UNSERE REZENSION

 

REISE DURCH JAPAN

 

TOKAIDO

 

Ryokans, Holzschnitte und Schriftzeichen

 

Der Tokaido, übersetzt östlicher Seeweg, war einer der wichtigsten Post- und Handelsstraßen des alten Japans. In der Edo Zeit (1603-1867) verband sie den Regierungssitz in Edo (heute Tokio) mit der kaiserlichen Hauptstadt in Kyoto.

 

Die Übersetzung ist ein wenig irreführend, denn diese wichtige Handelsstraße ging nur über Land, entlang der östlichen Küste Japans. Auf ihr waren 53 Stationen gebaut worden, sogenannte Shukuba (Poststationen). Heute ist der Verlauf des Tokaido der meistbefahrene Verkehrsweg in Japan. Er verbindet Tokio, Kyoto, Nagoya und Osaka.

 

Aus künstlerischer Sicht muss man den Holzschnittzyklus von Utagawa (Ando) Hiroshige erwähnen, die 53 Stationen des Tokaido. Der Autor hat den Künstler als Figur im Spiel verewigt. Der Zyklus stellt in wundervoller Feinarbeit das Leben und die Geschehnisse dieses Handelsweges dar. Die Farbgestaltung ist eine Augenweide und jeder Interessierte kann sich darüber im Internet informieren. Aber genug der Schwärmereien für japanische Kunst, wenden wir uns dem Spiel zu.

 

Eine quadratische weiße Schachtel mit farbenprächtiger Grafik, die aber nicht aufdringlich wirkt, so präsentiert sich die Verpackung. Beim Öffnen der Schachtel erkennt man sofort das es dem Grafiker Xavier Gueniffey Durin, Naiade ist sein Künstlername, wichtig war diese Farbenvielfalt im japanischen Stil beizubehalten ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen oder das Spiel zu beeinflussen.

 

Der längliche Spielplan zeigt den Handelsweg mit Gasthäusern, Dörfern, Tempel, heiße Quellen und vielen anderen Orten, wo man während einer Reise verweilen kann, um Kultur und Land zu genießen. Im ersten der fünf Gasthäuser nehmen die Spieler ihre Startposition ein.

 

Die Reihenfolge, wie die Spieler zum Zug kommen, ist einfach gelöst. Im Spiel ist immer der Spieler an der Reihe dessen Figur am weitesten hinten steht oder wie die Regel formuliert, am weitesten vom Zielort entfernt ist. In den Gasthäusern kommt derjenige als Erster dran, der am weitesten von der Straße entfernt steht.

 

Jeder Spieler zieht zwei der zehn Reisende-Plättchen, wählt eines davon aus und stellt in diesem Spiel diesen Charakter dar und kann dessen Vorzüge genießen. Der Reisende sagt auch aus, mit wie vielen Geldstücken der Spieler beginnt. Die Spieler ziehen nun in Richtung des nächsten Gasthauses und wählen dabei die zu besuchenden Orte.

 

Im Dorf kauft man Andenken und versucht damit Sets mit bis zu 4 verschiedenen Symbolen zu bilden. Man zieht 3 Karten und kauft 1-3 dieser Karten. Mit den zusammengestellten Sets bekommt man für 1/2/3/4 verschiedene Karten 1+3+5+7 Punkte. Am Bauernhof erhält der Spieler 3 Münzen aus dem Vorrat.

 

Von den Panoramafeldern gibt es drei verschiedene Motive. Die Motive bestehen aus 3, 4 oder 5 Abschnitten. Die einzelnen Abschnitte bringen Punkte die man gutgeschrieben bekommt. In den heißen Quellen angekommen zieht man eine Karte verdeckt und bekommt 2 oder 3 Punkte gutgeschrieben.

 

Auf den Begegnungsfeldern bekommt man eine Begegnungskarte und trifft so eine Person im Spiel die dem Spieler einen einmaligen Vorteil verschafft. Man kann Punkte, Geld, Panoramakarten bzw. Andenken erhalten oder bekommt Geld für den Tempel.

 

Auf dem Tempelfeld darf der Spieler Goldmünzen an den Tempel spenden. Für jede Münze bekommt er einen Punkt. Die gespendeten Münzen werden im Tempel auf den Feld aufbewahrt welches die Farbe des Spielers trägt.

