Unsere Rezension

 

Ab im Schacht!!

Glück Auf

Spielerische Hommage ans Ruhrgebiet

 

„Ey Günni, komma am Spieltisch, dat hier is watt für dich! Du bis‘ doch auch damals im Schacht eingefahren als Kumpel im Ruhrpott!“

So oder ähnlich kann man sich den Einstieg in eine Runde „Glück Auf“ vorstellen – zumindest wenn man wie ich ein Kind des Ruhrgebietes ist. Von daher war das neue Werk des Dream-Teams Kramer/Kiesling ohnehin ein Muss auf meiner Agenda. Es weckt schon Erinnerungen an die alte Zeit, als in unseren Gefilden der Bergbau florierte, noch heute zeugen alte Schächte, Bergarbeitersiedlungen und Fördertürme von der einst wichtigsten wirtschaftlichen Einnahmequelle des Ruhrgebiets. Versetzen wir uns also zurück in das Essen des späten 19. Jahrhunderts, als Kohle noch schmutzig und das Leben der Kumpels gefährlich war. Ob damals tatsächlich Kohlewürfel in verschiedenen Farben abgebaut wurden, ist zwar nur schwerlich vorstellbar, aber das nennen wir einfach einmal dichterische Freiheit des Autorenduos. Ansonsten stimmen Geschichte und grafische Aufbereitung hervorragend, die Spielmechanismen fließen harmonisch ein, ohne aufgesetzt zu wirken. Worum geht es also genau?

 

Kumpels einsetzen

Kernelement des Spieles für bis zu vier Bergwerksbesitzer ist klassisches Worker-Placement auf einem angenehm kleinen Spielplan. Oder, um es Günni verständlich zu machen: „Du tust deine Püppchen auf‘m Plan hinstellen und da können die dann wat machen“.

Was genau sie dort machen können, geben die Einsatzfelder vor, deren Belegung schlau gelöst ist: Kein Feld ist je blockiert, ist man jedoch der erste dort, sichert man sich die Aktion mit nur einem Kumpel, möchte ich das Feld später okkupieren, muss ich mindestens eine Figur mehr einsetzen als sich bereits auf dem Feld befanden. Ausgediente Kumpel wandern schnurstracks in die Kantine, wo sie auf ihren nächsten Einsatz in einer späteren Runde warten und sich in der Zwischenzeit ordentlich stärken. Wer also Figuren spart, kommt potenziell häufiger zum Zuge als andere, bevor die erste von drei sogenannten Schichtwertungen erfolgt.

Vor jedem Spieler liegt ein eigener Förderturm samt darunter liegendem Stollen, auf dem sich ein beweglicher Förderkorb befindet, der einen immensen Aufforderungscharakter besitzt und in erstklassiger Weise den Kohleabbau in der Tiefe simuliert. Oder, um es mit Günnis Worten zu sagen: „Dat is, wie wennze selbs‘ auf‘m Pütt am malochen bis!“.

Bevor es soweit ist, muss aber natürlich erst einmal etwas zum Abbauen da sein, und dazu dienen unter anderem die Einsatzfelder auf dem Spielplan, bis es dann heißt: „Ab im Schacht!“.

Da sind zunächst einmal die mit Kohle bestückten Loren, von denen je nach Spielerzahl bis zu acht offen ausliegen und welche über den Personaleinsatz und gegen Zahlung von Geld erworben werden können. Diese werden unmittelbar in den eigenen Schacht eingebaut und zwar auf der durch die Farbe der Kohlewürfel vorgegebenen Ebene und entweder links oder rechts vom Förderkorb, je nachdem, ob das Tunnelplättchen mit den abgebildeten Loren mit Lampen ausgestattet ist oder im Dunklen liegt. Wer nichts tun will oder kann, weil er unter (der ohnehin permanent vorhandenen) Geldknappheit leidet, stellt seinen Kumpel einfach auf die Bank und erhält zumindest eine Mark dafür. Auf diesem Feld spielt auch die Anzahl der Figuren keine Rolle.

Wer mehr erwartet, kann stattdessen auch ein Geldfeld besetzen, von denen das höchstwertige immerhin auf einen Schlag sechs Mark in die Kasse spült.

 

Abgebaut und ausgeliefert

Den ganzen Aufwand treiben wir, um Aufträge zu erfüllen, die den zweiten Kernpunkt von „Glück Auf“ darstellen und die wie üblich spielentscheidenden Siegpunkte bringen. Auch diese lassen sich – ergänzend zu denen, die wir zu Spielbeginn erhalten haben – auf dem Plan käuflich erwerben und warten dann neben dem eigenen Schacht auf Erfüllung. Dabei sollte großes Augenmerk auf die einzelnen Elemente der Auftragskarten gelegt werden, denn diese geben nicht nur an, wie viele Kohlewürfel in welcher Farbe man zur Erfüllung benötigt, sondern auch, mit welchem Transportmittel die gelieferten Würfel letztlich abtransportiert werden müssen. Ob Handkarren, Fuhrwerk, LKW oder Eisenbahn – hier ist grundsätzlich alles möglich. Hat man dann da, was gefordert ist, tatsächlich in seinem Stollen, wird endlich gefördert.

