Unsere Rezension

 

Unterwegs zwischen Spielen

 

ESSEN THE GAME

 

Spiel 13

 

Das berühmte „ El Dorado“ liegt angeblich - einer kolumbianischen Legende des 16. Jahrhunderts nach - im Norden Südamerikas. Allein in vier Staaten, nämlich in Argentinien,, Kolumbien, Peru und Venezuela gibt es Städte mit diesem Namen. Doch bis dato ist es niemandem gelungen das echte sagenhafte Goldland zu finden.

Für uns Spieler liegt allerdings das „El Dorado“ zwar auch im Norden, aber im Norden Deutschlands nämlich in Essen. Im Gegensatz zu den Konquistadoren der Renaissance, die hofften reich mit Gold beladen zurück zu kommen, lassen wir eine erhebliche Menge Gold – sprich Euros - dort um jedes Jahr mit virtuellem Edelmetall – und zwar mit den neuesten Spielen – zurückzukehren. Jährlich im Oktober pilgern an die 160.000 Interessenten aus aller Herren Länder in die Ruhrmetropole um von rund 900 Ausstellern aus über 1000 Spielen die für sie wertvollsten Juwelen zu erstehen. Für alle jene, welche die dort einzigartige Stimmung in Form eines Spiels erleben wollen bzw. auch für alle diejenigen die noch nie die Reise auf sich genommen haben und die das Feuer dieser Messe wenigstens annähernd am Spielbrett fühlen wollen, haben die Autoren Etienne Espreman, Frederic Delporte und Fabrice Beghin dieses Spiel erschaffen. Von den Autoren weiß ich nicht viel. Etienne Espreman hat am Design von „Bruxelles 1892“ mitgearbeitet. Von Delporte und Beghin war mir bis dato nichts bekannt. Genauso wenig vom Verlag Geek Attitude Games.

 

2013 wurde die „SPIEL“ von den Hallen 4 -12 in die 48.000 große Fläche der Hallen 1 -3 umgesiedelt und zu diesem Zeitpunkt startet auch das Spiel. Bereits am Cover sieht man die üblichen Massen vor dem Messeeingang. Auch wurden etliche bekannte Größen der Branche abgebildet. Wie gut ist es nun den Autoren gelungen das Messefeeling einzufangen?

 

Beginnen wir mit dem relativ großen Spielplan. Die Umrisse der angeführten Hallen sind maßstabsgetreu abgebildet. Die Stände sind auf eine bewältigbare Menge von 60 Stück reduziert worden. Sie sind auf 5 Farben aufgeteilt. Dies dient den Regeln im Spielverlauf. Unter ihnen sind die bekanntesten Verlage vertreten und gekennzeichnet. Vor den 2 gezeichneten Eingängen und dem Parkplatz tummeln sich bereits eine Anzahl von Personen die eine entsprechende Besucherfrequenz andeuten sollen. Auch Galerie und Freigelände sind wie in der Wirklichkeit vorhanden. Die restlichen Abbildungen dienen dem Spielablauf. Hier finden sich Lager, Hubwagen, die Auslage der Wunschlistenkarten, Platzierung der Nachziehstapel und diverse Wertungsleisten auf die ich noch im Zuge des Spielablaufs zurück komme.

 

