Rezension

 

Vierzehn neue Charaktere

 

GAIA Project

 

Ein Terra Mystica Spiel

 

Im Jahr 2012 erschufen Jens Drögemüller und Helge Ostertag Terra Mystica, ein hochgradiges Strategiespiel mit Fantasie-Thema und 14 einzigartigen Völkern. Dank seiner Erweiterung, zwei  Jahre später, stehen uns heute 20 mögliche Charakter-Spielpläne zur Auswahl und man munkelt, weitere seien bereits in Arbeit. Ein Freudenfest für eingefleischte Fans wie mich!

 

Gaia Project tritt mit 14 neuen Individuen auf. Diese gehören weniger dem Fantasy-Genre als der Science-Fiction an und ähneln auch sonst ihren Vorgängern nur ansatzweise. Wie unsereiner als Spieler haben auch sie sich in ihrem Streben nach Expansion, Fortschritt und Siegpunkten weiterentwickelt. Das Ziel ist nicht länger die Besiedlung einer einzelnen Welt, vielmehr gilt es in diesem Spiel ganze Planetensysteme für sich zu beanspruchen.  Jeder noch so weit entfernte Raumsektor wird dabei ergründet, um Wetteiferern ein Schnippchen zu schlagen und am Ende des Tages (6 Spielrunden und 120-180 Minuten) als gefeierter Volksheld heimzukehren. Wie es die Tradition gelehrt hat, agiert man natürlich nur mit den besten und friedlichen Absichten.

 

Eine Runde in Gaia Project durchläuft mehrere Phasen. Zu Beginn wollen möglichst viele Ressourcen für den Ausbau unserer Zivilisation produziert werden. Erz unterstützt das Terraforming von Planeten, um sich im Weltall weiter auszubreiten und wird in Kombination mit Credits für die Errichtung neuer Gebäude benötigt. Erlangtes Wissen dient dem technologischen Fortschritt und ein fortlaufender Machtzuwachs legt den Grundstein für Allianzen.

 

Acht verschiedene Aktionen stehen uns in der anschließenden Phase zur Auswahl, für die nicht nur Mittel und Wege, sondern auch das Timing wohl überlegt sein sollte. Pro Zug führt man genau eine davon aus, oder passt für den Rest der Runde. Ein beliebter Start ist die rasche Kolonisation nahegelegener Planeten, da die anfängliche Navigation keine weiten Reisen zulässt. Prinzipiell gilt, möchte man ein Heimatsystem des eigenen Volkes besiedeln, fallen lediglich Kosten der zur erbauenden Mine an. Anderenfalls muss es zuvor umgewandelt werden. Je nach Bewohnbarkeit des Planeten und aktuellem Technologiestand sind dann zusätzliche Terraforming Schritte oder „Quantum Intelligence Cubes“  zu bezahlen. Obwohl anfangs sehr teuer, ist die Ausbreitung am Spielplan für eine Steigerung der Produktion unverzichtbar und daher immer stark umkämpft.

 

Eine zweite Möglichkeit, weiteres Einkommen zu generieren, und eine genauso wichtige Aktion ist die Aufwertung von Gebäuden, indem man sie gegen Abgabe von Erz und Credits durch höherwertigere ersetzt. Auf diese Weise entstehen Handelszentren, Forschungslabore und Akademien. Letztere beiden ermöglichen auch sofortigen Zugang zu neuen Technologien. Unabhängig davon, welcher Gebäudespielstein platziert wird, erfolgt stets eine Machtausschüttung an alle benachbarte Völker für deren hochwertigsten Gebäude, wenn jedoch zum Preis von Siegpunkten.

 

Die Gewinnung von Macht war ein Kernkonzept in Terra Mystica und ist es hier genauso. Sie kann nicht nur flexibel und durch Nutzung von Sonderaktionen gegen andere Ressourcen getauscht, sondern auch zur Gründung mächtigen Allianzen verwendet werden. Als Belohnung winken Allianzplättchen mit einmaligen Boni, Siegpunkte und die Aufstiegsmöglichkeit auf Stufe 5 in einem der Technologiebereiche, die einem sonst verwehrt bleiben würde.

