heidelberger-spieleverlag.de

 

Genre          : Fantasyspiel

Zielgruppe    : Freunde

Mechanismus: Plättchen legen, Multiplikatoren setzen, Rundenwertung

 

Strategie:               *****

Taktik:                  ******       

Glück:                   **** 

Interaktion:            *****

Kommunikation:     ****           

Atmosphäre:          **     

 

Kommentar:

Thema aufgesetzt

Gute klar strukturierte Regeln

Viel Taktik

Eher weniger Atmosphäre

 

Vergleichbar:

Auf Heller und Pfennig, Kingdoms

 

Martina, Martin und Marcus:

Obwohl eindeutig Etikettenschwindel betrieben wird, ist „Beowulf – das Spiel zum Film“ wenigstens ein funktionierendes taktisches Legespiel und durchaus eine spannende Variation von „Kingdoms“. Die aufgepfropfte Thematik verärgert dennoch.