Rezension

 

Holzklasse bis Luxuswagon

 

First Class

 

Russian Railroads light

 

Man nehme ein erfolgreiches Brettspiel und mache daraus ein Kartenspiel. Thematisch ist das zumeist sehr einfach, es können sogar viele Grafiken recycelt werden. Auch die Namensfindung ist schnell abgeschlossen: XYZ, das Kartenspiel. Soweit so einfach, soweit so billig, kein Wunder, dass dieses Prinzip in den letzten Jahren oft angewandt wurde. Es sei angemerkt, dass selbiges auch oft für Würfelspiele probiert wurde. Die Qualität der Umsetzungen ist denkbar unterschiedlich ausgefallen, denn ein Problem muss jeder Autor/Verlag überwinden, wenn ein Spiel in Karten umsetzen werden soll. Ein gutes Spiel zeichnet sich im Allgemeinen durch einen guten Mechanismus aus. Dieser muss in Karten nahezu gleichwertig umgesetzt werden wie am Brett. Eine Herausforderung an der viele gescheitert sind. Es gibt aber auch sehr gelungene Adaptionen.

 

Nun ist First Class kein klassisches Kartenspiel. Die Schachtel ist großformatig, was sich auch im Preis niederschlägt, und neben vielen Karten sind auch einige Kartonteile und Holzspielsteine vorhanden. Dennoch lässt mich das Gefühl nicht los, dass First Class das Ergebnis des Versuchs ist, das sehr geniale und vielfach ausgezeichnete Russian Railroads in ein Kartenspiel umzuwandeln. Einige Anzeichen sind vorhanden: der Verlag ist gleich (Hans im Glück), wenn auch als Autor nur noch Helmut Ohley statt Helmut Ohley und Leonhard Orgler angeführt ist, thematisch bleiben wir der Eisenbahn treu, beide Spiele sind aber keine klassischen Eisenbahnspiele in denen Städte verbunden oder Güter transportiert werden.

 

In den Details ergeben sich dann doch einige Unterschiede. Statt verschiedener Bahnlinien und Industrien bei Russian Railroads, bauen wir bei First Class nur an einer einzigen Bahnlinie, selbst das ist sehr simpel ausgefallen und basteln dafür an der Ausstattung unserer Züge. Wir hängen Wagons an unsere zwei Züge und werten diese nach und nach auf, bis aus wertlosen Pritschenwagen luxuriös ausgestatte Passagierkutschen werden. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass die Schaffner durch alle Wagons gehen, denn wenn die Herrschaften nicht zahlen gibt es auch keine Punkte.

 

Der Grundmechanismus ist sehr einfach. Es werden sechs Runden gespielt. Nach je zwei Runden wird gewertet. In jeder Runde werden 18 Karten ausgelegt. Reihum wählen die Spieler nun je eine Karte aus dieser Auslage und führen die darauf angeführten Aktionen durch, bis jeder Spieler drei Karten gewählt hat. Die gewählten Karten nehmen die Spieler stets zu sich und sind somit für die Mitspieler nicht mehr verfügbar. Die Karten erlauben uns, auf unterschiedliche Arten und Weisen unsere Züge und Strecken auszubauen. Für Abwechslung ist dadurch gesorgt, dass zu Beginn jeder Partie zwei Decks ausgewählt werden müssen. Jedes Deck beinhaltet eine feste Zusammenstellung von Karten die mit Standardkarten zusammengemischt werden und so die Grundlage bieten, aus der jede Runde die 18 Karten gezogen werden. Diese Decks haben jeweils ein Thema und spielen sich durchaus unterschiedlich. Natürlich besteht hier auch eine einfache Möglichkeit das Spiel durch Erweiterungen in Zukunft noch weiter auszubauen.

 

Wie genau die vielen verschiedenen Karten unsere Züge beeinflussen, würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Daher sei nur allgemein angeführt, dass sie vielfältige Manipulationen zulassen und so aus einem einfachen Grundmechanismus ein nicht mehr ganz einfaches Spiel machen. Hochkomplex wird es dabei aber nicht.

First Class ist also deutlich einfacher als der klar für Experten entwickelte große Bruder Russian Railroads und spielt sich auch deutlich flotter.

Wie von Hans im Glück gewohnt, befinden sich grafische Gestaltung (von Michael Menzel), Spielanleitung und Spielmaterial auf dem aktuellen Stand der Brettspieltechnik und lassen somit keine Wünsche oder Fragen offen.

 

Markus Wawra

 

Spieler: 2-4

Alter: 10+

Dauer: 80+

Autor: Helmut Ohley

Grafiker: Michael Menzel

Preis: ca. 38 Euro

Verlag: Hans im Glück Verlag 2016

Web: www.hans-im-glueck.de

Genre: Karten draften, sammeln

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de en es nl

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Einfacher Grundmechanismus

Viele Möglichkeiten durch verschiedene Karten

Sehr gute Spielregel

Ansprechendes Spielmaterial

 

Vergleichbar:

Russian Railroads, Müll & Money

 

Andere Ausgaben:

999 Games (nl), Devir (es), Z-Man (en)

 

Meine Einschätzung: 4

 

Markus Wawra:

Ich persönlich bin ein großer Fan von Russian Railroads. Folglich war ich auch auf First Class sehr gespannt und hatte mir sehr viel erwartet. Die Latte lag also sehr hoch. Die Hoffnung, dass First Class mit dem großen Bruder mithalten kann, wurde nicht ganz erfüllt. Dazu bietet First Class zu wenig Tiefgang. Für mich Vielspieler bleibt First Class somit nur zweite Wahl. Sicher kein schlechtes Spiel, aber aktuell „nur“ guter Durchschnitt. Mit Potential nach oben falls der Verlag noch geniale Erweiterungen nachschiebt.

 

Zufall (rosa): 2

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 1

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0