UNSERE REZENSION

 

Bauen und Schaffen im Bayrischen Wald

 

Die GlasstraSSe

 

Glas und Ziegel für so manches Gebäude

 

Der noch junge Verlag Feuerland Spiele ließ gleich mit seinem ersten Spiel im Jahr 2012 aufhorchen. Terra Mystica wurde zu einem Spielehit bei Vielspielern. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an das letztjährige Zweitlingswerk, die Glasstraße, diesmal ausschließlich vom allseits bekannten Spieleautor Uwe Rosenberg. Wie bei seinen Spielen üblich finden wir auch hier eine Menge an Spielmaterial, das pro Partie nur zum Teil zum Einsatz kommt, und einige, für seine Spiele charakteristische Mechanismen. Anders als einige seiner anderen Spiele ist die Glasstraße aber nicht so strategisch planbar, es passiert immer wieder Unerwartetes und das Spiel lebt von seinem Abwechslungsreichtum. Leidtragender dieser Vielfalt ist allerdings die Planbarkeit, wodurch die Glasstraße für so manchen Vielspieler an Reiz verlieren könnte. Mit Terra Mystica ist es jedenfalls nur schwer vergleichbar.

Wir befinden uns im Bayrischen Wald und stellen aus allerlei Rohstoffen Glas und Ziegel her, in der Realität war dies ein florierendes Geschäft bis ins 20. Jahrhundert. Jeder Spieler hat sein eigenes Tableau, seinen Landschaftsplan, auf dem er im Laufe des Spieles seine Gebäude errichtet. Zu Beginn befinden sich dort aber nur 3 Startgebäude und fast alle freien Plätze sind mit Landschaftsplättchen wie Wald, Gehölz, Teich und Mulde besetzt. Diese Bestückung des eigenen Tableaus zu Spielbeginn ist für alle Spieler gleich.

Im Laufe des Spieles, d.h. während der einzelnen Bauperioden, gilt es nun Gebäude(plättchen) zu errichten und damit Siegpunkte zu sammeln. Gebäude entstehen aber nicht aus dem Nichts, nur mit den richtigen Rohstoffen lassen sie sich bauen. Glücklicherweise kann jeder Spieler dafür Fachkräfte anheuern, die ihm die erforderlichen Materialien liefern bzw. notwendigen Fähigkeiten zum Bau bereitstellen.

Das Spiel gliedert sich in vier Bauperioden. Innerhalb dieser Bauperioden werden auf einer eigenen Gebäudetafel Gebäude zum Bau angeboten, abhängig von der Spieleranzahl 12 bzw. 15 Gebäude. Alle Gebäude im Spiel sind einzigartig, kein Gebäude kommt mehrfach vor. Diese 93 Gebäude teilen sich nach gleichen Teilen in 3 verschiedene Arten auf: Umwandlungsgebäude zur dauerhaften Verwendung, mit denen deren Besitzer Rohstoffe umwandeln kann, sobald er das Umwandlungsgebäude gebaut hat; Sofortgebäude, die nur beim Bau einen Bonus bringen, der sofort genutzt werden muss und Punktegebäude, die ausschließlich Siegpunkte am Spielende bringen. Pro Bauperiode stehen jeweils 4 bzw. 5 Gebäude jeder Art für Bauaktionen zur Auswahl, dieses Angebot wird immer nur zu Beginn einer Bauperiode aufgefüllt. Hat ein Spieler ein Gebäude durch Bezahlen der Rohstoffe gebaut, so legt er es auf einem freien Platz auf seinem Tableau ab. Freie Plätze zu haben, ist in diesem Spiel aber kein Problem, da die Landschaftsplättchen Gehölz, Mulde und Teich zwar je einen Platz in Anspruch nehmen, diese aber jederzeit, ohne dafür eine Aktion zu verbrauchen, entfernt werden können. Ausschließlich der Wald kann nicht einfach so entfernt werden, sondern muss durch Verwendung als Zahlungsmittel für eine Fachkraft abgeholzt werden. Wald wächst auch nicht wieder nach!

