UNSERE REZENSION

 

Einmal Baumeister der Ewigen Stadt sein

 

Charterstone

 

Worker Placement als Legacy Spiel

 

Legacy Spiele sind ein eigene und noch relativ junge Kategorie von Spielen. Bisher hatte ich von diesen Spielen Abstand genommen, da sich meiner Meinung nach der hohe Preis zum Spielreiz und zur Vergänglichkeit nicht rechnet. Ist die Kampagne durchgespielt, ist das Spiel nicht mehr brauchbar. Anders sähe es allerdings aus, wenn sich ein Legacy Spiel nach der Kampagne weiterspielen lässt. Die Antwort darauf ist Charterstone.

 

Charterstone beginnt mit sehr einfachen Regeln. In der Kampagne, die aus zwölf Spielpartien besteht, bekommt man das Gefühl, an der Entstehung des Spiels mitzuarbeiten, das ja auch in einem gewissen Maß stimmt. Man fühlt sich quasi ein wenig als Spieleerfinder und der Reiz das Spiel entstehen zu lassen wird von Partie zu Partie immer wieder neu geweckt.

 

Vor der ersten Spielpartie gibt es nicht viel vorzubereiten, der Einstieg ist sehr schnell geschafft. Die Spielregel besteht zwar aus einigen Seiten, diese sind aber zum Großteil noch leer. So vertieft sich das Spiel Schritt für Schritt während der Kampagne und das Regelwerk erweitert sich kontinuierlich.

Allerdings, auch wenn das Durcharbeiten der Spielregel nur kurz ist, können wir nicht gleich losspielen. Denn als Erstes muss die Indexbox befragt werden. Diese enthält alle Spielkarten, die im Laufe der Kampagne oder auch danach dem Gesamtspiel dauerhaft hinzugefügt werden können, welche hinzukommen entscheidet sich durch die Spieler. Da sind einerseits Karten, die wirklich Bestandteil des Spiels werden, aber auch Karten, die die Regeln erweitern oder die Gesamtgeschichte erzählen. So starten wir also unser Spiel mit dem Lesen des Beginns der Geschichte um die Ewige Stadt und der ersten zusätzlichen Regeln, die dann auch gleich in die Spielregel eingeklebt werden.

 

Die anfänglichen Regeln entsprechen im Wesentlichen den Grundregeln eines Worker Placement Spiels sowie Erklärungen zur Verwendung der Spielelemente und die Spielende-Bedingung. Wir lesen, dass jeder Spieler zwei gleichwertige Arbeiter hat, von denen er in seinem Zug entweder einen am Spielplan auf einem Aktionsfeld einsetzen oder die bereits in vorangegangenen Zügen eingesetzten Arbeiter wieder vom Spielplan zurücknehmen kann. Arbeiter dürfen auch auf einem Aktionsfeld eingesetzt werden, auf dem bereits ein Arbeiter steht, dann kommt dieser wieder zurück zu seinem Besitzer; dies ist sogar mit einem eigenen Arbeiter möglich. Setzt man einen Arbeiter auf ein Aktionsfeld muss man immer etwaige, dort angegebene Kosten bezahlen und führt dann sofort zumindest teilweise die Aktion aus. Die Kosten sind anfangs entweder Ressourcen, von denen es sechs verschiedene im Spiel gibt oder Geld oder Einflussmarker.

 

Über die Einflussmarker lesen wir, dass ihr Einsatz ein entscheidendes Spielelement ist, denn jeder Spieler hat in einer Spielpartie genau zwölf eigene Einflussmarker, die er entweder, wie schon angeführt, für die Bezahlung von Aktionen ausgeben kann oder zur Markierung der Erfüllung bestimmter Aufgaben. Dass es für jeden Spieler eben nur zwölf Einflussmarker sind, ist in den meisten Spielepartien ein limitierender Faktor und zugleich auch der indirekte Auslöser für das Spielende.

 

Diese Grundregeln des Spiels bleiben bis zur letzten Partie der Kampagne und auch darüber hinaus unverändert. Allerdings kommen während der Kampagne immer neue Spielelemente hinzu, die den Spielablauf mehr und mehr variabler gestalten. Auf diese neuen Spielelemente wird hier nicht im Detail eingegangen, sonst würde zu viel verraten werden.

