INTRIGE

 

INTRIGE

 

Verlag: FX Schmid

Autor: Stefan Dorra

Anzahl der SpielerInnen: 3 - 5

Spieldauer: 20 - 40 min

 

Der Titel und die Grafik auf der Spieleschachtel lassen erahnen worum es geht. Die Grafik zeigt drei mittelalterlich gewandete Herren einander heimlich Geld zustecken. Und gerade um dieses Geld, beziehungsweise um die mehr oder weniger illegalen Methoden (der Titel) es zu bekommen geht es in diesem Spiel.

Laut Spielidee ist das Spiel im Italien des Mittelalters angesiedelt. Wer aber glaubt, daß man sich als Klein-Medici, Pseudo-Borgia, etc. so richtig austoben kann, der irrt gewaltig. So intensiv geht dieses exakt sechs Runden dauernde Spiel nicht auf den Titel ein.

Das Thema wirkt auf mich zu aufgesetzt, und alle Gruppen mit denen ich gespielt habe fanden, das eher ein Titel mit Wohnungen, Schwarzablösen etc. besser gepaßt hätte.

Es ist ein leicht erklärbares, schnelles Spiel wobei es auf Verhandlungen und verbalen Druck ankommt. Das heißt, Leute mit großem Mundwerk haben es bei diesem Spiel leichter. Der Spaß kommt auch nicht zu kurz, vorausgesetzt man liebt solche Spiele. Es ist durchaus zu empfehlen und paßt sich dem Trend der kurzen Famielienspiele an.

 

Das Spiel selbst:

 

JedeR SpielerIn ist Oberherr einer Stadt mit fünf Wertbereichen (10-, 20-, 30-, 50- und 100-tausend Dukaten), und hat zehn Diplomaten aus fünf Bereichen unter seiner Herrschaft. Weiters ist sie/er mit einem Grundkapital von 320.000 Dukaten ausgestattet. Die Diplomaten sollten möglichst geschickt bei anderen SpielerInnen untergebracht werden, wobei natürlich schon über eventuelle (Gegen-)Geschäfte geredet werden sollte. Da heißt es rechtzeitig zu intrigieren und vorzuplanen. Aber: "Nix is fix".

 

Das Spiel dauert sechs Runden, wobei sich jede Runde in drei Teilzüge gliedert.

Im ersten Teilzug werden die Einkünfte für eigene Diplomaten in fremden Städten kassiert (von der Bank auszubezahlen).

Im zweiten Zug werden fremde Diplomaten in die eigene Stadt aufgenommen. Dabei hält der Hausherr die Hand in auf aller Welt bekannter Art auf. Dazu ist zu sagen, das von jeder Art nur ein Diplomat in der Stadt sein kann und darf. Um also auf möglichst gewinnbringende Bereiche zu kommen muß man den Hausherren bestechen (Mindestsumme 10000). Kleinere Hinweise auf Freundschaft (??!), Gegengeschäfte, Drohungen usw. helfen ebenfalls die Entscheidungswilligkeit des Hausherrn zu verbessern. Sollten zwei oder mehr Diplomaten gleicher Art in die Stadt wollen, oder sogar schon drinnen sein, so kommt es zu einem ...äh ... "Konflikt". Jeder versucht nun wieder mit oben genannten Argumenten und Geld den Hausherrn zu überzeugen. Die Sache hat zwei Haken: 1. eine einmal genannte Summe darf nicht mehr erhöht werden und 2. der Verlierer wird auf die Insel verbannt (Spielstein wird entfernt).

Beim dritten Teilzug werden zwei eigene Diplomaten ausgesandt.

 

Was kann passieren: Da man von jedem Diplomaten nur ein Paar besitzt, kann zB. durch Abdrängung der ersten Diplomaten in niedere Wertklassen kaum mehr in höhere Klassen eingegriffen und somit meist gar nicht mehr um hohe Einnahmequellen mitgespielt werden.

Auch kann der Hausherr gezwungen sein, einen Diplomaten um die Mindestbestechungssumme aufzunehmen falls kein Mitbewerber vorhanden ist.

