Götterdämmerung im Wüstensand

 

Kemet: Blut und Sand

 

Die Götter Sobek, Horus, Anubis, Wadjet und Bastet sind hinlänglich aus der ägyptischen Mythologie bekannt. In Kemet – Blut und Sand sind sich diese teils recht friedfertigen Götter spinnefeind und hetzen sich ihre Anhänger gegenseitig an den Hals, um festzustellen, wer denn der oder die Beste unter den Göttern sei. Weder Wüste noch Nilufer kann sie davon abhalten, ihre Kreaturen in die Schlacht zu jagen, Städte und Tempel zu kontrollieren und Pyramiden zu errichten.

Kemet – Blut und Sand ist eine Neuauflage, die ursprünglich über Kickstarter finanziert wurde und jetzt im deutschsprachigen Raum über Pegasus vertrieben wird. Dementsprechend werden Spieler, die die Variante aus 2012 kennen, hier nicht viel Neues erfahren.

 

Das Ziel für den Spieler ist es, möglichst viele – also zumindest neun – Siegpunkte zu erhalten. Wenn man sich das Brett und die Regeln ansieht, erscheint das auf den ersten Blick wie ein Area-Control Spiel. Denn für das Besetzen von Tempeln und Pyramiden erhalten die Spieler Siegpunkte. Diese sind aber nur temporär und können jederzeit verloren werden, wenn ein anderer Spieler den Ort erobert.

 

Wichtiger sind daher die permanenten Siegpunkte, die man nur erhält, wenn man Ruhm und Sieg in einem Angriff auf einen Gegner erringt, oder im Haupttempel am Ende des Tages Truppen opfert. Da das Spiel aber den Angreifer bevorzugt – immerhin gibt es den Ruhm anfangs nur im Angriff – ist das mit dem Eingraben auf einer Position so eine Sache. Ein weiterer wichtiger Punkt, den es zu bedenken gilt, ist, dass man die neun Siegpunkte zum Sieg am Anfang der nächsten Runde haben muss. Daher sind alle Spieler darauf aus, den Führenden noch mehr anzugreifen, wenn dieser sonst siegen würde.

 

Damit sind wir schon beim Kampfsystem. Dies ist relativ einfach, jeder Spieler hat sechs Kampfkarten, deren zwei er in jedem Kampf spielt. Nach drei Kämpfen hat er oder sie dann wieder alle auf der Hand. Diese Karten sind für alle Spieler gleich, zusätzlich darf man nur fünf Einheiten pro Trupp haben, weshalb der Kampf recht überschaubar sein sollte, wenn da nicht die göttlichen Interventionen und Kreaturen wären, die die Soldaten begleiten können.

 

Der Rest sieht aus wie klassische Area Control: In der Tag-Phase werden Marschbefehle erteilt, Truppen ausgehoben, mystische Fähigkeiten erworben, Gebete gesprochen und Pyramiden errichtet. Außerdem finden in dieser Phase die Kämpfe statt, und zwar dann, wenn sich unterschiedliche Truppen treffen. Die Nacht-Phase liefert weitere Siegpunkte, so man – wie oben erwähnt – die richtigen Tempel besetzt. Zusätzlich erhält man eine Menge Gebetspunkte, die Währung im Spiel, und kann sich durch Veteranenpunkte, die man aus verlorenen Schlachten erhält, Interventionskarten für den nächsten Kampf, sowie neue Truppen kaufen. Hier wird auch die Spielerreihenfolge bestimmt.

 

Besonders gut umgesetzt ist, dass zwar alle Spieler mit gleicher Ausgangssituation starten, sich die Stärken aber im Verlauf des Spiels auseinanderentwickeln. Es gibt gewisse Fähigkeiten nur einmal, durch die sich im Laufe des Spiels sehr unterschiedliche Wechselwirkungen ergeben. Beispielsweise kann man durch auch als Verteidiger Ruhm erhalten oder die Bewegung der Truppen erhöhen. Dadurch, dass viele dieser Fähigkeiten nur einmal im Spiel verfügbar sind, muss man nicht nur gut vorausplanen, sondern auch einen Plan B bei der Hand haben, falls einem Anubis die Mumie vor der Nase wegschnappt.

 

Wenn man über Kemet – Blut und Sand spricht, muss man außerdem über die opulente Ausstattung sprechen. Die Truppen und Kreaturen sind als aufwändige Miniaturen beigelegt, die Spielertableaus sind gut ausgeführt und halten alles Relevante am Platz. Im Gegensatz zur vorherigen Auflage kommt das Spiel mit Pyramiden, die man zusammensetzt. Optisch enttäuscht nur ein wenig das Spielbrett, das in der Auflage von 2012 viel klarer gezeichnet war und daher auch leichter unterscheidbare Untereinheiten hatte. Insgesamt ergibt das Spiel einen wundervollen Eindruck.

 

Kemet – Blut und Sand ist ein hervorragendes interaktives Spiel, das die Spieler zwingt, ständig neue Bündnisse einzugehen. Kein Bündnis kann lange gut gehen, und selbst Niederlagen sind nicht zu schlimm, denn Truppen werden ständig ab- und aufgebaut. Selbst in einer vollkommen besetzten Heimatbasis können noch Truppen ausgehoben werden, und abgebaute Truppen bringen Gebets- oder Veteranenpunkte. Durch die starke Interaktion gibt es auch für schwache Spieler die Möglichkeit, Punkte zu machen und den Sieg davonzutragen.

 

Als größten Kritikpunkt kann man nur eine Designentscheidung sehen. Das Spiel ist für 2-5 Spieler konzipiert, die Karte des Spiels ist aber tatsächlich für sechs Spieler ausgelegt, weshalb in jedem Fall immer ein Teil des Spielbretts unbenutzt bleibt. Es sind auch in der Anleitung bereits die Hinweise auf die grünen Fähigkeiten vorhanden, die man in einer Erweiterung kaufen können wird. Gleichzeitig ist aber kein Platz in der Kiste, um die Erweiterungsplättchen unterzubringen.

 

Sieht man aber von diesen etwas fragwürdigen Entscheidungen ab, ist das Spiel vor allem für jene geeignet, die sich nicht scheuen, zwei Stunden lang rasante Konflikte in sich ständig ändernden Allianzen auszutragen. Spieler, die mehr an Aufbau und Konstanz Freude haben, sollten sich eher ein anderes Spiel zulegen.