UNSERE REZENSION

 

Diebstahl lohnt sich nicht – oder doch?

 

Infiltration

 

Räume erforschen und Siegpunkte sammeln

 

Spätestens seit 2009 ist Donald X. Vaccarino als Spieleautor in der Spieleszene bekannt. Durch das Spiel des Jahres 2009, Dominion, gleichzeitig seine erste Veröffentlichung, war er in aller Munde. Sein Spielemechanismus des Deck Building Games hat mittlerweile schon viele Nachahmer gefunden. Sein zweites Spiel, Nefarious, hat ebenfalls großen Anklang und viele Anhänger gefunden. Heuer konnte Donald X. Vaccarino mit Kingdom Builder erneut das Spiel des Jahres für sich gewinnen. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen gegenüber seiner neuesten Veröffentlichung - Infiltration.

Infiltration spielt in der Android-Welt von Fantasy Flight Games. Die Spieler sind Diebe, sogenannte Operators, die gemeinsam in ein Gebäude eindringen (für die Englisch-Profis unter uns: somit handelt es sich um corporate larceny), um geheime Daten in Form von Datafiles zu stehlen. Allerdings bleibt dieser Einbruch nicht unbemerkt. Diverse Alarme werden ausgelöst und die Sicherheitskräfte eilen schon herbei: es ist absehbar, dass sie bald hier eintreffen werden.

Auch wenn die Spieler ein gemeinsames Verbrechen eint, ist Infiltration kein kooperatives Spiel. Jeder Spieler konkurriert mit den anderen darum, möglichst viele der begehrten Datafiles zu stehlen und damit einen Punktesieg zu erringen. Aber Achtung! Was nützt einem Einbrecher der größte Diebstahl, wenn er sich selbst nach seinem Verbrechen nicht in Sicherheit bringen kann! Dies macht wohl primär den Reiz des Spiels aus: einerseits möglichst weit ins Gebäude einzudringen um viele Datafiles zu sammeln, und andererseits sich immer bewusst zu sein, wieder rechtzeitig aus dem Gebäude fliehen zu können. Denn jeder Spieler, der am Ende des Spiels das Gebäude nicht verlassen konnte, wird von den Sicherheitskräften geschnappt und hat automatisch verloren!

Infiltration benötigt keinen Spielplan. Das Gebäude wird durch Karten zusammengestellt, wobei jede Karte einen Raum repräsentiert. Mit diesen Karten werden zwei Stockwerke gebildet, jedes Stockwerk hat seinen eigenen Kartensatz. Von den 15 Karten pro Stockwerk kommen allerdings nur 6 Karten pro Spiel zum Einsatz, wodurch sich pro Partie - ähnlich wie bei Nefarious die Sonderregel-Karten - sehr unterschiedliche Spielsituationen ergeben können. Neben den beiden Stockwerken hat das Gebäude noch einen zusätzlichen, geheimen Raum.

Jeder Raum ist individuell gestaltet, hat in den meisten Fällen Datafiles gelagert und zeichnet sich durch seine Funktionen aus sechs unterschiedlichen Kategorien aus, die sich durch das Ereignis, das sie auslöst, definieren: Die Funktion Enter bedeutet, dass sie bei Betreten des Raumes ausgelöst wird und sich auf den betretenden Spieler auswirkt. Reveal wird durch das Aufdecken der Karte ausgelöst. Interface beschreibt die individuelle Funktion des Raumes, die durch die Aktion Interface genutzt werden kann. Tech Lock wird ausgelöst, wenn das geheime Versteck mit zusätzlichen Datafiles aufgebrochen wird. Advance und Retreat sind nur auf wenigen Karten vorhanden und dienen ausschließlich zum Betreten bzw. Verlassen des geheimen Raumes.