Zu Beginn der sieben Runden dauernden Partie erhält jeder Spieler 300 Euro Kapital für den Einkauf seiner Spiele. (Das würde ich mir auch in der Realität wünschen – es würde meinem Konto in der Oktoberabrechnung gut tun.) Man beginnt mit seiner Figur am Parkplatz und legt einen Aktionsmarker auf seine persönliche Leiste am Spielplan. Außerdem wird ein Marker auf der Siegpunktleiste platziert. Vier Arten von Spielen gibt es zu erwerben. Diese Kategorien werden durch Meeple, Würfel, Karten und Sanduhr dargestellt und auf einer Skala am Plan mit Beliebheitsmarkern versehen. Sie variieren im Spielverlauf und ergeben unterschiedliche Zusatzpunkte. Zwei Gedrängemarker sollen im Ablauf die real durchaus üblichen Personenmassen veranschaulichen. Von den 60 Wunschlistenkarten werden zu Beginn sieben pro Spieler vergeben. In Form von Drafting wählt nun jeder eine Karte aus und gibt die restlichen im Uhrzeigersinn weiter. Das wird wiederholt bis jeder vier Wunschkarten auf der Hand hält. Die restlichen werden am Spielplan auf dem dafür vorgesehenen Platz offen ausgelegt. Sie sind im Gegensatz zu den persönlichen die allgemeine Wunschliste. Außerdem gibt es Ranglistenkarten. 9 für Vormittagseinkäufe sowie die gleiche Anzahl für nachmittags. Einzeln gemischt kommen jeweils drei pro Spiel zum Tragen. Von den 60 Spielplättchen welche mit den Ständen korrelieren werden 5 Stapel zu je sechs Plättchen gebildet und verdeckt quasi auf Lager gelegt. Von den restlichen kommen 6 offen auf sogenannte Hubwagenfelder. Neben diesen Feldern stehen Ziffern welche einerseits die Beliebtheitsskala der jeweiligen Spielkategorie beeinflussen und andererseits auch Spiele zum Verkaufsschlager (Bonus +3)oder zum Flopp (-3) verurteilen oder sogar mit einer „sold out“ Markierung versehen was den Erwerb ohne Vorbestellung unmöglich macht.

 

Außerdem werden zwei Spiele gekennzeichnet die neben dem Fragezeichen zu liegen kamen. Ihre farbliche Zuordnung bestimmt die Platzierung der Gedrängemarker. In diesen Gebieten wird die Bewegung erschwert, dann kostet nämlich jeder Zug zwei statt einen Aktionspunkt. Die verbliebenen 24 Spielplättchen liegen offen auf den passenden Standflächen, welche wie erwähnt in 5 Farben gegliedert sind was die Zuordnung erleichtert. Zuletzt gibt es noch Marker „Letzte Runde“ die das Spielende unterschiedlich gestalten. Eine Karte wird ausgewählt und bringt Boni für eine bestimmte Spielkategorie oder bietet einen Schnäppchenrabatt für alle am Schluss zu erstehenden Käufe. Nach der doch ziemlich umfangreichen Spielvorbereitung geht es endlich zum Spiel selbst.

Acht Aktionspunkte stehen jedem Spieler zu Beginn für fünf Möglichkeiten zur Verfügung. Das ist erstens für die Bewegung die horizontal, vertikal oder diagonal auf das nächste Feld erfolgt und jeweils einen Punkt kostet. Zweitens zum Kauf eines Spiels. Dazu möchte ich die Plättchen welche die Spiele darstellen beschreiben. Links oben steht der jeweilige Preis. Rechts die Zuordnung am Spielplan in Form von Koordinaten. Links unten der spieleigene Bonus und rechts unten die Zuordnung der Kategorie die auf der Beliebtheitsskala Punkte bringt. Käufe kosten keine Aktionspunkte aber sie verringern die Anzahl der zukünftigen Aktionspunkte da sie auf der Aktions-Leiste platziert werden. Es sind maximal 6 Spiele auf einmal zu erwerben.

 

Die dritte Variante ist ein Spiel zu testen. Das kostet einen Punkt. Dafür zieht man zwei Karten vom verdeckten Wunschkartenstapel und nimmt eine davon auf die Hand. Gelingt der Erwerb dieses Spiels gibt bei Spielende Zusatzpunkte. Viertens das Auto beladen. Dazu hat jeder Spieler vor sich eine Leiste unterteilt in die vier Spielkategorien. Sie stellt den Kofferraum dar. Dazu muss die Spielfigur zum Parkplatz (Bewegungspunkte!) Man nimmt dann seine erworbenen Spiele von der Aktionsleiste und erhält dadurch wieder mehr Bewegungsfreiheit. Das Verstauen selbst kostet nichts. Schließlich kann man fünftens Geld abheben. Das ist ebenfalls außerhalb der Hallen (wie in Wirklichkeit) am Parkplatz möglich. Dazu darf ich meine persönliche Kritik einbringen, dass es trotz jahrelanger negativer Erfahrung nicht möglich bis jetzt nicht möglich war in Essen einen 2. Bankomat bei der Messe zu installieren. Wer so wie ich lange Zeit im Regen in der Warteschlange gestanden ist wird mir beipflichten. Das Abheben kostet ebenso wie das Auto beladen keinen A-Punkt, jedoch 2 Siegpunkte pro 50 €. Zusätzliche Aktionspunkte kann man im Freigelände zwischen den Hallen erwerben indem man sich für 20 € stärkt. Das kann sehr wichtig sein um noch rechtzeitig Bewegungspunkte zu erhalten um den Parkplatz zu erreichen.