 

Jeder der sechs Technologiebereiche - Terraforming, Navigation, Künstliche Intelligenz, Gaia Projekt, Wirtschaft und Wissenschaft - ist in fünf Stufen aufgebaut, die unterschiedliche Verbesserungen gewähren, sobald man sie erreicht. Der Aufstieg in einem Bereich kostet vier Wissenspunkte und zählt als Aktion. Wie zuvor angemerkt, sind hierfür auch Gebäudeaufwertung zum Forschungslabor oder einer Akademie von Bedeutung. Mit einer Technologieaktion, wie diese sie ermöglichen, darf man sich eine von neun unterschiedlichen Basistechnologien zu sich nehmen. Von stetigen Einkommensboni, über passive Spielvorteile bis hin zur sofortigen Ausschüttung ist hier alles vertreten. Hat man ein Allianzplättchen und Stufe 4 oder 5 eines Technologiebereichs erreicht, so erweitert sich die Auswahl um noch stärkere Ausbautechnologien. Anders als die Basistechnologien sind diese in ihrer Anzahl nicht öfter verfügbar, sondern für den Spieler, der zuerst dazu kommt. Wäre das nicht genug, gibt es hier einen Stufenaufstieg gratis dazu. Als kleiner Ausgleich ersetzen Ausbautechnologien ein eigenes Basistechnologieplättchen und der Spieler muss sein Allianzplättchen auf die inaktive Seite drehen.

Die Aktionsphase endet, sobald alle Spieler gepasst haben und das Rundenende wird eingeleitet. Hier werden alle genutzten Sonderaktionen wieder freigegeben. Eine weitere Runde kann beginnen.

 

Nach der sechsten Runde ist Schluss und die Endwertungen werden ausgewertet. Sechs Endwertungsplättchen sind es insgesamt, von denen zwei von Spielbeginn an ausliegen. Jede der Endwertungen, wie eine für meisten Gebäuden in bestehenden Allianzen, vergibt über Mehrheitenvergleiche achtzehn, zwölf und sechs Siegpunkte. Auch die technologischen Errungenschaften geben Endpunkte - pro Technologiebereich gibt es für erreichte Stufen Drei, Vier und Fünf je vier Punkte dazu. Für je drei verbleibende Ressourcen erhält man einen Punkt. Das Volk mit meisten Siegpunkten gewinnt.

 

Als bekennender Fan von Terra Mystica war ich bereits seit der Ankündigungen von Gaia Project gespannt, ob es sich hierbei bloß um eine Neuaufbereitung des Vorgängers handelt, oder das Autorenteam gänzlich neue Wege gehen würde. Die ersten Fotos zu den neuen Charakter-Spielplänen gaben wenig Aufschluss über neue Mechanismen und zeigten lediglich eine passende Neugestaltung zum Thema Weltraum. Spätestens nach der ersten Partie gab es von meiner Seite keine Zweifel mehr, dass Gaia Project auf eigenen Beinen stehen kann. Die Entscheidung, auf der soliden Grundmechanik von Terra Mystica aufzubauen, deren Ecken und Kanten gekonnt abzurunden und mit neuen Aspekten zu erweitern, war meiner Meinung nach goldrichtig. Die Ähnlichkeiten sind offensichtlich, doch das Spielgefühl gänzlich anders. Der harte Wettkampf um Landfläche steht hier nicht mehr im Vordergrund, denn es gibt Möglichkeiten einander auszuweichen und Gebäude auf anderen Wegen zu verbinden. Dafür hat es mit der Einführung der Technologiebereiche und den Gaia-Planeten an strategischen und taktischen Möglichkeiten gewonnen. Auch der variable Spielplan ist ein Plus in meinen Augen.

Gaia Project ist eine tolle Weiterentwicklung eines großartigen Spiels und schafft es, selbst nach über 20 Partien und Durchprobieren aller neuen Völker mein Interesse zu halten und spannend zu bleiben. Für mich war es das Spiele-Highlight im Jahr 2017 und kommt weiterhin ohne Zögern auf den Spieletisch.

 

Dennis Rappel

 

Spieler: 1-4

Alter: 14+

Dauer: ca. 150 Min

Autor: Jens Drögemüller, Helge Ostertag

Grafiker: Dennis Lohausen

Preis:  ca. 60 Euro

Verlag: Feuerland Spiele 2017

Web: www.feuerland-spiele.de

Genre: Aufbau-Strategie-Spiel

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 1 Spieler

Version: de

Regeln: cn de en fr it kr jp nl pl pt ru

Text im Spiel: Nein

 

Kommentar:

Hoher Wiederspielwert

Verschiedene Strategien

Gutes Regelwerk

Schönes Spielmaterial

Tolle Grafik & Gestaltung

 

Vergleichbar:

Terra Mystica mit Feuer & Eis

 

Andere Ausgaben:

Cranio Creations (it), DiceTree (kr), Edge Entertainment (fr), Game Harbour (es), Games Factory (pl), Hobby World (ru), Maldito (es), Mandala Jogos (pt), Ten Days (jp), White Goblin (nl), Z-Man (en)

 

Meine Einstufung: 7

 

Dennis Rappel:

Ein Muss für alle Terra Mystica Fans, die sich nach (noch) mehr Abwechslung und neuen Perspektiven sehnen, jedoch nicht vor höheren Einstiegshürden und einer längeren Spieledauer von bis zu 3,5 Stunden zurückschrecken.

 

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 3

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0