 

Obwohl das Spiel anstandslos funktioniert hat man den Eindruck daß "etwas" fehlt. Ab der 5. Runde wird das Spiel durch die Verteilung der Diplomaten und der Sitzreihenfolge berechenbar. Manche SpielerInnen kassieren nur noch einmal, während andereR SpielerInnen noch zweimal kassieren würden, jedoch beide SpielerInnen aber für das gleiche Objekt bieten müssen/sollen.

Trotz dieser Vorbehalte aber für den Gesamteindruck der Stern.

 

WIN-Wertung:

* AA UU S P II

 

@TITELZEILE = INTRIGE

@BODY X FETT = Besprechung: Tom Werneck

 

Genau wie gerufen erreichte uns noch die Besprechung zu Intrige von Tom Werneck, Mitglied der Jury "Spiel des Jahres", der genau in die Kerbe von Ronald Novickys Leserbrief schlägt:

 

Eine Hand wäscht die andere

 

Die Intrige der Woche: Ränke, Wortbruch, Täuschung, List, Betrug....

 

Damit ein Produkt beim Käufer ohne Vorbehalte akzeptiert wird müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Er muß es brauchen, und der Preis muß in etwa dem Wert entsprechen. Bei Spielen gerät das Preis-Wert-System gerne aus den Fugen. Die Hersteller schieben das auf den Verbraucher, und der Konsument klagt über den uneinsichtigen Produzenten. Ein wunderbares Beispiel dafür ist Intrige. Ohne Mühe hätte das ganze Spiel in einer Schachtel untergebracht werden können, die exakt das halbe Volumen fräße. Doch weil der Hersteller davon ausgeht, der Verbraucher vermutet in einem kleinen Schächtelchen auch nur ein kleines Spielchen, traut er sich dafur auch nicht den Preis anzusetzen, den er für das Spiel verlangen will - und der dafür auch wirklich gerechtfertigt ist. Besagter Verbraucher könnte ja denken, das kleine Spielchen sei unverschamt überteuert. So hält sich schon seit Jahrzehnten unangefochten die saudumme Formel: Kleine Schachtel, kleiner Preis - große Schachtel, großer Preis. Läßt sich ein Spiel zwar problemlos in eine winzige Schachtel packen, aber nur zu einem gehobenen Preis verkaufen, so kommt es gnadenlos in eine überdimensionierte Box. Den Schaden hat der Verbraucher, der geschachtelte Luft in seiner sowieso zu kleinen Wohnumgebung ins Regal stapelt.

 

Seit Jahren fordern Kritiker ein Umdenken. Doch die Hersteller ficht s nicht an, und der Käufer schluckt demütig, was ihm vorgesetzt wird. Diese Bemerkungen sind zwar an dem wohlfeilen Beispiel Intrige festgemacht, seien aber der gesamten Branche ins Stammbuch geschrieben.

 

Durch die überdimensionierte Schachtel merkt man nämlich die Besonderheit von Intrige kaum. Es ist ein Spiel, zu dem man kaum Material braucht. Das eigentliche Spiel läuft im Kopf ab.

 

Autor Stefan Dorra, der schon mit dem Ravensburger-Spiel Razzia aufgefallen ist, hat ein Szenario entworfen und ausgefüllt. Wir stehen im Jahr des Herrn 1518, ein knappes Jahrzehnt vor der Eroberung und Plünderung Roms durch kaiserliche Söldnertruppen; dem "Ende der Renaissance" Adam Riese veröffentlicht seine "Rechnung auf den Liniehen" und für Kurzsichtige gibt es endlich Brillen. Lucas Cranach malt die "Madonna" und Tizian die"Himmelfahrt Mariä". Ansonsten geht es auf der Welt etwa so unchristlich zu wie heutzutage. Vor allem in Italien, wo mächtige Stadtstaaten ihren Einfluß auszudehnen suchen. Jeder der drei bis fünf Spieler ist Regent eines solchen Staates; ist Medici in Florenz oder Sforza in Mailand.

 

Jeder Herrscher sendet Bedienstete in die Nachbarstaaten aus. Dort sollen sie eine einflußreiche Stellung erlangen - und ordentlich Dukaten verdienen. Da sind je zwei Pfaffen, Pfennigfuchser, Landsknechte, Winkeladvokaten und Bücherwürmer, die auf einen lukrativen Job aus sind. Jeder Spieler hat vor sich ein Kärtchen mit einem Palazzo, der fünf verschieden dotierte Pöstchen bietet. Im Vorhof der Macht sammeln sich die Anwärter und stehen Schlange wie im Arbeitsamt.