Die Funktionen Interface und Tech Lock sind mit Token - Interface Token in lila, Tech Lock Token in rot - verknüpft. Sobald der jeweilige Token entfernt wurde, kann diese Funktion in diesem Raum nicht mehr genutzt werden. Noch eine weitere Token-Art, der Lab Worker Token, ist im Spiel. Sie funktioniert ähnlich wie der Tech Lock Token, schaltet also zusätzliche Datafiles frei, ist aber niemals mit einer Raum-Funktion verknüpft. Lab Worker Token sind gelb - eine Anspielung auf billige, chinesische Arbeitskräfte? Schließlich sind sie diejenigen, die sich noch zu später Stunde arbeitend im Gebäude aufhalten! Zu guter Letzt noch die Token, um die sich alles dreht: die Datafile Token, kurz DF Token genannt. Sie sind während des gesamten Spielablaufes verdeckt, da sie Werte von 1, 2 oder 3 haben können. Die Verteilung der Werte ist allerdings unterschiedlich: 58 DF Token mit Wert 1 stehen nur 18 DF Token mit Wert 3 gegenüber!

Vor Beginn des Spieles wird nun das Gebäude aufgebaut. Es gibt im ersten Stock den Eingangsraum (Karte links) und ganz rechts den Raum, der in den zweiten Stock führt. Erster und zweiter Stock zusammen bilden eine Pfeilspitze. Zwischen Eingangsraum und letztem Raum im 2. Stock wird der geheime Raum platziert. Bis auf den ersten Raum werden alle Räume verdeckt ausgelegt. Je nach Angabe im ersten Raum wird der Raum mit den entsprechenden Token aufgefüllt.

Nun betreten die Spieler das Gebäude über den Eingangsraum. Jeder Spieler kann sich einen eigenen Charakter wählen, die allerdings keine Spezialfähigkeiten besitzen, d.h. sie sind alle gleichwertig. Ein Charakter besteht aus einer Karte, die der Spieler vor sich ablegt und einem Pappmarker, mit dem der Spieler von Raum zu Raum im Gebäude wandert. Die Charakter-Karte hat zwei Seiten: eine "Gesund" und eine "Verletzt" Seite. Alle Spieler beginnen mit der "Gesund" Seite. Wird ein Spieler verletzt, hat dies Auswirkungen auf sein Weiterkommen im Gebäude: Nach einer Bewegungsaktion (vorwärts oder zurück), darf in der nächsten Runde nicht wieder eine Bewegungsaktion gespielt werden.

Neben den Spielercharakteren können auch bis zu fünf Non Player Character = NPCs im Spiel sein. Welche wirklich am Spielgeschehen teilnehmen, ergibt sich im Laufe des Spiels durch das Aufdecken der Räume. Für jeden NPC gibt es einen eigenen Raum, dessen Reveal-Funktion den NPC ins Spiel bringt. Alle NPCs haben negative Auswirkungen auf die Spieler.  

Der zeitliche Ablauf im Spiel und das Näherkommen der Sicherheitskräfte werden durch einen sogenannten Security Tracker verfolgt. Der Security Tracker hat zwei Anzeigen, den Alarm Level und den Proximity Level. Der Alarm Level liegt zwischen -1 und 8, zu Beginn des Spieles steht er auf 0 und verändert sich durch Item Karten (siehe unten), Räume oder NPCs. Er hat Einfluss auf den Anstieg des Proximity Levels, der angibt, wie nahe die Sicherheitskräfte schon sind. Dessen Wert liegt zu Beginn bei 0 und sobald er 99 erreicht oder überschreitet, ist das Spiel zu Ende. Im Regelablauf erhöht sich der Proximity Level jeweils in einer Spielphase durch Würfelwurf.

Das Spielgeschehen bestimmt jeder Spieler durch Wählen von Aktionen. Dazu besitzt jeder Spieler vier Aktionskarten: eine Advance Karte, eine Retreat Karte, eine Interface Karte und die Download Karte. Als Alternative zur Download Karte kann auch mit der Extract Karte gespielt werden, eine mitgelieferte Spielvariante, angeblich etwas strategischer als das Grundspiel. In der Spielvorbereitung einigt man sich, mit welchem Kartenset gespielt wird.

Neben den vier Aktionskarten erhält jeder Spieler zu Beginn des Spieles noch vier weitere Karten vom Kartenstoß der Item Karten. Damit hat jeder Operator nun 8 Karten auf der Hand.

