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Alter                    8

Spezial                

 

Junger Mann zum Mitspielen gesucht!

RUMMELPLATZ

Gebrannte Mandeln und Ringelspiel

 

„Jetzt wieder zusteigen, jetzt wieder dabei sein, es geht wieder rund hier Freunde! Hey hey hey – und die nächste Fahrt geht rückwärts!“

Man kann die unvergessliche Mischung aus Zuckerwatte, Pommes Frites und gebrannten Mandeln schon fast riechen, wenn man den liebevoll gestalteten Spielplan von RUMMELPLATZ auf dem Spieltisch ausbreitet. Obwohl er nur nach Pappe riecht. Und wer ganz genau hinhört, glaubt sogar, Stimmengewirr, Partymusik und das Geratter der Achterbahn wahrnehmen zu können. Obwohl es nur das Poltern von Kunststoffedelsteinen, Würfeln und unzähligen Pappcountern sind, die da aus der opulent gefüllten Schachtel purzeln. Und schon liegt es vor uns, das Jubiläumsspiel zum 15 jährigen Bestehen des Verlags eggertspiele, das so völlig anders ist als alles, was zuvor unter diesem Label die (Viel-)spielerschaft begeistert hat.

 

Spaß  muss sein

Schon im Vorfeld der SPIEL 2010 ließ sich aus dem eigens eingerichteten Blog im Internet erkennen, dass die Beteiligten offenbar jede Menge Spaß bei der Planung ihrer kleinen Überraschung für die Spielerwelt hatten. Worum es aber genau ging, wurde erst relativ spät klar: ein Spiel auf dem Rummelplatz. Ein cleverer Schachzug, denn wie sonst sollte man so vielen kreativen Köpfen Raum geben, wenn nicht in der Gestaltung der vielen einzelnen Attraktionen eines Kirmesplatzes, ohne dass das Endergebnis wie ein zurecht gestauchtes Stückwerk wirkt? Von der Geisterbahn bis zum „Hau den Lukas“ ist alles dabei. Grafisch überaus einladend gestaltet von gleich sieben Personen, die sich unter anderem mit Namen wie Michael Menzel, Harald Lieske und Franz Vohwinkel als ein „Who is Who“ der deutschsprachigen Grafikerszene präsentieren.

Die Frage, ob sich der offensichtliche Spaß beim Entwickeln auch im Spielgefühl des fertigen Produktes wiederfindet, lässt sich eindeutig mit Ja beantworten. Anspruchsvoll oder gar strategisch ist das Ganze aber beileibe nicht. Was wird den Rummelplatzbesuchern denn nun wirklich abverlangt?

 

Ein kleiner Rummel-Bummel

Die Grundidee ist wirklich einfach: In jedem Spiel, das oft nicht länger als eine halbe Stunde (auch in voller Besetzung mit sechs Personen) dauert, besuchen die Spieler vier der insgesamt acht Attraktionen, um dort durch eine gute Platzierung möglichst viele „Lospunkte“ zu ergattern. Diese werden im „großen Finale“ in Loskärtchen umgewandelt. Je mehr Kärtchen ich habe, desto häufiger darf ich in dem Losbeutel nach dem Hauptgewinn fischen. Wer diesen als Erster herauszieht, gewinnt das Spiel. Zugegeben, diese Siegbedingung ist tatsächlich meilenweit von Werken wie „Im Schutze der Burg“ oder „Cuba“ entfernt. Nun denn, gehen Sie gemeinsam mit mir auf einen kleinen Rummel-Bummel und erleben Sie, welche aberwitzigen Attraktionen der Rummelplatz bietet. Pro Station stehen zwei zur Auswahl, welchem Nervenkitzel sich die Spieler stellen müssen, entscheidet immer derjenige mit den wenigsten Lospunkten.

 

Station 1: „Hau den Lukas“ oder „Die Wahrsagerin“

Keine Angst, es gibt keinen Hammer in der Spieleschachtel und es ist auch keine Kraftanstrengung nötig, um Lukas zu hauen. Hier geht es lediglich darum Würfel nach Vorgabe einer entsprechenden Karte aufeinander zu türmen, sodass die Vorderseite des Turms der Abbildung auf der Karte entspricht. Einzige Bedingung: Die Würfelaugen und Farben der Würfelseiten, die direkt aufeinander liegen, müssen identisch sein. Wer den höchsten regelkonformen Turm innerhalb der Laufzeit der dem Spiel beiliegenden Sanduhr errichtet, heimst die meisten Lospunkte ein.

