PERLEN DER SPIELKUNST

 

I’M THE BOSS

 

SID SACKSONS VERMÄCHTNIS

 

Liebe Leserin, lieber Leser! „I’m the Boss“ ist eine Neuauflage des Schmidt Spiels „Kohle, Kies & Knete“ (Auswahlliste Spiel des Jahres 1994), noch dazu eine mehr als begrüßenswerte, ist doch das Original, wie Knut-Michael Wolf, der Bearbeiter der ersten deutschen Fassung, ganz unverhohlen meint, „in meinen Augen aber das Beste, was er [Sackson] je erfunden hat!“ Wer einzelne Werke aus dem Œvre des Meisters kennt, mit „Kohle, Kies & Knete“ aber nicht vertraut ist, wird sich in jedem Fall mit Spannung und hoher Erwartungshaltung auf diesen Verhandlungspoker an den Tisch setzen dürfen. Die Geschichte von „I’m the Boss“ reicht sogar noch weiter in die Schaffensperiode Sid Sacksons zurück. Eine eher wenig ansehnliche Kartenspielausgabe für den amerikanischen Markt erschien bereits in den Achtzigerjahren unter dem Titel „It’s a Deal“. Für den deutschen Geschmack kaum brauchbar, wurde das Regelwerk gänzlich neu überarbeitet. Mit Knut-Michael Wolf konnte glücklicherweise ein akribischer Vollblutprofi für eine adäquate Regelanpassung an das Spielgefühl diesseits des Atlantiks angeheuert werden. Eigentlich sollte ich eher den Begriff Regelerweiterung oder gar Regelerneuerung verwenden, ist doch, wie der Bearbeiter in einem Interview betont, sein eigener Beitrag zu einem lesbaren und fesselnden Einstieg in diesen atypischen Sackson ziemlich beträchtlich. Nun, die Vorschusslorbeeren sind verteilt, jetzt geht es an die Kernfrage, die Qualität dieser Neuveröffentlichung einzuschätzen. [aus: WIN März 2005, HK] Ihr Urteil darf in Leopoldsdorf im Marchfeld, im Österreichischen Spielemuseum, gefällt werden. www.spielen.at

 

Ein Spielplan mit sechzehn quadratischen Feldern und eine „Dollarfigur“ laden im Lichtkegel des Betrachters zu turbulenten Investitionen ein. Da auch Lust und Spielwitz um den Tisch versammelt sind, tragen die Investorkarten klingende Namen: Carolyn Cashman, Debra Dougherty (am. dough = Geld), George Goldman, Lance Liebgeld, Stephanie Sacks (am. sack = Beutelinhalt) [Reminiszenz an Sid Sackson, HK] und Will Wadsworth (am. wad = Banknotenbündel.) Was ist das Ziel des Spiels? Um es gleich ganz offen zu sagen, es gilt Dollars zu scheffeln, Deals Gewinn bringend abzuwickeln, das Motto des Titels zu verkörpern („I’m the Boss“), vor allem aber am Ende mit dem größten Geldberg dazustehen. Typisch amerikanisch, werden Sie sagen. Nun, zumindest wird die Welt der Finanztransaktionen in interessanter Form wider gespiegelt. Irgendein seriöser Spieler übernimmt die Bank, abgesehen davon beginnen alle mit leeren Taschen.  „I’m the Boss“ lebt vom Feilschen um jeden Dollar, vom ständigen, oft überraschenden Einwerfen von Kärtchen, die das Spielglück wie einen Ping-Pong Ball mal hierhin, mal dorthin treiben lassen. Man leidet einfach mehr, wenn mehr Spielfreunde um den Tisch sitzen und lustvoll mit ungeheuchelter Schadenfreude die entgangenen Megadeals der anderen kommentieren, wenn lautstark diskutiert und notfalls mit einem „schlagenden“ Argument in Form einer Überraschungskarte nachgeholfen wird. Damit sind wir bereits beim entscheidenden Punkt. „I’m the Boss“ ist kein Spiel für zurückhaltende, grüblerische Menschen. Sie haben auch kaum Zeit, lange über den Einsatz der einen oder anderen Karte nachzudenken, denn alle, wirklich alle, handeln ständig gleichzeitig. Je temperamentvoller Sie bei den kleinen und großen Geschäften manipulieren, je durchsetzungsfreudiger Sie sind, desto eher werden Sie Ihre Mitspieler zu unbedachten Aktionen verleiten. Absolute Interaktivität ist das Markenzeichen dieses meisterhaft konzipierten Sid Sackson Spiels. Ob es am Ende reicht? Wait and see - there can only be one true tycoon!

 

Rückmeldungen an: hugo.kastner@chello.at               

Homepage: www.hugo-kastner.at

 

EMPFEHLUNG # 89

Spieler: 3-5

Alter: 12+

Autor: Sid Sackson

Gestaltung: William O‘Connor

Dauer: 60+

Preis: ca. 30 Euro

Jahr: 2003

Verlag: Face2Face Games

www.face2facegames.com

Vorgänger Kohle, Kies & Knete (1994)

 

Taktik:2 von 9

Info±: 4 von 9

Glück: 3 von 9

 

Egal wie sie Ihren Plan taktisch auch anlegen, um erfolgreich zu sein, brauchen Sie neben einer glücklichen Kartenzuteilung auch  die „Investoren“ und „Clanmitglieder“ der Mitspieler. Und diese machen nichts umsonst! So sieht sie aus, die Geschäftswelt, wenn es um den schnöden Mammon geht. Die wertvollen Unterstützungskarten Ihrer Tischpartner bleiben Ihnen leider bis zum Moment des Einsatzes verborgen, daher bleibt dieses Geschäftemachen allemal ein wahrer Seiltanz. Es geht bei den entscheidenden Deals nichts über ein in letzter Sekunde hingeworfenes, lautstarkes, amerikanisch akzentuiertes „I’m the Boss“.

 

Hugos EXPERTENTIPP

 

Wenn Sie in der Neuausgabe eine wesentliche Verbesserung zum bereits erprobten „Kohle, Kies und Knete“ erhoffen, werden Sie vergeblich suchen. Wer also die Schmidt-Ausgabe sein Eigen nennt, kann auf „I’m the Boss“ wahrlich verzichten. Gut, es werden einige kleine Hausvarianten angeboten, von denen mir persönlich vielleicht die am besten gefällt, der zufolge auch beim Ausspielen einer Bosskarte die Spielreihenfolge unverändert bleibt.

 

Hugos BLITZLICHT

 

Wer das pulsierende, lebendige Streben nach dem Megadeal einmal miterlebt hat, wird „I’m the Boss“ jeder nicht allzu grüblerisch geprägten Spielrunde empfehlen. Die trockene Genrebezeichnung „Verhandlungsspiel“ lässt die innewohnende Dynamik dieses Sid Sackson Meisterwerks nicht im Geringsten erahnen. Stellen Sie sich daher auf einen turbulenten Spielabend ein, besonders dann, wenn laute, pfiffige Verhandlungen Ihrem Naturell entsprechen. „I’m the Boss“ ist eine Bank für Spielfreunde mit argumentativer Überzeugungskraft.   

VORANKÜNDIGUNG

 

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