UNSERE REZENSION

 

Tourismus für Vegetarier

 

Reykholt

 

Gemüse-Anbau auf Zeit

 

Mit dem Namen Uwe Rosenberg verbinden vermutlich die meisten Vielspieler komplexe Aufbau- und Worker Placement Spiele, die die Spieler nicht selten abendfüllend herausfordern. Mit Reykholt hat der Autor aber ein schnelles und auch relativ einfaches Spiel geschaffen. Dafür ist er aber seinem Thema treu geblieben, auch hier geht es wie so oft um ein landwirtschaftliches Thema, den Anbau von Gemüse, diesmal weit im Norden, in Island.

 

In Reykholt sind die Spieler Gemüsebauern und bereiten damit Gerichte für die Touristen zu, wobei jeder Tourist ein bestimmtes Gemüse in einer bestimmten Menge verlangt. Die Touristen sitzen an einer fix vorgegebenen Kette von Tischen und wollen dort unser Gemüse konsumieren. Welcher Tisch welches Gemüse verlangt, ist fix vorgegeben und von Beginn an klar. Hier gibt es auch keine Variation, die Anordnung und der Bedarf der Tische ist immer gleich: es wird je Tisch immer nach einer einzigen Gemüsesorte verlangt und in einer ganz bestimmten Menge. Sogar ein Schema lässt sich erkennen, offensichtlich waren die Touristen gewillt, sich schön ordentlich in Reihe zu setzen und interessanterweise werden die weniger hungrigen Touristen vor den hungrigeren bedient: So sitzen an den ersten fünf Tischen Touristen, die immer nur ein Gemüse verlangen, jeweils ein anderes, die nächsten fünf Tische verlangen dann schon zwei usw. Ein Konzept, das möglicherweise in Island funktioniert, südlicher angesiedelten Gastronomen wäre davon eher abzuraten.

 

So zieht sich die Kette an Tischen am zentralen Spielplan entlang des Spielplanrandes und endet mit Tischen, die schon sechs Stück Gemüse fordern. Diese Kette an Tischen muss nun jeder Spieler, einen Tisch nach dem anderen, einmalig bedienen, am Ende des Spiels hat derjenige Spieler gewonnen, der die meisten Tische mit seinem Gemüse beliefern konnte. Reykholt vermittelt damit auch ein bisschen das Flair eines Rennspiels, da man als Spieler bemüht ist, möglichst nicht nach hinten zu fallen und in Führungsposition die Tische abzuklappern. Schließlich wird einem ständig vor Augen geführt, an welcher Position man sich befindet. Es sei allerdings davor gewarnt, dass sich die Strategie immer an vorderster Stelle zu sein, in der letzten Runde fatal auswirken kann.

 

In Reykholt geht also alles um Gemüse und Pilze, der Einfachheit halber im Weiteren generell als Gemüse bezeichnet. Fünf verschiedene Gemüsearten, Salat, Tomaten, Karotten, Karfiol und Pilze wollen angebaut werden, damit der Spieler sie an die Touristen verkaufen kann. Diese liegen als in schöner Form geschnittene Holzteile vor und vermitteln damit ein realistisches Spielgefühl. Gemüse kann man während des Spiels kaufen, besser ist es aber, selbst anzupflanzen und zu ernten, denn nur dann vermehrt es sich auch und muss nicht immer wieder nachgekauft werden.

Damit ein Spieler eigenes Gemüse ernten kann, braucht er zu allererst Gewächshäuser für das Anpflanzen. Natürlich muss man auch das entsprechende Gemüse besitzen, um anschließend daran überhaupt etwas anpflanzen zu können.

Für alle diese Vorgänge und noch ein paar andere Möglichkeiten, nutzt der Spieler Worker Placement Aktionsfelder am zentralen Spielplan. Drei gleichwertige Arbeiter hat er dazu zur Verfügung. Die Aktionsfelder sind in vier Spalten angeordnet, mit je nach Spieleranzahl fünf bzw. sechs Aktionsfeldern. Je Spalte sind in den Aktionsfeldern ähnliche Aktionen möglich. So bekommt man beispielsweise in der Grundstückspalte hauptsächlich Gewächshäuser.