 

Aus der Startspielregel erfahren wir auch über den Einsatz der Karten im Spiel. Anfangs sind Rollenkarten, Ausbaukarten und Zielkarten im Spiel, die wir entsprechend ihrer Nummer aus der Indexbox entnehmen. Alle Karten in dieser Box sind durchnummeriert und einzigartig.

Beim ersten Spiel erhält jeder Spieler die Rollenkarte seiner Spielerfarbe, die aber keine eigene Funktion hat. Erst die Rollenkarten, die ein Spieler während des Spiels erhält, bieten ihm auch einen individuellen Bonus während der Partie, oft gekoppelt mit einer bestimmten Aktion.

 

Die Ausbaukarten sind unterschiedlichen Typs, hier kommen während der Kampagne immer wieder neue Typen hinzu. So werden aus den anfänglich drei unterschiedlichen Typen bis zum Ende der Kampagne sieben verschiedene. Sie bilden einen Stapel auf einem eigenen Spielplan, fünf davon liegen immer offen aus. Wir beginnen mit den Typen Gebäudekarten, leeren Gebäudekarten und Assistentenkarten. Viele Typen bieten dem Spieler die Möglichkeit, während des Spiels Vorteile zu erhalten oder Aktionen aufzuwerten oder Siegpunkte zu gewinnen. Von essenzieller Bedeutung sind aber die Gebäude- und leeren Gebäudekarten. Diese Karten sind die Basis für die Entstehung des Spielplanes im Zuge der Kampagne.   

 

Denn auch dieser weist anfangs viele weiße Flecken auf. Schließlich sollen wir ja im Zuge der Kampagne die Ewige Stadt bauen, da der König mit der bestehenden Hauptstadt nicht mehr zufrieden ist. Die Grundfläche der Stadt ist schon vorhanden, auch die Einteilung in sieben Bezirke, genannt Charter. Im zentralen Charter befinden sich bereits fünf Gebäude und noch ein weiteres Gebäude liegt am Rande der Stadt; diese dienen auch gleich als erste Einsetzfelder für unsere Arbeiter. Die restlichen Charter sind komplett leer, bieten Platz für jeweils sechs Gebäude und gehören immer einem Spieler, d.h. er alleine hat dort das Recht, neue Gebäude zu bauen und zwar nur dort. Die zentralen Gebäude bieten alle Möglichkeiten, diese Gebäude zu bauen, allerdings keine Möglichkeit eine der sechs verschiedenen Ressourcen zu erhalten. Daher wird vor dem ersten Spielbeginn aus der Indexbox an jeden Spieler ein ganz bestimmtes Gebäude übergeben, das er auch sofort baut, auch in einer Charter ohne Spieler im Spiel. Diese sechs Gebäude sind Produktionsgebäude, jedes für eine andere Ressourcenart.

 

Für den Spieler bedeutet das: Gebäude von der Gebäudekarte abziehen und auf den Spielplan kleben. Abgesehen von diesen ersten Gebäuden gilt immer, dass neue entweder auf einen leeren Bauplatz gebaut werden dürfen oder ein bestehendes Gebäude überklebt werden darf. Mit diesen Bautätigkeiten verändert sich der Spielplan für immer und die Ewige Stadt entsteht mehr und mehr bis sie am Ende der Kampagne vollständig ist.

 

Nur im eigenen Charter bauen zu dürfen scheint im ersten Moment sehr einschränkend, schließlich sind ja dort nur sechs Plätze, jedoch gibt es im Lauf der Kampagne auch hierfür eine Lösung, so dass das Bauen von Gebäuden bis zum Ende der Kampagne (und auch darüber hinaus) eine wichtige Aktion bleibt.

Jedes neue Gebäude stellt wieder ein neues Aktionsfeld dar mit eigenen Kosten und eigener Aktion, jedes individuell und von allen Spielern nutzbar.

