Condottiere

 

Strategie(?)-Spiel

fÜr 2-6 Personen

von Dominique EHRHARD

EUROGAMES, 1995

 

Die Schachtel präsentiert sich in edlem Aussehen und verspricht "Ein Strategiespiel im Zeitalter der Renaissance in Italien". Das Interesse des potentiellen Käufers ist geweckt und je nach Neigung erwartet man sich ein Spiel zwischen RISIKO, BLOOD ROYALE und CIVILIZATION. Doch weit gefehlt, das Strategiespiel ist nämlich gar keines - es handelt sich vielmehr um ein Kartenspiel, das sich in der überdimensioniertesten Schachtel des Jahres präsentiert.

 

Vorab jedoch einmal zum Spiel selbst: Auf einem Spielplan findet sich eine in 17 Provinzen/Kleinstaaten aufgeteilte Abbildung von Ober- und Mittelitalien. Jede dieser Provinzen weist eine Hauptstadt auf und Ziel der 2-6 Mitspieler ist es, je nach Spieleranzahl, 3-4 Städte in aneinandergrenzenden Gebieten zu erobern.

Diese Eroberungen werden in Form von "Karten"gefechten durchgeführt und so erhält bei Spielbeginn jeder Spieler 10 Karten. Jener Spieler, der die im Spiel enthaltene Metallfigur, die eine Nachbildung der Statue eines Condottiere ist, erhält, besitzt zuerst das Recht, jene Provinz zu bestimmen, um welche gekämpft werden soll. Ist ein Kampf einmal entschieden, wird die entsprechende Stadt mit einem Turm in der Farbe des siegreichen Spielers gekennzeichnet und dieser kann danach eine neue umkämpfte Provinz bestimmen.

 

Die Karten sind das Um und Auf des Spieles und beinhalten Söldner, einen Trommler, eine Vogelscheuche, eine Heldin, den Winter, eine "Übergabe" sowie einen Bischof. Die Spieler bilden reihum durch Ausspielen von Karten ihre Armee und haben in einer Runde alle Spieler gepasst, hat derjenige die Stadt erobert, dessen Armee den größten Wert aufweist. Gibt es gleich große Armeen oder hat sich überhaupt keine Armee am Kampf beteiligt, bleibt die Stadt unerobert. Hierbei zählen Söldnerkarten entsprechend ihrem Wert (1-6 oder 10), was jedoch durch einen Trommler, der der eigenen Armee zugeführt wird, bedeutend verändert werden kann, da diese Karte die Werte aller eigenen Söldner verdoppelt. Weniger lustig ist eine ausgespielte "Winter"-Karte, da danach alle bereits ausgespielten Söldnerkarten, auch die eigenen, plötzlich nur mehr den Wert 1 aufweisen. Die Heldin ist eine Sonderkarte: Sie weist den Wert 10 auf und wird weder vom Trommler, noch vom Winter beeinflusst. Hat man nun bereits einige Söldnerkarten gespielt, ist jedoch die liebe Gegnerschaft ganz einfach zu stark, kann man auch eine Vogelscheuche spielen und dadurch eine bereits eingesetzte eigene Söldnerkarte wieder aus dem Gefecht heraus und auf die Hand nehmen. Die Karte Übergabe erklärt sich eigentlich von selbst: Der Kampf endet sofort und jener Spieler, der zu diesem Zeitpunkt die stärkste Armee aufweist, gilt als Eroberer. Die Macht der Kirche schließlich wird durch den Bischof repräsentiert - wird dieser gespielt, endet der Kampf ebenfalls sofort, es gibt jedoch keinen Sieger und es findet keine Eroberung statt.

 

Da nach Abschluss eines Kampfes alle eingesetzten Karten auf den Ablagestapel wandern, sollte auch großes Augenmerk auf den richtigen Einsatzzeitpunkt gelegt werden. Die Kraft zu früh aus der Hand zu geben ist nicht zielführend, zu lange zu warten bringt jedoch auch nichts. Da jeder Spieler, der keine Söldner mehr auf der Hand hält, seine Karten abwerfen darf, kann es passieren, dass man zwar wahnsinnig gute Karten besitzt, diese jedoch gegen niemanden mehr einsetzen kann, da alle anderen mit leeren Händen da sitzen. Weist nur mehr ein Spieler Karten auf, werden alle Karten gemischt und jeder Spieler erhält wiederum 10 Karten sowie für jede Stadt, die er erobert und besetzt hat 2 zusätzliche Karten.

Es ist möglich, auch bereits von einem Spieler besetzte Städte zum Angriffsziel des nächsten Kampfes zu erklären und hat man einmal die entsprechende Anzahl aneinanderliegender Provinzen besetzt, kann man sich jubelnd danach sehnen, ein Reiterstandbild in Padua zu sein.

 

Das Spiel selbst hat mir eigentlich ziemlich gut gefallen, es läuft relativ schnell ab, ist leicht erklärt und bietet doch genügend Platz für kleine taktische Raffinessen oder auch größere taktische Betrügereien und hätte von mir sicherlich zumindest ein Sternchen bekommen. Was aber dazu führt, dass ich CONDOTTIERE rundheraus ablehne, ist ganz einfach die Tatsache, dass ich es als absolute Frechheit empfinde, 96 Spielkarten und einen Spielplan in eine Riesenschachtel zu packen und dafür einen horrenden Preis (schon gesehen um knappe ö.S. 600,--) zu verlangen. Die beigefügte Metallfigur, die den jeweiligen Startspieler, der die umkämpfte Provinz festlegt, angibt, braucht kein Mensch und auch die Türme, mit welchen bereits eroberte Gebiete gekennzeichnet werden, hätte man sicher als kostengünstigere Variante (z.B. Chips) einplanen können.

 

Fazit: Ein gutes Kartenspiel, das leider niemand kaufen wird.