Die Wahrsagerin hingegen erfordert ein Pokerface und Bluff von den Spielern. Ganz in der Manier des „Schummelns“ oder „Blödsinn“ oder „Lügens“ oder wie auch immer die Urfassung des Spiels beim Leser dieser Rezension zu Hause genannt wird, geht es darum, dem linken Nachbarn eine Karte unter Nennung des angeblich dort abgedruckten Wertes anzubieten, die dieser entweder nehmen und vor sich ablegen oder ablehnen kann.  In diesem Fall wird diese Karte dem nächsten Spieler im Uhrzeigersinn angeboten. Jeder kommt als Wahrsagerin zwei Mal an die Reihe und wenn alle Karten verteilt wurden, wird abgerechnet. Wer die meisten Punkte auf seinen Karten findet, erhält auch die meisten Lospunkte fürs Finale.

Witzig hierbei ist vor allem die Einbettung in das Vorhersagethema. So bietet man seinem Nachbarn eben nicht eine Karte mit dem Wert „-3“ an, sondern sagt ihm sein Schicksal voraus: „Ich sehe … kein Klopapier“. Und dieses Schicksal, sollte ich es annehmen, wäre dann in der Abrechnung drei Minuspunkte wert. Ein stimmungsvoller Kniff, der für einige Lacher sorgt – und bei Vielspielern für emotionale Erinnerungen an andere eggertspiele, wenn Madame Déjà-vu z.B. plötzlich eine „Sambaschule“ mitsamt der Originalgrafik des entsprechenden Cuba-Gebäudes in ihrer Glaskugel erblickt.

 

Station 2: „Pferderennen“ oder „Greifer“

Das Pferderennen ist eine wahre Würfelorgie, wie sie auch in Kinderspielen ab 5 Jahren Anwendung finden könnte. In Teams aus je zwei Personen würfeln die Spieler mit jeweils drei Würfeln gleichzeitig um die Wette. Für jeden Drilling (drei gleiche Zahlen) setzt der Partner den Pferdespielstein um 1, 2 oder 3 Felder vor. Es gewinnt, wer als erster seinen Zossen im Ziel hat, wobei die Rollen zur Hälfte der Strecke getauscht werden. Anspruch? Nein. Trubel? Ja!

Der Greifer hingegen erfordert ein wenig Koordinationsvermögen. Auf einem echten Rummelplatz steuert man mit einem Joystick einen Greifarm möglichst so, dass er ein hübsches Stofftier ergreift und in den Gewinnschacht fallen lässt. In diesem Spiel gibt es weder Stofftiere noch Elektronik, weshalb kurzerhand die Spieler als Joystick und Greifarm fungieren. Ziel ist es, möglichst wertvolle Kristalle mit versperrter Sicht und lediglich unter Zuhilfenahme des Daumens, Zeige- und Ringfingers aus dem Schachtelboden zu fischen. Die Kommandos dazu gibt ein Mitspieler mit den Worten „Mib“, „Mab“, „Mub“ und „Mob“, um die vier möglichen Richtungen anzuzeigen. Mit „Klick“ greift der Arm zu und hofft, ein punkteträchtiges Steinchen zu erwischen. Wer nach zwei Versuchen die höchste Gesamtpunktzahl hat, gewinnt.

 

Station 3: „Autoscooter“ oder „Schiffschaukel“

Wenn ein Stichspiel mit normalen Spielkarten zu langweilig ist, nennt man es einfach „Autoscooter“, motzt die Grafik auf und legt noch einen Stapel kleiner Autoscooter-Plättchen dazu und fertig ist das nächste Minispiel. Wer die höchste Karte legt, gewinnt hier jedoch nicht den Stich, sondern verliert die Runde, wird „angerempelt“ und deckt eines seiner 9 gestapelten Autoscooter-Plättchen auf. Dies geht so lange weiter, bis der erste Spieler sein „Tilt-Plättchen“ aufdeckt und das Spiel sofort beendet. Da jeder selbst entscheiden kann, wie tief dieses Plättchen im eigenen Stapel liegt, lässt sich beeinflussen, wie lange man im Spiel bleibt, selbst wenn man schlechte Karten hat. Dafür sinken aber auch die Punkte am Ende, denn für jedes Plättchen unterhalb des „Tilt-Plättchens“ gibt es am Ende je einen Punkt. Absahnen kann also nur, wer auch mal auf das Risiko setzt.