 

Der erste Spieler, der das nächste Gasthaus betritt, nimmt den Platz ein, welcher der Straße am nächsten liegt. Die anderen Spieler bekommen die folgenden Plätze. Der erste Spieler nimmt um eine Mahlzeit mehr auf die Hand als Spieler teilnehmen und wählt eine davon aus und bezahlt den Preis. Die Mahlzeit-Karten legt er verdeckt für die anderen ab. Dies darf jeder andere Spieler ebenfalls durchführen, sobald er das Gasthaus betritt. Für die Mahlzeit erhält er 6 Punkte. Wichtig dabei ist, dass man jede Köstlichkeit nur einmal auf seiner Reise probieren darf.

 

Danach setzen die Spieler ihre Reise fort und der Spieler der als Letzter das Gasthaus betreten hat, reist als Erster wieder ab. In dieser Weise geht es den Tokaido entlang von einem Gasthaus zum Nächsten. Sind alle Reisenden im letzten Gasthaus angekommen, endet das Spiel und es werden die letzten Punkte berechnet.

 

Der Spieler der als Erster eines der Panoramen beendet, bekommt 3 zusätzliche Punkte, ebenso derjenige der die meisten Andenken, Begegnungskarten, Heiße Quellen und Mahlzeitkarten besitzt. Bei Gleichstand erhalten alle beteiligten Spieler 3 Punkte.

 

Zu guter Letzt bekommt der Spieler, der das meiste Gold im Tempel gespendet hat, 10 Punkte und für die folgenden Plätze gibt es sieben, vier und zwei Punkte. Bei fünf Spielern geht der letzte leer aus, bei Gleichstand bekommt jeder beteiligte Spieler die vollen Punkte des Ranges. Ob dabei Plätze übersprungen werden, kann man in der deutschen Regel nicht ersehen, aber es ist anzunehmen dass es so gedacht ist.

 

Es gibt eine Sonderregel für 2 Spieler und man findet in der Regel auch drei Varianten. Die Einführungsreise macht den Einstieg einfacher, bei der Rückreise wird der Tokaido in anderer Richtung bereist und bei der Gastronomiereise werden weniger Mahlzeitkarten gezogen, somit wird die Ankunft in den Gasthäuser noch wichtiger.

 

In Essen 2013 kam die Erweiterung Crossroads auf den Markt. Sie bringt einige neue Charaktere und die Möglichkeit, auf jedem Feld zwischen 2 Möglichkeiten zu wählen, immer entweder die Möglichkeit aus dem Grundspiel oder:

Auf einem Panoramafeld einen Kirschbaum nehemen und dafür Geld und Punkte bekommen; bei den heißen Quellen kann man eine Münze bezahlen und dafür eine Badhauskarte mit 4 Punkten bekommen.

 

Am Bauernhof kann man ins Casino gehen, 2 Münzen einsetzen und mit einem Würfel zocken, im Tempel kann man statt spenden eine Amulett-Karte erstehen, welche Sonderfunktionen bieten und in den Dörfern kann man legendäre Objekte kaufen die entweder gesammelte Karten aufwerten oder zusätzliche Punkte bringen.

 

Auf einem Begegnungsfeld kann man 1 Münze bezahlen und bekommt dafür eine Kalligraphie-Karte, die Vorteile mit Geld und Punkten bringt.

 

Antoine Bauza ist uns ja kein Unbekannter. 7 Wonders und Bakong waren schon Preisträger im Rahmen des österreichischen Spielepreises. Takenoko hat uns voriges Jahr sehr viel Freude bereitet, als wir mit einem Panda Bambusstauden pflanzten. Bei Tokaido bleibt er im Genre der Familienspiele und zeigt uns wieder, wie man mit einfachen Mechanismen und vor allem Spieleflair und viel Spaß auf das Spielebrett bringt.

 

Das Spiel läuft sehr flüssig und die Züge und deren Durchführung sind klar und auch für jüngere Mitspieler leicht nachvollziehbar. Natürlich wird man bis zu einem bestimmten Punkt gespielt, denn wie soll man einen Zug berechnen, wenn eine Neunjährige unbedingt das „schöne Panorama“ anfangen will, obwohl es für sie besser wäre zu den heißen Quellen zu gehen. Aber so ist es einmal wenn man mit Kindern spielt und das darf man nicht auf die Waagschale legen.