 

So hat nun jeder Spieler zu Spielbeginn u.a. eine leere Gebäudekarte bei sich. Wozu? Hier kommen die Kisten ins Spiel. Bei vielen Gebäudekarten, anfangs bei allen, ist eine Kiste mit einer individuellen Nummer abgebildet, die auch nach dem Bau des Gebäudes auf der Karte sichtbar bleibt. Diese Kiste kann über eine Aktion im zentralen Charter geöffnet werden. Die Folge davon ist neues Spielmaterial fürs Spiel! Aus dem Index entnimmt man, welche Spielelemente aufgrund des Öffnens der Kiste aus der Indexbox ins Spiel kommen, teilweise an den aktiven Spieler, teilweise als allgemeiner Vorrat. Die Kiste liefert immer eine neue Rollenkarte, die der Spieler für weitere Partien in seiner Chartertruhe verwahrt. Andere Elemente sind neue Ausbaukarten, eventuell auch die eines neuen Typs, oder komplett neue Spielelemente, z.B. sogenannte Helfer, die ähnlich wie Arbeiter eingesetzt werden. Erst nachdem die Kiste geöffnet wurde wird diese leere Gebäudekarte aus dem Spiel genommen und landet im Archiv.

 

Eine weitere Aktion im zentralen Charter ist die Erfüllung einer Zielkarte, die dritte Art von Karten im Spiel. Pro Spielpartie liegen drei Zielkarten offen aus. Sie haben immer eine Bedingung, hat sie ein Spieler erfüllt, nutzt er das entsprechende Aktionsfeld und markiert die erfüllte Zielkarte mit einem seiner Einflussmarker. So können alle Spieler unabhängig voneinander alle Ziele erreichen.

 

Die Aktion Zielkarte erfüllen ist eine von anfangs vier Aktionsfeldern, die während des Spiels Siegpunkte bringen. Drei dieser Aktionsfelder haben aber noch eine andere Eigenschaft, sie lassen den Marker auf der Fortschrittsleiste weiterwandern. Die Fortschrittsleiste ist bestimmend für das Spielende. Je nach Spieleranzahl startet der Marker an unterschiedlicher Position und wandert bis zur letzten Position weiter. Ist er dort angekommen, wird die Runde noch zu Ende gespielt, dann endet die Partie. Gegen Ende des Spiels wandert der Marker im Allgemeinen rascher voran, da auch bei Spielern am Zug, die keine Einflussmarker mehr besitzen, der Marker um ein Feld weiter Richtung Ende gesetzt wird.

Auf der Fortschrittsleiste finden sich auch Felder die eine Aktion auslösen, das kann bei „Einkommen“ für alle Spieler gelten oder bei der „Ansehensleiste“ nur für den aktiven Spieler. Die Ansehensleiste ist eine Leiste, die erst in der Schlusswertung gewertet wird. Dort legen Spieler Einflussmarker ab, wer die Mehrheit am Ende hat, bekommt die meisten Siegpunkte usw.

 

Nach dieser Schlusswertung endet das Spiel und jeder Spieler wertet seine Siegpunkte aus. Dazu markiert er seine Erfolge auf seiner Chartertruhe. Der Sieger darf hier einen Pokal ausfüllen, alle anderen Spieler dürfen die Kapazität ihrer Chartertruhe erhöhen. Diese Kapazität bestimmt, wieviel und welches Spielmaterial der Spieler in die nächste Partie mitnehmen darf. Schließlich malen alle Spieler für jeweils zehn volle Siegpunkte einen Ruhmespunkt auf ihrer Chartertruhe aus. Damit können sie noch weitere Spielelemente zu Beginn der nächsten Partie erhalten. Die ausgefüllten Pokale und Ruhmespunkte bilden auch einen wesentlichen Teil der Siegpunkte, die die Spieler am Ende der Kampagne erhalten, um so den Gesamtsieger der Kampagne zu ermitteln.

 

Charterstone kann mit maximal sechs Spielern gespielt werden, deshalb auch die sechs Charter am Spielplan. Für das Spielen der Kampagne sind aber nicht sechs Spieler erforderlich. Ich habe die Kampagne zu dritt durchgespielt, das Regelwerk ist so aufgebaut, dass auch die Charter, die nicht von Spielern besetzt sind, parallel zu den anderen entstehen. Es gibt nur geringe Einschränkungen, die aber nicht ins Gewicht fallen. Das Spiel bietet auch ein Regelwerk für virtuelle Spieler, falls man das möchte. Aus meiner Erfahrung heraus, ist das aber nicht notwendig. Was mir aber nicht empfehlenswert scheint, ist während der Kampagne den Charter zu wechseln, man sollte am besten vom ersten bis zum zwölften Spiel seinem Charter, d.h. auch seiner Farbe, treu bleiben, da man sonst die während der Kampagne erarbeiteten Vorteile verlieren würde.