Schon wenn der Rezensent nur an seine Erlebnisse in der Schiffschaukel denkt, wird ihm wieder übel, was aber sicher nicht der einzige Grund ist, warum er dieses Spiel für das schwächste der RUMMELPLATZ-Sammlung hält. Hier ist der Ablauf so an den Haaren herbeigezogen, dass er mit dem realen Vorbild wirklich nichts mehr gemein hat. Jeder bekommt zehn Kristalle als Ausdauerpunkte und platziert seine Spielfigur in einer freien Sitzreihe der Schaukel. Je weiter außen, desto mehr „Spaßpunkte“ gibt es dafür. Dann würfelt jeder reihum mit so vielen Würfeln, wie seine Sitzreihe Punkte zeigt und muss für jede eins einen Ausdauerkristall abgeben, wobei ein Platz in der Mitte gar keine Punkte, sondern stattdessen einen zusätzlichen Ausdauerkristall beschert. In jeder neuen Runde setzen die Spieler ihre Figur in eine neue leere Sitzreihe, erhalten erneut Punkte und würfeln wieder, bis entweder der erste Spieler keine Ausdauer mehr hat oder jemand mindestens 22 Punkte erzielen konnte.

 

Station 4: „Achterbahn“ oder „Geisterbahn“

Die Achterbahn macht am meisten Spaß, wenn man wirklich in lockere Runde beisammen sitzt, denn hier kommt Bewegung ins Spiel. Immer zwei Sitznachbarn spielen gemeinsam und versuchen sich innerhalb von 30 Sekunden möglichst viele Aktionskarten in der richtigen Reihenfolge zu merken. Dann haken sie ihre Arme untereinander und simulieren eine Achterbahnfahrt, indem sie sich je nach Abbildung auf der Karte nach links oder rechts beugen, die Arme hochnehmen oder angsterfüllt die freie Hand vors Gesicht schlagen. Je mehr Aktionen korrekt aus dem Gedächtnis heraus dargeboten werden, desto mehr Punkte gibt es dafür. Verrückt – aber lustig.

Angsterfüllt kreischen darf man auch in der Geisterbahn. Das ist sogar zwingend notwendig, denn genau darum geht es. Jeder erhält zwei geheime „Angstauslöser“ zugeteilt, die er sich zu merken hat. Dabei handelt es sich um Karten mit Spinnen, Geistern oder ähnlichem. Während der „Fahrt“ werden nacheinander 15 Geisterbahnkarten aufgedeckt, die wiederum eine Auswahl von Angstauslösern zeigen. Wer einen seiner Auslöser entdeckt, kreischt, was das Zeug hält und versucht sich gleichzeitig zu merken, was den Mitspielern Angst einjagen könnte. Wenn der Wagon das Tageslicht wieder erreicht, wird abgerechnet und jeder muss tippen, wer vor welchen Kreaturen Angst hat. Punkte gibt es dann pro richtigen Tipp – und zwar sowohl für den Tipper als auch den Angsthasen.

 

Los! Zieh!

So pompös wie man es sich vorstellt, ist das Finale an der Losbude dann doch nicht. Im Grunde genommen, ist es sogar ein reines Glücksspiel, das nur dadurch ein wenig relativiert wird, dass die Spieler mit mehr Lospunkten häufiger in den Beutel greifen dürfen und dadurch statistisch gesehen, die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, erhöhen. Tatsächlich trifft es aber ebenso oft ein, dass ein Spieler mit wenigen Versuchen gleich beim ersten Mal den lila Kristall findet und damit alle Bemühungen aus den Attraktionsbesuchen im Vorfeld praktisch zu Nichte macht. Wer sich des immens großen Glücksanteils bewusst ist und das alles nicht ganz so ernst nimmt, wird viel Spaß auf dem RUMMELPLATZ haben, verbissene Vielspieler, denen es einzig um den Sieg geht, eher weniger. Daher ist die Zielgruppe mit der spielenden Familie klar und eindeutig definiert. Und hier kann sich das eggert-Jubiläumsspiel durchaus gegen die üblichen Spielsammlungen rund um Mikado und Mühle durchsetzen. Allein schon aufgrund der Gestaltung, die sofort zum Ausprobieren einlädt.

