Mit Geweih und Kampfstärke zum Platzhirsch

 

Antler Island

 

Hirschkühe beeindrucken und verführen

 

Fragor Games hat 2004 einen spektakulären Auftritt mit dem Spiel Leapfrog hingelegt und seither jedes Jahr in Essen einen tierischen Erfolg im wahrsten Sinn des Wortes geliefert, nach den Fröschen kamen mit Shear Panic die Schafe, auf deutsch bei Zoch als Haste Bock erschienen, dann 2006 mit Hameln die Ratten und 2007 sind wir mit Antler Island unter den Hirschen in der Brunftzeit gelandet.

 

Drei bis vier Spieler verkörpern Hirsche in der Brunftzeit, die versuchen möglichst viele Hirschkühe zu beglücken (die Regel beweist schon hier ihren Anspruch auf Vollständigkeit mit dem Rat, mit jüngeren Spielen doch das Thema auf möglichst viele Hirschkühe küssen abzuändern) – nicht überraschenderweise müssen sie dazu fressen und schauen, dass das Geweih beeindruckend wächst und notfalls auch rivalisierende Hirsche aus dem Rayon verdrängen.

 

Bevor man sich dem eigentlich Spiel oder der Regel widmen kann, ist man erst einmal fasziniert vom Spielmaterial und da vor allem von den fantastischen Figuren, wohlgemerkt fantastisch, nicht realistisch, die Hirsche schauen aus, als wären sie in irgendeinem Transporterprogramm malträtiert worden, aber sie sind witzig, individuell und charakteristisch für den Stil der Fragor-Figuren. Das beeindruckende Brett besteht aus drei Ebenen, die eine Insel abbilden sollen, komplett mit Hügel und Sümpfen, es gibt sogar einen Extrateil, mit dem man einen Teil des Bretts abdeckt, falls nur zu dritt gespielt wird. Der Plan hat äußere, mittlere sowie ein Zentralfeld und dazu Felder im Sumpf, die Hirsche nicht betreten können, an der Insel entlang verläuft der Pfad für die Hirschkühe.

 

Nach dem Ende der Oh- und Ah-Bewunderungsphase können wir uns nun der Spielregel widmen und machen hier schon wieder Oh und Ah, sie ist komplett, informativ, mit vielen Beispielen und dreisprachig, englisch, deutsch und holländisch.

 

Fangen wir an – jeder bekommt einen Hirsch und dazu zwei Geweihstücke, die er dem Hirsch auf seiner Übersichtstafel  auf den Kopf legt, weiters einen Satz von fünf Kontrollmarkern, markiert mit 1,2, und C sowie einen unmarkierten. Dann gibt’s noch ein einen Vorrat an kleinen hölzernen Hirschkühen, von nun an „doeplets“ genannt, einen Startstapel und einen Hauptvorratsstapel an Futtermarkern, und noch einen Stapel so genannter Vorteilsplättchen alles wird verdeckt bereitgelegt. Jeder nimmt sich einen Futtermarker aus dem Startvorrat verdeckt auf seine Übersichtstafel, dann wird gewürfelt und alle setzen reihum ihren Hirsch auf eines der äußeren Felder dieser Farbe. Dann wird neu gewürfelt, notfalls öfters bis eine andere Farbe als die für das Hirsche einsetzen erscheint, und ein Futtermarker auf jedes äußere Feld dieser Farbe gesetzt. Zuletzt kommt noch ein doeplet auf jedes freie Feld außer in die Feuchtgebiete und das Zentralfeld des Bretts, und ganz am Ende deckt man ein Vorteilsplättchen auf und schon kann’s losgehen.

 

Wir schnappen unsere fünf Kontrollmarker und legen sie verdeckt neben die Aktionsfelder, die wir nutzen möchten, als da sind:

 

Bewegen – der Hirsch zieht auf ein benachbartes Feld, auch auf verschiedene Ebenen, aber nicht in die Feuchtgebiete.