Die Jobs werden aber nicht nach Leistung oder Ansehen der Personen vergeben. Es zählt einzig und allein, was sich im Hintergrund, auf der Ebene der großen Politik abspielt. Dort werden nämlich die Absprachen getroffen. Und damit das Geschäft in Gang kommt, wandert erst mal ein kleines Geldbündel über den Tisch. Ein Handgeld, ein Bakschisch. Anders, als hierzulande auf der politischen Bühne immer wieder zu beobachten, wird dort wenigstens kein Hehl aus der Bestechung gemacht. Im Gegenteil, alle Beteiligten wissen, wer wem wann wieviel zusteckt. Alle noch so intriganten Verhandlungen werden ganz frech und offen geführt. Davon kann mancher Politiker bei uns nur träumen.

Da biete ich nun die stolze Summe von 140.000 Dukaten, damit mein Rechtsverdreher auf den Hunderttausender-Platz kommt und kalkuliere dabei, es sei ein gutes Geschäft. In fünf Spieljahren kann mir der Bursche eine halbe Million an Salär einspielen. Die Bestechungsinvestition abgezogen bleibt noch ein ansehnliches Sümmchen übrig. Und was tut der bestochene Schuft? Kassiert von meinem Nachbarn noch mal eine fette Summe, setzt meinen Juristen auf eine lausige Dreißigtausender-Planstelle, von der er ihn zudem nach einer weiteren Runde auf die Sträflingsinsel verbannt. Dafür tront auf dem Platz meines Rechtskundigen nun ein anderer Paragraphenheini und streicht Jahr für Jahr 30 Mille ein. Na wartet, euch werde ich mores beibringen.

Gar nichts werde ich. Zwar wurde ich gerade übel gelinkt und über den Tisch gezogen. Doch Feindschaften kann man sich bei diesem Spiel nicht lange leisten. Zu schnell wechseln die Interessenlagen, wechseln Freund und Feind das Lager. Es ist fast wie im echten Leben. Wer in den siebziger Jahren prognostiziert hätte, nur eine halbe Generation später würde der russische Staatspräsident in Deutschland mit der gleichen Herzenswärme und Zuneigung empfangen, wie seinerzeit JFK, man hätte ihn als Spinner abgetan. Und? Bei einer Stichwahl um das Kanzleramt gegen Gorbatschow hätte Kohl vor fünf Jahren wahrscheinlich ganz schön alt ausgesehen. Man muß wohl ständig alles ändern, wenn man will, daß alles so bleibt, wie es ist.

Intrige gibt dieses teuflische Wechselspiel von Versprechen und Wortbruch, von Vertrauen und Trug, von großer Geste und kleinem Hinterfotz perfekt wieder. So perfekt, daß man sich die richtigen Spielpartner aussuchen muß. Der Hinweis auf der Schachtel ist falsch und irreführend. Ab 12 Jahren ist da zu lesen. Ich bin wirklich nicht kleinlich und bigott, wenn es darum gehen soll, dem Spiel Grenzen zu setzen. Ob das der richtige Konsum für 12jährige ist, stelle ich anheim. Aber für eine Runde hartgesottener, abgefeimter, wirklich guter Freunde ist Intrige ein ganz ungewöhnliches intellektuelles Vergnügen. Man muß nur nach dem Spiel wieder sorgsam alles aufräumen und wegwischen, was sich gestaut haben konnte.

 

Muß sich klarmachen, daß man ja zusammengesessen war, um List und Ränke auszukosten. Daß man die gesitteten Grenzen des redlichen Umgangs verlassen wollte, um die ganze Skala der Tabus zu brechen. Ach ist das schön, wie da geschmeichelt, gedroht, verhandelt, gelogen, argumentiert, genervt und debattiert wird. Und das alles nur, um ein paar kostbare Spielgeld-Dukaten zusammenzuraffen. Wenn man diese Art von Spielen mag: Wunderbar!