UNSERE REZENSION

 

Schottland, deine Geister

 

The Phantom Society

 

Geisterjagd im Hotel

 

„Das waren gefährliche Zeiten, die alten Goldgräberzeiten von damals.

 In diesem Abenteuer erwachen sie zu neuem Leben.

 In den Hauptrollen sehen wir ein Geisterhotel und …

Donald Duck (ängstlich zurückblickend):

,Jetzt sind wir mit den Geistern allein im Hotel!’

Tick, Trick & Track (während sie sich aus dem Hotelfenster abseilen):

,Jetzt lassen WIR die Geister ALLEIN!’“

Carl Barks, „Onkel Dagobert auf Geisterjagd“ (Ich, Onkel Dagobert, Band 2)

 

Zwei Teams jagen in „Die Geisterjäger Ges. m. b. H.“ (unser Übersetzungsvorschlag für „The Phantom Society“) durch die Gänge eines mondänen schottischen Hotels. Genauer gesagt, sie jagen durch die diversen Zimmer und zerstören dabei nicht nur Mobiliar oder Tapeten, nein, gleich ganze Räume fallen ihnen zum Opfer! Die einen sehen darin ihre Aufgabe. Das sind die vier Gespenster, die viel Freude daran haben, möglichst großen Schaden anzurichten. Das andere Team, die Geisterjäger, soll die nachtaktiven Gesellen eigentlich aufspüren und verhindern, dass die ganze Luxusherberge in Schutt und Asche gelegt wird. Immerhin wurden sie von der Hotelbesitzerin zu Hilfe gerufen. Offenbar macht den selbsternannten Exorzisten aber das Demolieren ebenso viel Spaß wie ihren Zielobjekten, denn ein zerstörtes Zimmer ist und bleibt ein zerstörtes Zimmer!

 

Bei „The Phantom Society“ handelt es sich um ein strategisches Plättchen-legen-und-entfernen-Spiel. Das Spielmaterial besteht aus einem (aus zwei zusammenlegbaren Teilen zu bastelndem) Brett (das Hotel), 36 Raumplättchen aus Karton in vier Farben mit unterschiedlichen Werten und vier (runden) Geisterplättchen in ebenfalls vier Farben. Zusätzlich liegen, neben der Spielregel, noch zwei Sätze zu jeweils acht Spielkarten bei. Diese zeigen die Geisterjäger (überraschenderweise neun, da auf je einer Karte zwei von ihnen abgebildet sind) und werden nur in einer Turniervariante für höhere Semester benötigt. Hübsch anzuschauen sind sie aber in jedem Fall.

Am besten funktioniert und am meisten Spaß macht „The Phantom Society“ zu viert. Auch zu dritt spielt es sich ganz gut, wobei, wie in der Spielregel angemerkt, unbedingt zwei Geisterteams besetzt werden und nur eine Person die Jagdgesellschaft verkörpern sollte, aber jeden Jägerzug spielt.

 

Alle Spieler gemeinsam (ob zwei, drei, vier oder, immer noch in zwei Gruppen, auch ausnahmsweise fünf oder sechs) verteilen die Raumplättchen auf die 36 Aussparungen im Hotel-Spielbrett. Nach dieser Aufbauaktion wendet sich die Jagdgesellschaft diskret ab (verlässt den Raum, hält sich die Augen zu … – wie immer das in der Gruppe geregelt wird) und das Geisterteam platziert seine vier Protagonisten unter farblich entsprechenden Räumen. Ziel der Geister ist es, möglichst großen Schaden anzurichten. Erreicht wird das durch das Zerstören von (den versteckten Geistern benachbarten bzw. in direkter Linie, auch diagonal, verbundenen) Räumen. Hierzu werden die Raumplättchen mit der intakt eingerichteten Abbildung umgedreht. Die Rückseite zeigt das Bild von extremer Verwüstung im selben Raum, der Wert des Hotelzimmers (von 1.000 bis 6.000 £, mutmaßlich vor dem Vandalenakt bzw. handelt es sich um die anfallenden Reparaturkosten) ist auf beiden Seiten aufgedruckt. Ziel der Jagdgesellschaft ist es, die Geister von ihrem Tun abzuhalten, bevor diese eine Devastation in vorher vereinbarter Höhe (Grundspielvorschlag: 45.000 £) angerichtet haben. Um dies zu erreichen, müssen die Geisterjäger (drei Frauen gehören auch dazu, glaubt man den Kartenbildern) die Geister aufspüren und so außer Gefecht setzen. Auch sie drehen dazu Raumplättchen um, verwüsten also gleichfalls das gute Haus. Die Räume unter bzw. in denen die Gespenster stecken, werden aber nicht mitgezählt. Wenn die Jäger Glück haben, entdecken sie die vier Widersacher noch bevor die Schadenssumme erreicht ist. Dann gewinnen die Geisterjäger. In jedem anderen Fall ziehen die Gespenster, vermutlich hohl und höhnisch kichernd, als Sieger vom Platz.