 

Mit Ende der zwölften Spielpartie ist die Kampagne zu Ende, nun werden noch die Gesamtpunkte je Spieler über die gesamte Kampagne ermittelt und der Gewinner als neuer Herrscher über die Ewige Stadt steht fest.

 

Lässt sich das Spiel nun sinnvoll weiterspielen? Ja, auf jeden Fall. Nach Ende der Kampagne hat man ein vollständiges Worker Placement Spiel mit all den Erweiterungen, die in der Kampagne hinzugekommen sind. Auch alle Aktionsfelder sind weiterhin verfügbar, sogar die zum Bauen von Gebäuden oder Öffnen von Kisten. Diese darf man nun auch ohne (leere) Gebäudekarte nutzen. Und da die Indexbox weiterhin nicht leer ist, können sogar nach der Kampagne noch neue Karten und eventuell auch neue Gebäude hinzukommen. Was natürlich nach der Kampagne wegfällt, ist die Einbindung einzelnen Partien in die Gesamtgeschichte der Ewigen Stadt, dies hat aber keinen Einfluss auf den Spielverlauf.

 

Zusammenfassend war das Erlebnis Charterstone eine interessante Abwechslung zu einem Nicht-Legacy Spiel. Natürlich muss man sich die Zeit nehmen, und die zwölf Partien der Kampagne durchzuspielen. Allerdings sind die einzelnen Partien zeitlich relativ kurz, so dass sich an einem Spieleabend zwei Partien hintereinander zeitlich leicht ausgehen und dies macht auch Spaß! Dies ist für mich allerdings ein bisschen ein Nachteil für das Spiel nach der Kampagne. Hier ändert sich an der Spieldauer nichts, so dass die Spielpartien zu kurz zu sein scheinen. Mit Hausregel ließe sich das aber leicht anpassen, man braucht nur mit dem Fortschrittsmarker weiter hinten starten und schon verlängert sich die Partie. Etwas zu bedauern ist der Spieler, der während der Kampagne die Indexbox verwaltet. Auch wenn die Indexbox sehr stabil und mit Magnetverschluss ausgeführt ist, kann das Suchen und Entnehmen der Karten nach jeder neuen Kiste schon recht mühsam werden und führt auch zu einer Spielunterbrechung.

Für Freunde der Kampagne wird mittlerweile vom Verlag ein Recharge Pack angeboten, mit dem die Kampagne ein zweites Mal durchgespielt werden kann.

 

Bernhard Czermak

(c) Bilder Henk Rolleman

 

Spieler: 1-6

Alter: 14+

Dauer: 60+

Autor: Jamey Stegmaier

Grafik: David Forest, Lina Cossette, Gong Studios

Preis: ca. 70 Euro

Verlag: Feuerland Spiele 2017

Web: www.feuerland-spiele.de

Genre: Worker Placement, Legacy

Zielgruppe: Für Experten

Spezial: 1 Spieler

Version: de

Regeln: de + cn en es fr it pt ru

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

Legacy Spiel

auch nach der Kampagne weiter spielbar

Recharge Pack erhältlich

 

Vergleichbar:

Ein Fest für Odin, Russian Railroads

 

Andere Ausgaben:

Stonemaier Games (en), Ghenos Games (it), Lavka Games (ru), Ludofiy Creative (pt), Maldito Games (es), Matagot (fr), Surfin’ Meeple China (cn)

 

Meine Einschätzung: 6

 

Bernhard Czermak:

Durch die Vielzahl an Einsetzfeldern und die zahlreichen unterschiedlichen Spielelemente ist Charterstone auch nach der Kampagne ein abwechslungsreiches, nicht allzu komplexes und kurzweiliges Worker Placement Spiel.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau): 1

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0