Die Aktionsfelder dürfen pro Runde nur von einem Arbeiter besetzt werden. Einzelne Aktionsfelder sind mit einer Flagge markiert, von diesen darf ein Spieler pro Spalte und Runde nur eines mit seinem Arbeiter besetzen, damit wird verhindert, dass wichtige Felder mit ähnlicher Funktion vom gleichen Spieler blockiert werden, ein wichtiger Mechanismus in einem Spiel, das eine überschaubare Anzahl an Runden dauert.

Die Gewächshäuser selbst sind Karten mit einer bestimmten Anzahl an freien Ablageplätzen für Gemüse. Pro Gewächshaus kann immer nur eine Sorte angebaut werden. Gewächshäuser gibt es mit drei bis sechs Ablageplätzen und sie sind nur begrenzt verfügbar. Nur in den Gewächshäusern mit drei Plätzen kann jede Sorte angebaut werden, sonst gibt es Einschränkungen. Karotten, zum Beispiel, dürfen nur in den Gewächshäusern mit drei Plätzen angebaut werden.

 

Neben der bereits erwähnten Aktion ein Gewächshaus zu erhalten, gibt es auch noch Aktionen für den Erhalt der diversen Gemüsesorten, Aktionsfelder zum Anpflanzen und Ernten und die Felder der Rathausspalte. Deren Aktionen erlauben ein Voranschreiten zum nächsten Tisch, in dem nicht mit Gemüse bezahlt wird, sondern durch Abgabe eigener Gewächshäuser. Dies hat vor allem gegen Spielende eine wichtige Bedeutung. In dieser Spalte findet man auch das Aktionsfeld für den Erhalt einer Servicekarte. Diese Karten bringen während des Spiels Vorteile und nutzen primär dem Besitzer, können aber auch von den Nachbarn nach einer einmaligen Aktivierung genutzt werden. Von den 36 Servicekarten sind immer nur fünf im Spiel.

 

Eine Partie Reykholt kann von bis zu vier Spielern gespielt werden, und dauert g vier genau sieben Runden lang, außer im Story-Modus, dort sind es acht. Jede dieser sieben Runden besteht aus vier Phasen: in der Arbeitszeit werden die Arbeiter eingesetzt, danach folgt die Erntezeit mit der Ernte von den Gewächshäusern, das frisch geerntete Gemüse wird in der Tourismuszeit an die Tische ausgeliefert und schließlich kehren in der Heimkehrzeit wieder alle Arbeiter zurück und der Startspieler wechselt an den linken Nachbarn.

Die Spieler starten mit ihrem Marker am zentralen Spielplan vor dem ersten Tisch in der Kette.

Der Startspieler beginnt die Runde, mit der Arbeitszeit. Er setzt einen Arbeiter auf einem freien Feld am Spielplan ein und führt sofort die Aktion durch. Viele Aktionsfelder ermöglichen mehrere Aktionen. Ein Spieler ist hier nicht gezwungen alle Aktionen des Feldes auszuführen, eine Aktion muss er ausführen, weitere darf er verfallen lassen. Reihum setzen nun alle Spieler jeweils einen Arbeiter ein, solange bis alle Arbeiter eingesetzt sind. Die Spieler nehmen auf diese Art Gewächshäuser zu sich, holen sich Gemüse vom Markt in ihr Lager oder pflanzen Gemüse aus ihrem Lager in ihren Gewächshäusern an oder nutzen die Aktionen der Rathaus-Spalte.

Beim Pflanzen von Gemüse nutzt ein Spieler eines seiner leeren Gewächshäuser und setzt ein Gemüse aus seinem Lager auf einen Ablageplatz des Gewächshauses. Die restlichen Plätze füllt er mit der gleichen Gemüsesorte aus dem allgemeinen Vorrat auf. Beim Ernten des Gemüses nimmt er immer nur ein Gemüseplättchen aus dem Gewächshaus und legt dieses in sein Lager.

 

Sind alle Aktionen abgehandelt, folgt die Erntezeit. Hier nimmt jeder Spieler von jedem seiner Gewächshäuser ein Gemüseplättchen und legt es in sein Lager. Es gibt im Spiel also zwei Zeitpunkte, zu denen geerntet wird: bei Auswahl eines Aktionsfeldes mit Ernte-Aktion und in der Erntezeit. Dies ist besonders wichtig in den späteren Runden, wo pro Tisch mehrere Gemüseplättchen geliefert werden müssen, sonst wird das Vorankommen schwierig.