Die Item Karten erweitern die Aktionsmöglichkeiten des Spielers. So kann zum Beispiel nur über diese Karten ein Lab Worker Token oder Tech Lock Token entfernt werden, womit zusätzliche DF Token im Raum auftauchen. Es gibt auch Item Karten, die den Bewegungsradius des Spielers erweitern oder NPCs vernichten. Item Karten werden immer nur einmalig genutzt, danach werden sie entweder abgeworfen, aus dem Spiel genommen oder bleiben im Raum liegen. Außer durch Raumfunktionen erhält ein Spieler keine weiteren Item Karten während des Spiels! 3 spezielle Item Karten, eine davon vierfach vorhanden, werden zu Beginn des Spiels beiseitegelegt. Sie sind nur in bestimmten Räumen zu erhalten und ermöglichen zum Beispiel eine Flucht aus dem Gebäude oder 10 zusätzliche DF Punkte am Spielende.

Nun beginnt die erste Runde. Es wird immer im Uhrzeigersinn gespielt, der Startspieler der Runde erhält den Security Tracker und gibt ihn am Ende der Runde an seinen linken Nachbarn weiter.

Jede Runde läuft gleichmäßig mit vier Phasen ab, bis der Proximity Level die 99 erreicht. In jeder Runde spielt jeder Spieler genau eine Karte von seinen Handkarten, entweder eine der vier Aktionskarten oder eine seiner Item Karten. Die Aktionskarte nimmt er am Ende der Runde wieder auf die Hand, die Item Karte verliert er. In der ersten Phase, der Selection Phase, wählt jeder Spieler verdeckt eine Karte aus und legt sie vor sich ab.

In der anschließenden Resolution Phase werden die Karten gespielt. Der Startspieler beginnt mit Aufdecken und Ausführen seiner Karten, danach der Spieler links von ihm usw.

Mit der Aktionskarte Advance geht der Spieler einen Raum weiter. Sollte der Raum noch verdeckt sein, wird die Raumkarte aufgedeckt, eine vorhandene Reveal-Funktion sofort ausgeführt und der Raum mit den angegebenen Token aufgefüllt: Interface Token, Tech Lock Token und Lab Worker Token haben ihren eigenen Ablageplatz, DF Token werden entsprechend der angegebenen Anzahl abgelegt. Danach betritt der Spieler den Raum und handelt die Enter-Funktion des Raumes ab, sofern sie vorhanden ist. Die Aktionskarte Retreat wird ident abgehandelt, nur dass sich der Spieler einen Raum zurück bewegt. Ist der Spieler verletzt, muss er nun seinen Pappmarker umlegen, um zu kennzeichnen, dass er "Delayed" ist, d.h. in der nächsten Selection Phase darf er keine Advance oder Retreat Aktionskarte wählen. Er könnte sich aber sehr wohl mit einer entsprechenden Item Karte weiter bewegen!

Wird die Aktion Retreat im Eingangsraum gespielt, so verlässt der Operator das Gebäude. Er spielt danach nicht mehr mit und kommt erst wieder bei der Endwertung ins Spiel zurück. Dies gilt auch bei Verlassen des Gebäudes durch eine Raumfunktion oder eine Item Karte.

Hat der Spieler die Interface Karte gewählt, nutzt er die Interface Funktion des Raumes, sofern in diesem Raum noch ein Interface Token vorhanden ist. Entsprechend der Funktionsbeschreibung wird der Interface Token nach der Ausführung der Funktion entfernt oder bleibt für weitere Nutzung liegen.

Mit der Download Karte erhält der Spieler noch vorhandene DF Token in diesem Raum. Als erster Spieler in diesem Raum, der die Download Funktion nutzt erhält er zwei der dort liegenden DF Token, jeder weitere Spieler nur noch einen. DF Token können natürlich nur dann genommen werden, solange welche in diesem Raum vorhanden sind. Die alternative Extract Karte regelt die Verteilung der DF Token auf andere Weise: abhängig davon, wie viele Spieler in diesem Raum die Extract Karte gespielt haben, darf man bei den DF Token zulangen: ein einzelner Spieler darf bis zu 4 DF Token nehmen, bei zwei Spielern bis zu 2, ab drei Spielern jeder nur einen DF Token.

Item Karten werden entsprechend ihrem Text ausgewertet und abgelegt. Der Text auf der Karte beschreibt auch, was mit der Karte danach passiert.

Nun folgt die NPC Phase. Jeder NPC zeigt ein eigenes Verhalten. Der Text auf der jeweiligen NPC Karte wird nun befolgt. Alle NPCs bis auf einen wandern Richtung Ausgang des Gebäudes und sind dabei entweder spielerschädigend, zerstörerisch oder alarmauslösend unterwegs. Die meisten NPCs verletzen Operators, die sich im gleichen Raum befinden.