 

Die Regel ist klar strukturiert, ist man der französischen Sprache mächtig findet man aber in dieser ein wenig mehr Klarheit und direktere Formulierungen. Die deutsche Regel gibt es nur im Internet. Die angebotenen Varianten haben wir nie gespielt, denn ob ich den Tokaido von SW nach NO gehe oder umgekehrt verändert kaum etwas am Spiel und die Speisen im Gasthaus zu verringern hätte nur die Jüngeren benachteiligt.

 

Das Material ist für den Preis des Spieles angemessen, einzig die Winzigkeit der Marker haben bei mir Probleme verursacht, aber dafür gibt es kleine Kinderhände und somit dürfen auch die Kinder einmal die Bank spielen. Sollte es einem Bastler danach sein, dann kann er sich die Bauanleitung des Geldes aus Holz im Internet nachblättern und sein persönliches Spiel auf diese Weise aufwerten.

 

Mit der Grafik komme ich zu dem Punkt der meiner Meinung das Spiel ausmacht. Ich muss gestehen, dass mich japanische Kunst fasziniert und ich dahingehend vorbelastet bin. Naiade hat es aber geschafft, mit seiner Farbenvielfalt ein grafisches Erlebnis auf das Spielbrett zu zaubern. Dadurch gewinnt ein einfaches Reisespiel sehr viel an Flair und es fühlt sich an, als wäre man in dem Dorf und kauft Souvenirs oder sucht sich im Gasthaus eine der Speisen aus. Wir waren einige Male danach gleich beim Japaner essen.

 

Zu Strategie und Taktik kann man nicht viel sagen und auch nicht planen. Die Taktik entsteht im Spiel, denn man ist sehr davon abhängig was die Spieler vor einem machen. Nach einigen Spielen kennt man auch die Kardinalfehler und vermeidet diese. Bei voller Spieleranzahl ist mir das Spiel ein wenig zu lange. Vier Spieler haben wir als richtig empfunden.

 

Das Thema ist sehr gut im Spiel umgesetzt, man befindet sich auf einer Reise per pedes durch das Japan der Edo Zeit und hat es nicht eilig. Es kommt schon beinahe einer Sightseeingtour gleich, wenn man die heißen Quellen besucht, Künstler auf den Straßen trifft und im nächsten Gasthaus seine Mahlzeit zu sich nimmt. Keine Speise darf man ein zweites Mal essen, würde man auf einer Land-und-Leute-Tour auch nicht machen und ich finde den Mechanismus gut, dass der Letzte der das Gasthaus betritt, die kleinste Auswahl hat und deswegen als Erster wieder raus geht, um beim nächsten Mal nicht Letzter zu sein.

 

Unterm Strich, uns hat es sehr gut gefallen und ich habe selten ein Spiel erlebt das dermaßen oft bei uns auf dem Tisch lag, denn Flair, Glücksanteil, Schwierigkeit und taktische Möglichkeiten halten sich die Waage um allen Mitgliedern einer Familie Spaß zu bereiten.

 

Spieler: 2-5

Alter: 8+

Dauer: 45+

Autor: Antoine Bauza

Grafik: Xavier Gueniffey Durin = Naiade

Preis: ca. 40 €

Verlag: Funforge 2012

Web: www.funforge.fr

Genre: Reisespiel

Zielgruppe: Für Familien

Version: fr

Regeln: de en fr it

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Wunderschöne Grafik

Am besten zu viert

Umständlich geschriebene aber einfache Regel

 

Vergleichbar:

Grundsätzlich Reisespiele, in Umsetzung und Gestaltung erstes Spiel dieser Art

 

Andere Ausgaben:

Asterion Press, Hobbity.eu, Hobby World, Jolly Thinkers, Mindok, Passport Game Studios

 

Meine Einschätzung: 5

 

Kurt Schellenbauer:

Wenn einer eine Reise macht, dann kann er was erleben - Die beste Spielbeschreibung und eine Aufforderung, mitzureisen! Tokaido ist eine Reise wert!

 

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 1

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0