 

In gewissem Sinne ist „The Phantom Society“ eine gelungene Mischung aus „Memory“ und „Dame“, wobei keine Figuren bewegt, sondern die Spielfelder entfernt werden. Wichtig ist es (für die Geister) das Versteck der Gespenster im Gedächtnis zu behalten und dennoch die Räume so zu devastieren, dass den Jägern nicht so bald klar wird, wo der zerstörerische Spuk seinen Ausgang nimmt, will sagen, wo der jeweilige Geist untergekrochen ist. Die Gespensterjäger hinwiederum sollten auch nicht zögern, teure Räume zu „untersuchen“, sofern sie sich davon die Entdeckung eines Unruhestifters versprechen. Jedes ausgeschaltete Gespenst kann keinen zusätzlichen Schaden mehr anrichten und Räume derselben Farbe müssen nach solch einer Entdeckung nicht mehr berührt werden – man erinnere sich: ein Geist kann nur unter einem gleichfarbigen Raumteil stecken.

 

Schnell und einfach zu erlernen, bereitet dieses Spiel ziemlich viel Spaß. Für Frédéric Colombier ist es sein Début als Autor, Hervé Marly hat, laut Interneteintrag, davor schon mit Bruno Faidutti zusammengearbeitet. Wenig Spielmaterial und eine sehr vernünftig gestaltete Schachtel (Vertiefungen für Karten und Plättchen und sogar Aussparungen für die Puzzlezapfen der Spielfeldhälften) erleichtern auch noch das Aufräumen. Ein bisschen problematisch ist die Spielregel. Zwar kurz und leicht verständlich, konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass entweder bei der Übersetzung aus dem Französischen ins Englische etwas schiefgegangen ist, oder der Verlag sich in einigen Fällen für Änderungen am ausgelieferten Material entschieden hat, ohne die Regel anzupassen. So wird etwa im Text permanent von vier Spielbrettteilen (tatsächlich sind es zwei) geschrieben, die man zusammensetzen müsste. Die Regeln für das Spiel zu dritt sind etwas schwammig formuliert. Aber das sind Kleinigkeiten. Ein wenig seltsam ist allerdings die Beschreibung des Einsatzes der Personenkarten: in einer „Master Game“ betitelten Variante soll man mit ihrer Hilfe ersteigern, wer Jäger und wer Gejagter ist. Wozu das gut sein soll, erschloss sich uns jedoch nicht, auf diese Variante kann man getrost verzichten. Vielleicht existiert bereits ein Comic / bande dessinée / graphic novel mit diesen Figuren oder sie sind im französischen Sprachraum aus anderem Zusammenhang bekannt. Wir konnten dazu allerdings bislang nichts herausfinden, die Portraits sind dennoch sehr gelungen, wenn auch für das Spiel komplett überflüssig. Übrigens ist auch die Hintergrundgeschichte nicht wichtig, aber immerhin hat man sich sehr bemüht, eine solche über ruhelose Geister in stillgelegten Brennereien zu verfassen.

Wie auch immer, grafisch ist alles sehr schön gestaltet und das Spiel – eine Partie dauert höchstens eine halbe Stunde, und da ist eine Whisky-und-Haggis-Pause bereits mitgerechnet – bietet einen großen Reiz, öfter hervorgeholt und dann ausgiebig genossen zu werden.

 

Martina & Martin Lhotzky, Marcus Steinwender

 

Spieler: 2-4

Alter: 8+

Dauer: 30+

Autor: Frédéric Colombier, Hervé Marly

Grafiker: Vincent Dutrait, Xavier Gueniffey Durin

Preis: ca. 25 Euro

Verlag: Funforge 2013

Web: www.funforge.fr

Genre: Deduktion, Merken

Zielgruppe: Für Familien

Version: en

Regeln: en fr

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

Am besten zu viert

Nettes Spiel, nette Story, nettes Design

Hoher Wiederspielwert

 

Vergleichbar:

Memory, Dicke Luft in der Gruft

 

Andere Ausgaben:

Asterion Press, Iello

 

Meine Einschätzung: 6

 

Martin, Martina und Marcus:

Eine fröhliche Gespensterjagd in einem mondänen Hotel entpuppt sich als geistreiches, strategisches Deduktionsspiel für alle Altersgruppen. Ein gutes Gedächtnis verhindert zusätzlich blamable Enthüllungen.

 

Zufall (rosa): 0

Taktik (türkis): 0

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 3

Kommunikation (rot): 1

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0