Ist die Ernte eingefahren, wird nun an die Touristen, d.h. Tische, ausgeliefert. Hier spielen die Spieler in Reihenfolge ihrer Marker, dem Hofbewirtschafter, in der Tische-Kette, beginnend beim Spieler am weitesten vorne. Um auf den nächsten Tisch wechseln zu können muss das dort abgebildete Gemüse aus dem eigenen Lager abgegeben werden. Dies wiederholt der Spieler solange er kann oder möchte, danach ist der nächste Spieler an der Reihe. Landet der Marker eines Spielers dabei auf einem Feld, auf dem bereits ein Marker steht, setzt er seinen eigenen ganz nach vorne.

 

So bewegt sich jeder Spieler mindestens einen Tisch weiter, und zwar deswegen, weil jeder Spieler in dieser Phase seine Prämie kassieren muss. Die Prämie eines Spielers besteht darin, dass er einmalig in der Tourismuszeit anstelle das geforderte Gemüse abzugeben, um auf den nächsten Tisch zu wechseln, sich dieses Gemüse aus dem Vorrat in sein Lager nimmt. Wann ein Spieler in dieser Phase die Prämie nutzt ist ihm überlassen, er darf sie aber nicht verfallen lassen.

Am Ende der letzten Runde bestimmt die Position der Hofbewirtschafter, wer gewonnen hat. Sind auf dem Tisch, der am weitesten vorne besetzt ist, mehrere Spieler, gewinnt derjenige, der auf diesem Feld am weitesten vorne steht.

 

Reykholt ist ein Spiel, das sehr ausgewogen verläuft. In den Testrunden gab es am Ende nie große Unterschiede zwischen den Hofbewirtschaftern der einzelnen Spieler, es war immer ein knappes Ergebnis. Hier ist besonders zu beachten, dass der Spieler an hinterster Position seines Markers als letzter zieht und damit gewinnen kann, falls er das am weitesten vorne besetzte Feld erreicht. Die vorletzte Runde als Erster zu beenden kann also gefährlich sein.

Das Spiel verläuft über die sieben Runden ziemlich gleichmäßig, außer in der letzten Runde sind die erforderlichen Aktionen immer dieselben. Es hat so gut wie keinen Glücksfaktor, nur die Interaktion mit den anderen Spieler behindert die eigene Planung. Und diese ist wichtig, sonst kann es leicht passieren, dass man wegen eines einzigen Gemüseplättchens einen Tisch in dieser Runde nicht bedienen kann und damit hängen bleibt. Die Kalkulation von Anzahl von Gemüseplättchen und welche Sorten man wann sammelt, macht den Erfolg im Spiel aus. Hier gilt es auch immer die Prämie mit einzukalkulieren.

Reykholt liegt auch ein Story-Modus bei, das sind Karten, mit der das Spiel in einer neuen Form gespielt werden kann.

 

Spieler: 1-4

Alter: 12+

Dauer: 60+

Autor: Uwe Rosenberg

Grafik: Lukas Siegmon

Preis: ca. 50 Euro

Verlag: Frosted Games 2019

Web: www.frosted-games.com

Genre: Worker Placement mit Rennspiel-Komponente

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: de

Regeln: de en es fr it jp kr pl pt ru

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Einfache Regeln

Viel Interaktion

Schönes Material

 

Vergleichbar:

Worker Placement im Allgemeinen

 

Andere Ausgaben:

Arclight (jp), Arrakis Games (es), Galapagos Jogos (pt), Games Factory (kr), Lavka Games (ru, Origames (fr), Raven Distribution (it), Renegade Game Studios (en), sternenschimmermeer (kr)

 

Meine Einschätzung: 5

 

Bernhard Czermak:

Ein Worker Placement Spiel mit einfachen Regeln und doch einigen Aktionsmöglichkeiten, das aber in der Regel relativ gleichmäßig verläuft und auch von Partie zu Partie ähnlich bleibt.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0