Gebaute Gebäude bleiben bis zum Ende des Spiels an ihrem Platz, sie können weder entfernt noch verschoben werden. Während auch viele Umwandlungs- und Sofortgebäude eine angegebene, fixe Anzahl an Siegpunkten bringen, ist die Höhe an Siegpunkten durch Punktegebäude immer an Bedingungen geknüpft.

Mit wenigen Ausnahmen werden Gebäude aus einer Kombination aus Holz, Glas, Lehm und Ziegel erbaut. Zu den einfachen Rohstoffen gelangt man durch Nutzen von Fachkräften bzw. durch Umwandlung vorhandener Rohstoffe über das jeweilige Umwandlungsgebäude.

Die beiden hochwertigen Rohstoffe Glas und Ziegel können aber nicht direkt von den Fachkräften erworben werden, sondern benötigen einfache Rohstoffe zur Umwandlung. So benötigt Glas 5 Rohstoffe (Quarzsand, Holz, Holzkohle, Nahrung, Wasser) und Ziegel 3 Rohstoffe (Lehm, Holzkohle, Nahrung). Wie auch schon bei früheren Spielen von Uwe Rosenberg kommen auch hier Produktionsräder zum Einsatz, mit denen der Spieler seine einfachen und hochwertigen Rohstoffe verwaltet. Jeder Spieler hat 2 Produktionsräder, eines für Glas und eines für Ziegel. Auch die Anzahl seiner einfachen Rohstoffe verwaltet jeder Spieler auf diesen beiden Produktionsrädern. Hat ein Spieler alle einfachen Rohstoffe auf einem Rad gesammelt, so muss er den entsprechenden höherwertigen Rohstoff produzieren und verliert damit automatisch die für den höherwertigen Rohstoff benötigten einfachen Rohstoffe, d.h. produziert er z.B. 1 Ziegel, so verliert er automatisch 1 Lehm, 1 Nahrung und 1 Holzkohle! Dieser Vorgang des Produktionsrad Drehens ist einer der wesentlichen Spielkomponenten. Maximal 3 hochwertige Rohstoffe pro Art (Glas, Ziegel) sind auf diese Weise auf dem jeweiligen Produktionsrad gleichzeitig „lagerbar“.

Wie bereits erwähnt, setzt der Spieler für den Erwerb von Rohstoffen seine Fachkräfte ein. Dazu hat jeder Spieler sein eigenes Kartenset an Fachkräften, 15 an der Zahl. Diese Fachkräfte ermöglichen dem Spieler an Rohstoffe zu kommen, Landschaftsplättchen (Gehölz, Teich, Mulde) oder Gebäudeplättchen auf seinem Tableau zu bauen oder Gebäudeplättchen zu erwerben. Sie entscheiden also über die Aktionen, die der Spieler in einer Bauperiode durchführen kann. Jede Karte bietet dazu zwei mögliche Aktionen an. Oft verlangen die Fachkräfte eine Bezahlung in Form von Rohstoffen oder Waldplättchen. Zu Beginn jeder Bauperiode sucht sich jeder Spieler aus seinen 15 Karten geheim 5 Karten aus, die er auf die Hand nimmt. Die restlichen 10 Karten kommen in dieser Bauperiode nicht ins Spiel und werden weggelegt. Danach werden drei Kartenrunden gespielt, in denen jeder Spieler jeweils eine Karte spielt. Wie im Weiteren beschrieben wird das Spielen der Karten allerdings sehr wesentlich von den Mitspielern beeinflusst!

In jeder Kartenrunde sucht sich also jeder Spieler die Karte aus, die er spielen möchte, und legt sie verdeckt vor sich ab. Der Startspieler beginnt mit dem Aufdecken seiner Karte.