In der letzten Phase, der Security Phase, würfelt der Startspieler der Runde mit einem sechsseitigen Würfel und bestimmt damit, wieweit die Sicherheitskräfte näher gekommen sind. Das Würfelergebnis wird mit dem Alarm Level zusammengezählt, zum aktuellen Proximity Level addiert und dieser auf den neuen Wert eingestellt. Erreicht oder überschreitet der Wert die Zahl 99 ist das Spiel sofort zu Ende. Wer es nicht geschafft hat, bis zu diesem Zeitpunkt aus dem Gebäude heraus zu kommen, hat automatisch verloren. Die anderen Spieler zählen nun die Punkte auf ihren gesammelten DF Token. Der Spieler mit der höchsten Summe gewinnt.

 

Eins vorweg: Infiltration ist kein Spiel für Strategen. Die Planungsmöglichkeiten im Spiel sind sehr beschränkt. Planbar ist zum Beispiel der Einsatz der Handkarten. Hier sollte man auf jeden Fall seine Aktionen mit der Spielerreihenfolge koordinieren, denn diese spielt eine wichtige Rolle beim Abhandeln der Aktionen. Auch das Einschätzen der anderen Spieler ist dabei gefragt. Weiters sollte man sich einen Plan für den Weg durchs Gebäude zu Recht legen, immer im Hinblick auf eine mögliche Flucht. Dennoch kann der besten Planung der Faktor Zufall einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen, denn der Rest des Spiels ist zufällig: Bestimmte Räume anpeilen zu wollen geht nicht, da ja zu Beginn nicht bekannt ist, welche Räume im Spiel sind. Damit bleibt auch bis zum letzten Raum die Ungewissheit, ob es Räume zur Flucht gibt oder man sich wieder zum Eingang zurückbewegen muss. Auch der Raum zur Heilung kann, muss aber nicht vorhanden sein. Die Item Karten kennt man zwar von Beginn an, welche Karten der insgesamt 35 man erhält, ist aber rein zufällig. Auch die Zahl der verbleibenden Runden lässt sich nur bedingt abschätzen: da wäre einerseits der Würfelwurf in der Security Phase und andererseits können Räume oder NPC aufgedeckt werden und ganz plötzlich der Proximity Level deutlich nach oben steigen. Schließlich auch noch der Zufallsfaktor DF Token, da ja nicht die Anzahl, sondern die Werte auf der Rückseite für den Sieg zählen.

Infiltration sollte man daher mit Humor nehmen. Einfach ins Gebäude stürmen, möglichst viel dabei einsammeln, rechtzeitig das Weite suchen und zwischendurch Spaß an den Geschehnissen rund um die eigenen Aktionen haben. Setzt man seine Ansprüche auf dieser Ebene an, hat man ein unterhaltsames, kurzweiliges Spiel vor sich, das in Freundesrunden sicherlich Spaß machen kann. 

 

Bernhard Czermak

 

Spieler: 2-6

Alter: 14+

Dauer: 45+

Autor: Donald X. Vaccarino

Grafik: Michael Silsby

Preis: ca. 30 EUR

Verlag: Fantasy Flight Games 2012

Web: www.fantasyflightgames.com

Genre: Lauf- und Sammelspiel

Zielgruppe: Mit Freunden

Version: en

Regeln: en

Text im Spiel: ja

 

Kommentar:

futuristische Gestaltung, witziges Thema

Hoher Spaßfaktor, wenig Planbarkeit

Einfache Spielregel

Kurze Spieldauer

Hohe Interaktion

 

Vergleichbar:

Nefarious

 

Andere Ausgaben:

Derzeit keine

 

Meine Einschätzung: 5

 

Bernhard Czermak:

Vom Spielablauf ähnlich wie Nefarious hat Infiltration einen viel höheren Zufallsanteil, der neben den Spieleraktionen auch entscheidend am Spielgeschehen mitmischt. Kein Spiel für Strategen, aber kurzweilig und mit großem Fun-Faktor.

 

Zufall (rosa): 3

Taktik (türkis): 3

Strategie (blau):  

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 0

Interaktion (braun): 3

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0