Fressen – Der Hirsch muss auf einem Feld mit Futtermarker stehen, der Spieler nimmt alle Futtermarker und legt sie verdeckt auf der Übersichtstafel ab, man darf nicht mehr als fünf Marker besitzen, überzählige bleiben auf dem Plan liegen.

 

Paaren – mindestens ein doeplet muss im selben Feld sein, der Spieler legt ein doeplet aus dem Feld in den Vorrat und bewegt seinen Marker auf dem Hirschkuh-Pfad um 1 vorwärts, der Pfad markiert die Anzahl beglückter doeplets und ein Marker auf 10 oder 12 (bei 3 oder 4 Spielern) bedeutet  die letzte Runde.

 

Geweihwuchs: Man kann eine beliebige Anzahl Futtermarker abgeben, der Gesamtwert wird addiert, und abgerundet halbiert – das Resultat ergibt die Anzahl Geweihstücke die der Hirsch dazubekommt. Ein einzelner Marker bringt immer ein Geweihstück. Genutzte Futtermarker werden offen abgelegt. Für ein Wachstum bis zu einer geraden Zahl bekommt man einen Vorteilsmarker, verliert man Geweihstücke, bekommt man bei Wiederwuchs den Marker nicht noch einmal, man nutzt zuerst die separat bereitgelegten verlorenen Stücke für den Wiederwuchs.

 

Hier kommt nun das Bluffelement und das Programmierelement ins Spiel, erstens können wir unseren unmarkierten Marker überall dazulegen, zweitens können wir mehrere Marker zur gleichen Aktion legen  und drittens werden die Aktionen in Reihenfolge ihres Wertes abgehandelt, es deckt also jeder reihum zuerst seinen Marker 1 auf, dann 2 und zuletzt 3. haben wir uns völlig vergaloppiert, können wir noch einen Rettungsversuch starten und jederzeit unseren „X“ Marker als Joker aufdecken und diese Aktion abhandeln.

 

Aus der Bewegung kann es zu einem Kampf kommen, wenn ein Hirsch das Revier eines anderen betritt, sprich dasselbe Feld: Der Neuankömmling wählt verdeckt bis zu drei Futtermarker und legt sie verdeckt oben an die Übersichtstafel. Der Verteidiger kann nun entweder zurückweichen oder kämpfen – wenn er zurückweicht, passiert nichts, wenn er kämpft wählt er seinerseits Futtermarker. Nun kann der Angreifer zurückweichen, wenn nicht kommt es zum Kampf.

Weicht ein Hirsch zurück, geht er in ein leeres Feld, aber nicht nach oben, außer es gibt keinen anderen freien Platz. Der Sieger bekommt einen Vorteilsmarker, und beide behalten ihre Futtermarker, die anderen Spieler dürfen den sich zurückziehenden Hirsch ein wenig verspotten.

Kommt es zum Kampf werden die Futtermarker aufgedeckt und die Anzahl der Geweihstücke wird zum Wert der Futtermarker addiert – gibt es einen Gleichstand, geht der Angreifer auf sein Ausgangsfeld zurück, alle Futtermarker gehen in den Vorrat. Gibt es einen Sieger, gehen alle Futtermarker in den Vorrat, der Verlierer muss ein Geweihstück abbauen, der Sieger darf den Verlierer in ein freies Feld setzen, und der Sieger bekommt ein Vorteilsplättchen.

 

Allzu friedliche Hirsche werden nicht weit kommen, denn um das Spiel zu gewinnen, muss man mindestens einen Kampf gewinnen, egal ob als Angreifer oder Verteidiger, dafür gibt’s einen speziellen Marker, den man nicht verlieren kann.