Jeder andere Spieler, der nun noch die gleiche Karte in seiner Hand hat, muss ebenfalls gleichzeitig mit der Aktion des Spielers am Zug diese Karte ausspielen. Nun kommen die zwei Aktionsmöglichkeiten zum Tragen. Bleibt der Spieler am Zug der einzige, der diese Karte spielt, so darf er beide Aktionen ausführen. Die Kosten der Karte bezahlt er dabei nur einmal. Andernfalls darf jeder Spieler, der nun diese Karte spielen muss, sich eine der beiden Aktionen auswählen, unabhängig von der Auswahl der anderen Spieler. Dieser Spielzwang ist allerdings pro Spieler auf maximal zweimal pro Bauperiode beschränkt: musste ein Spieler bereits zweimal eine seiner Handkarten im Spielzug eines anderen Spielers spielen, darf er dies bei einer weiteren Gelegenheit in dieser Bauperiode nicht mehr tun. Damit ist gewährleistet, dass jeder Spieler drei Karten regulär spielen kann. Muss ein Spieler zweimal die Mitspiel-Aktion nutzen, so spielt er in dieser Bauperiode zwar alle 5 Handkarten, die Reihenfolge kann er aber nur zum Teil beeinflussen.

Während einer Bauperiode wechselt der Startspieler nicht, es beginnt also immer der gleiche Spieler alle 3 Kartenrunden. Erst danach geht der Startspielermarker an den nächsten Spieler im Uhrzeigersinn weiter. Beim Spiel zu viert hat somit jeder Spieler eine Bauperiode als Startspieler. Beim Spiel zu dritt erhält der Spieler mit den wenigsten Gebäuden in der letzten Runde den Startspielermarker.

Am Ende der Bauperiode werden wieder die leeren Plätze auf der Gebäudetafel mit Gebäuden aufgefüllt und jeder Spieler nimmt alle seine Fachkräfte zurück auf die Hand, um in der folgenden Bauperiode wieder 5 Karten auszuwählen.

Nach dem Ende der letzten Bauperiode zählt jeder Spieler seine Siegpunkte auf seinen gebauten Gebäuden und auch einzelne Rohstoffe sind nun noch Siegpunkte wert. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt, bei Gleichstand gewinnen alle daran beteiligten Spieler.

Bei der Berechnung der Siegpunkte von Punktegebäuden sind die Bedingungen auf dem Gebäudeplättchen angegeben. Hier sind die verschiedensten Bedingungen möglich. Als Beispiele seien ein paar angeführt: Die Zahl der Siegpunkte kann abhängig sein von den gebauten Gebäuden – benachbarte oder bestimmte Typen -, von benachbarten gleichartigen Landschaftsplättchen, von noch vorhandenen Waldplättchen, von der Anzahl des verbauten Glases für die eigenen Gebäude oder von verbauten Flächen.

Die Glasstraße ist ein kurzweiliges Spiel, in der die Spieler ständig in das Spielgeschehen involviert sind. Der Autor empfiehlt auch, falls die vier Bauperioden zu schnell vorüber gehen, noch eine fünfte anzuhängen. Dieser Vorschlag hat auch seine Berechtigung, da man wirklich während des Spielens den Eindruck gewinnt, dass die Zeit für den Gebäudebau einfach zu schnell vorbei geht und man auch nach der 4. Bauperiode noch gerne weiterbauen möchte. Das Spiel lässt sich auch als Solospiel spielen, mit leicht angepassten Regeln und dem Ziel eine bestimmte Siegpunktezahl zu schaffen.