 

Nach der 4. Runde erfolgt eine Zwischenwertung. Jetzt wird verglichen ob die Ranglistenkarten des Vormittags erreicht wurden und die entsprechenden Siegpunkte werden vergeben. Die Vormittagskarten werden durch das Nachmittagspendant ersetzt und es geht in die letzten 3 Runden.

Das Spiel lebt von der Problematik seine zu Beginn ausgewählten Spiele zu erwerben unter der Berücksichtigung der Beliebtheitsskala und der Ranglistenkarten. Dabei muss man mit seinem Geld auskommen aber vor allem rechtzeitig zum Auto zu gelangen.

Kommen wir zum Ende. Neben der Wertung der Nachmittagskarten werden noch die erworbenen Wunschlistenkarten jedes einzelnen gezählt und gemäß einer Tabelle mit 5 bis 30 Siegpunkten honoriert. Schaffen es die Spieler zu Spielende rechtzeitig den Parkplatz zu erreichen so erhalten die ersten beiden einen Bonus für frühzeitige Abreise in Form von sechs oder drei Siegpunkten.

 

Den Autoren ist es gelungen wesentliche Details des Messebesuchs in das Spiel ein zu fügen. Das beginnt mit den Gedrängemarkern die das Weiterkommen erschweren, mit dem Bankomaten außerhalb der Hallen, der begrenzten Stückzahl beim Tragen, die ein Umladen in den Kofferraum erfordert und nicht zuletzt bei den Wunschspielen . War es in den Anfangszeiten der Messe, dass man wie ein Vorschulkind vor Weihnachten aufgeregt der Messe entgegen fieberte und dann begeistert vor der Fülle des damals noch überschaubaren Angebots staunend stand. So ist es heute so , dass man über das Internet ausreichend informiert anreist und gezielt die eigenen Pläne umsetzt. Ich will nicht in den Fehler verfallen, dass früher alles besser war – es war halt anders und ich bedaure das ein wenig. Die Überraschung die mich seinerzeit umfing ist verloren gegangen und sie fehlt mir etwas.

 

Alles in allem wurde das angestrebte Ziel einer „Hommage“ an die „SPIEL „ ausgezeichnet wahrgenommen. Daher empfehle ich allen, sowohl den „Essianern“ als auch den Daheimgebliebenen sich einmal auf das Messegeschehen der „Spiel 13 „ einzulassen.

Einen Kritikpunkt allerdings gibt es. Mir fehlt eine Lösung im Spielablauf für den Fall, dass man sich verrechnet und übersehen hat, dass man zu wenig Bewegungspunkte für den Rückweg zum Parkplatz hat. Das ist vor allem ein Problem, wenn man sich weiter rückwärts in der Halle aufhält und bereits ein oder zwei Spiele erworben hat. Schließlich kann man im „worst case“ (1 zusätzlicher Gedrängemarker im Eingangsbereich) vom Freigelände aus 5 Bewegungspunkte benötigen und kann den rettenden Kofferraum nicht mehr erreichen. Das würde ein frühzeitiges Ausscheiden wegen Bewegungsunfähigkeit bedeuten. Für dieses Manko sollte sich eine Spielrunde eine Hausregel zurecht legen.

 

Rudolf Ammer

 

Spieler: 2-5

Alter: 10+

Dauer: 75+

Autor: Etienne Espreman, Frédéric Delporte, Fabrice Beghin

Grafiker: Cyrille Breuil

Preis: ca. 45 Euro

Verlag: Geek Attitude Games 2014

Web: www.geekattitudegames.com

Genre: Set sammeln, Aktionspunkte

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: multi

Regeln: de en fr nl

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Gelungene Simulation

Tolles Spielmaterial

Liebevolle Gestaltung

 

Vergleichbar:

Essen, Ludicréations, für das Thema, ansonsten Set-Sammelspiele mit Aktions-Management

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 6

 

Rudolf Ammer:

Eine gelungene Hommage und eine ebenso gelungene Simulation der SPIEL, die Lust macht, das Spiel und die SPIEL kennenzulernen.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0