 

Ein Wort noch zu den Vorteilsplättchen, die ihrem Namen entsprechend einiges bringen, man bekommt sie für Geweihwuchs oder gewonnene Kämpfe, und darf sich jeweils das oberste verdeckte oder das offen ausliegende nehmen. Die Vorteile bringen zwei Felder Bewegung, einen extra Futtermarker beim Fressen, zwei beglückte doeplets bei der Paarung, oder der Spieler behält einen der für den Kampf verwendeten Futtermarker oder nützt den Vorteilsmarker um ein Geweihstück nach einem verlorenen Kampf zu behalten, oder um zu röhren und so ein doeplet von jedem benachbarten Feld anzulocken.

 

Damit haben wir mit allen Möglichkeiten unsere erste Runde abgewickelt, bevor die nächste beginnt und wir unsere Kontrollmarker wieder platzieren, werden noch Futtermarker nachgelegt und die doeplets ein Feld den Hügel hoch bewegt, auch in Feuchtgebiete und auch mehrere auf ein Feld. In den äußeren Regionen werden doeplets in 3er-Sätzen nachgelegt, gibt es nicht genug für einen 3er-Satz, werden keine nachgelegt.

 

Und so geht’s Runde um Runde weiter, bis ein Spieler auf dem Hirschkuhpfad die 10 oder 12 erreicht, die laufende Runde wird damit zur letzten Runde. Nun können alle Spieler, die einen Kampf gewonnen haben, werten: Die Punkte entsprechend der Position auf dem Pfad + 1 Punkt für jedes doeplet mehr und Punkte entsprechend der Position des Hirsches auf der Insel, 3 Punkte für die Zentralregion oder 1 Punkt für einen Standort in der Mittelregion. Der Spieler mit den meisten Punkten wird zum Platzhirsch auf Antler Island!

 

Und wie fühlt der sich? Gut, denn er hat ein gutes Spiel gespielt, mit einer lückenlosen, guten Regel, die am Ende sogar einen Schnelleinstieg ins Spiel auf einer Drittelseite bietet. Zugegeben, es war nicht der strategische Überdrüberhammer, aber wer will den auch schon immer spielen? Antler Island eignet sich gut für ein Spiel im Familienkreis, jugendfrei oder nicht, wer es aggressiver will, kann die Variante mit den Kampf-Steinen spielen, die man für gewonnene Kämpfe bekommt und für die man am Ende extra Punkte kassiert.

 

Das Thema ist witzig, die Mechanismen funktionieren, die Ausstattung ist funktionell und attraktiv, und das Spiel eignet sich für eine breite Palette an Spielerfahrung und Spielalter, allerdings werden anzügliche Bemerkungen oder einschlägige Scherze zum Thema wohl kaum ausbleiben, aber das kann man in Kauf nehmen. Besonders attraktiv für mich ist die nötige Balance, man kann nicht allein durch fressen oder paaren oder kämpfen gewinnen, man muss sich schon etwas vorausplanend den Hügel hochkämpfen. Ich freue mich schon jetzt auf die Menagerie 2008!

 

Dagmar de Cassan

 

Spieler         : 3-4

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer          : ca. 45 Minuten

 

Autor           : Gordon und Fraser Lamont

Grafik          : Judi Lamont, Clare Hewitt

Vertrieb        : Heidelberger

Preis            : ca. e 40,00

Verlag          : Fragor Games 2007

  www.fragorgames.com

 

Genre                    : Positions- und Sammelspiel

Zielgruppe             : Familie, Freunde

Mechanismen         : Plättchen für Aktionen nutzen

 

Strategie                : ***

Taktik                    : ****

Glück                    : ***

Interaktion             : *****

Kommunikation      : ***

Atmosphäre           : *******

 

Kommentar            :

Originelles Thema

Fantastische Ausstattung

Höhere Auflage, noch erhältlich

Mit Regel für Fortgeschrittenen-Spiel

 

Vergleichbar:

In Kombination von Thema und Mechanismen einzigartig

Anklänge an Determinations/Programmierspiele wie RoboRally

 

Dagmar de Cassan:

Ein wunderschönes Spiel mit guten Regeln, toll umgesetztem Thema und einer gelungenen Mischung von Mechanismen, auf anzügliche Scherze muss man allerdings gefasst sein.