Auch wenn sich das Spiel stark in Richtung Vielspieler wendet, so wird es wahrscheinlich dem einen oder anderen Vielspieler nicht zusagen. Einer der wesentlichen Gründe dabei ist wohl die Unberechenbarkeit aufgrund des hohen interaktiven Anteils. Durch das gezwungene Spielen von Karten aufgrund dessen, dass ein Mitspieler die gleiche Karte in seinem Zug spielt, kann die eine oder andere Planung sich komplett in Luft auflösen. Oft hat dies zur Folge, dass das Spielen dieser Karte zu diesem Moment noch nichts bringt, da man zum Beispiel noch nicht die richtigen Rohstoffe hat, da man sie erst durch Spielen einer anderen Karte bekommen würde. Ganz automatisch überlegt man sich beim Auswählen der Karten pro Bauperiode eine Reihenfolge, diese wird aber oft durch die Mitspieler zunichte gemacht. Auch wenn der Autor empfiehlt, bei der Wahl der Karten mit zu bedenken, welche Karten die anderen Spieler spielen könnten, so nützt dies wenig, wenn man sich bestimmte Rohstoffe besorgen muss und damit auf das Spielen bestimmter Karten nicht verzichten kann. Man hat sogar ein bisschen das Gefühl, dass man in diesen Spielabschnitten von den anderen Spielern gespielt wird, weil man diesen Faktor nicht beeinflussen kann. Dieses Spielelement kann man aber auch positiv sehen, da es immer spannend bleibt, ob die eigene Planung aufgeht oder eben nicht.

Eine weitere Unwägbarkeit sind die Gebäudeplättchen, die am Beginn jeder Bauperiode ergänzt werden. Da nur ein geringer Teil aller Plättchen ins Spiel kommt, lohnt es nicht darauf zu spielen, dass ein bestimmtes Plättchen auf der Gebäudetafel ausgelegt wird. Gerade die Punktegebäude bringen aber nur dann mehrere Siegpunkte, wenn man sein Spiel darauf ausrichtet. Hier bestimmt oft der Zufall, dass man sich ein wertvolles Gebäude holen kann, weil man gerade die richtigen Rohstoffe besitzt und kein anderer Spieler vor dem eigenen Zug das Plättchen weg schnappt. Hat man noch dazu das Glück, dass es sich um ein Punktegebäude mit vielen möglichen Siegpunkten handelt, dann kann einem das ziemlich weit nach vorne bringen. Die Punktegebäude schwanken nämlich relativ stark in ihrem maximalen Siegpunktewert!

Abhilfe bei der Auswahl der Gebäude bringt allerdings der Lehnsherr, den man unbedingt nutzen sollte, auch wenn dies das Spielen einer Karte in einer Bauperiode kostet. Der Lehnsherr erlaubt dem Spieler, von jedem der drei verdeckten Stapel der Gebäudeplättchen das oberste zu nehmen. Diese Gebäude sind dann exklusiv im Vorrat des Spielers und er kann sie genauso bauen wie die Gebäude aus dem allgemeinen Angebot.

Trotz dieser Einschränkungen ist die Glasstraße ein abwechslungsreiches, kurzweiliges Spiel mit einfachen Regeln. Ich würde es vor allem dann empfehlen, wenn man Lust hat, ein nicht allzu strategisches, aber hoch interaktives Spiel zu spielen.

 

Spieler: 1-4+

Alter: 12

Dauer: 20 min / Spieler

Autor: Uwe Rosenberg

Grafik: Dennis Lohausen

Preis: ca. 34 Euro

Verlag: Feuerland Spiele 2013

Web: www.feuerland-spiele.de

Genre: Wirtschafts- und Aufbauspiel

Zielgruppe: Für Experten

Version: de

Regeln: de en

Text im Spiel: nein

 

Kommentar:

umfangreiches Spielmaterial

gut verständliche Regel

Karteneinsatz zur Aktionsauswahl

 

Vergleichbar:

Verflixxt, Agricola

 

Andere Ausgaben:

Z-Man Games, Filosofia, White Goblin Games

 

Meine Einschätzung: 5

 

Bernhard Czermak:

Ein schnell zu erlernendes Spiel, das durch das Überangebot an Spielmaterial abwechslungsreich ist und durch die hohe Interaktivität so manche Überraschung im Spielverlauf verursacht. Darunter leidet allerdings stark die Planbarkeit der eigenen Züge.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0