Der Leser möge mir diese lange Vorstellung der einzelnen Elemente verzeihen, aber bei einem Spiel, das aus gleich acht in sich geschlossenen einzelnen Stationen mit eigenen Siegbedingungen und Regen besteht, scheint es einfach nötig, diese so vorzustellen, dass jeder sich selbst ein Urteil darüber bilden kann, ob in der Fülle an Minispielen auch etwas für ihn dabei ist. Erlauben Sie mir aber vielleicht dennoch einige abschließende Kommentare:

 

Detailverliebt

Wer genau hinsieht, kann im Spielmaterial, auf den Karten und dem Spielplan jede Menge putzige Details erkennen, die erneut belegen, dass es den Machern von RUMMELPLATZ nicht darum ging, schnell ein Spiel zu produzieren, sondern er echtes Jubiläumsspiel zu kreieren, das bis zur kleinsten Kleinigkeit mit Liebe gestaltet wurde. Während mir persönlich die wartenden Mäuse an einer Mini-Eintrittskasse am besten gefallen, werden andere zum Beispiel über die Position der Hand des geängstigten Insassen der Geisterbahn auf der Rückseite der entsprechenden Karten schmunzeln oder über die grünen Haare der Person, die stark an einen gewissen Herrn Friese erinnert, den die Wahrsagerin in ihrer Glaskugel sieht. Oder über die winzigen Comicfiguren in der Spielanleitung, die beispielsweise einem brillentragenden Autorenpärchen oder einem schwarzhaarigen, schnurrbärtigen Verlagsleiter aus Hamburg recht ähnlich sehen. Oder … oder … oder…

Der (gute) Zweck heiligt die Mittel

RUMMELPLATZ ist in jeder Hinsicht ein besonderes Spiel, was in der Tatsache gipfelt, dass alle beteiligten Autoren und Grafiker auf ihre Honorare verzichtet haben und diese gemeinsam mit einer Spende des Verlags stattdessen der Kindernothilfe zukommen lassen werden. So wird die Sache wirklich rund. Ein Beispiel, das Schule machen sollte, denn letztlich zeigen die Damen und Herren rund um Verlagschef Peter Eggert mit diesem Engagement, worauf es doch eigentlich – abseits von verbissenen Jagden nach Siegpunkten – wirklich ankommt: den Spaß am Spielen und an Spielen!

 

(Anmerkung: Die Punktevergabe in der Bewertung bezieht sich auf das Gesamterlebnis, denn im Grunde handelt es sich um 8 einzelne, unabhängige Spiele, die alle unterschiedliche Anforderungen an die Spieler stellen.)

 

Stefan Olschewski

stefan@stefanmagie.tobit.net

 

Spieler: 3-6

Alter   : ab 8 Jahren

Dauer : ca. 30 Min.

 

Autoren        : Inka und Markus Brand, Peter Eggert, Philipp El Alaoui, Friedemann Friese, Michael Rieneck, Martin Schlegel, Stefan Stadler, Tobias Stapelfeldt und Birgit Stolte
Grafik          : Michael Menzel, Alexander Jung, Harald Lieske, Klemenz Franz, Franz Vohwinkel, Dennis Lohausen und Birgit Stolte
Titel english  : identisch

Preis            : ca. 35,- Euro

Verlag          : eggertspiele 2010

                    www.eggertspiele.de

 

Genre                   : Spielesammlung mit einigen pfiffigen Ideen
Zielgruppe             : Für Familien

Mechanismen         : Minispiele und damit Punkte fürs Finale gewinnen

Kommentar:

Umfangreiches Material

einladende Gestaltung
Witzig und spannend auch ohne großen strategischen Anspruch
Einfache Spielregeln

angenehm kurze Spieldauer

Vergleichbar:

diverse Partyspiele, in dieser Kombination aber bisher einzigartig

 

Stefan Olschewski

Witzige Mischung einfacher, nicht immer ganz neuer Spielideen ohne großen Anspruch, bei denen es überhaupt nicht darauf ankommt, wer letzten Endes gewinnt. Hauptsache es gibt viel zu Lachen.

 

Atmosphäre: 6

Zufall                            3

Taktik                  1

Strategie__                 

Kreativität          

Wissen_              

Gedächtnis         

Kommunikation   3

Interaktion                   3

Geschicklichkeit 

Action                  2