 

Dieser Punkt macht den meisten Spaß, denn wer auf dem zentralen Plan ein „Förderfeld“ besetzt, darf so richtig loslegen: Je nach Wertigkeit des Feldes erhält der Spieler eine bestimmte Anzahl an Aktionspunkten, die er für Bewegungen des Förderkorbs, zum Ein-und Ausladen von Kohle und zur Ablage auf den Auftragskarten nutzen kann. Da fährt der Korb zum Beispiel drei Ebenen in die Tiefe, lädt zwei Würfel auf, lädt eine Etage höher einen weiteren Würfel auf und deponiert sie über Tage im Zwischenlager oder auf einem Auftrag. Diese Bewegung mittels Aktionspunkten erinnert ein wenig an „Tikal“, ist aber hier überaus stimmig eingebaut, ohne wie ein Spiel im Spiel zu wirken.

Da es ja langweilig wäre, korrekt mit Kohle bestückte Aufträge einfach einzulösen, muss auch die Erlaubnis dafür erst einmal auf dem zentralen Plan gegen Einsatz eines oder mehrerer Kumpel plus Geld erstanden werden – und ist dann auch noch auf bestimmte Transportmittel (siehe oben) beschränkt. Wer nur mit Fuhrwerken ausliefern darf, muss dann z.B. fix und fertig da liegende LKW-Aufträge erst einmal schmoren lassen.

„Menno, dat is ja voll kompliziert“ – nun ja, nur bedingt, denn alle Spielelemente greifen harmonisch ineinander, das Personaleinsatzsystem ist als Hauptmechanik schnell verinnerlicht und eine klare Gewinnstrategie scheint es ebenfalls nicht zu geben, was immer wieder für enge Kopf-an-Kopf-Rennen sorgt, ohne dass der kleinste Fehler zu Beginn einem gleich die Chance auf den Gesamtsieg verbaut. Ein Übriges tun die drei „Schichtwertungen“, die jeweils einsetzen, wenn kein Spieler mehr Kumpels einsetzen kann. Mit jeder Runde fließen weitere Aspekte in die Wertungen ein. Gibt es also nach der ersten Schicht lediglich Punkte für die meisten Ablagefelder in den jeweiligen Kohlefarben auf den erfüllten Aufträgen, werden später auch Mehrheiten bei den genutzten Transportmitteln, zuletzt sogar auch noch die leeren Loren in den Bergwerken gewertet. Das hat schon etwas Knizia-eskes an sich, funktioniert aber hervorragend.

Ach ja: Am Ende gibt es dann noch ein paar Siegpunkte für übrig gebliebenes Geld und nicht abgebaute Kohlewürfel, unerfüllte Aufträge und Ungleichgewicht der Lorenplättchen links und rechts des eigenen Stollens schlagen negativ zu Buche. Dann ist aber auch Schluss und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

 

Fazit

Spannender Weise ist „Glück auf“ mehr als die Summe seiner Einzelteile. Auch Mitspieler, die eigentlich weder mit dem Thema noch der Grundidee etwas anfangen konnten, waren im Anschluss an die ersten Partien hellauf begeistert. Obwohl sich die Interaktion auf das Einsetzen der Figuren auf dem Hauptplan beschränkt, sind alle immer voll bei der Sache, verfolgen mit, wer wann welche Würfel aus seinem Schacht zu Tage fördert und welche Strategie die Gegner wohl verfolgen mögen. Dabei ist ein Zug schnell abgehandelt, eine Partie dauert nie länger als 90 Minuten, sodass praktisch nie Leerlauf oder gar Langeweile aufkommt. Für ein taktisches Strategiespiel, das praktisch ohne wirklichen Glücksanteil auskommt, ein eindeutiges Qualitätsmerkmal.

Das Spiel funktioniert in jeder Besetzung hervorragend und macht einfach Spaß … oder wie Günni sagen würde: „Hömma, dat is echt knorke!“

 

Stefan Olschewski

 

Spieler: 2-4

Alter: 10 +

Dauer: 75+

Autor: Wolfgang Kramer, Michel Kiesling

Grafik: Dennis Lohausen

Preis: ca. 35 Euro

Verlag: eggertspiele / Pegasus 2013

Web: www.pegasus.de

Genre: Taktik, Worker placement

Zielgruppe: Für Experten

Version: multi

Regeln: de en fr it nl

Text im Spiel: Nein

 

Kommentar:

Thema stimmig umgesetzt

Mechanismen greifen toll ineinander

Grafik passt hervorragend dazu

 

Vergleichbar:

diverse Worker placement Spiele

 

Andere Ausgaben:

Gigamic, Lacerta, Ludonova, R & R Games

 

Meine Einstufung: 7

 

Stefan Olschewski:

Volle Punktzahl, nicht nur aus emotionalen Gründen – als Kind des Ruhrgebiets ist „Glück Auf“ für mich zwar ohnehin ein Muss, als Spiel an sich ist es jedoch ebenfalls sehr stimmig und solide, mit hohem Aufforderungscharakter, obwohl es nicht wirklich vor Innovationen strotzt.

 

Zufall (rosa): 1

Taktik (türkis): 2

Strategie (blau): 2

Kreativität (dunkelblau): 0

Wissen (gelb): 0

Gedächtnis (orange): 0

Kommunikation (rot): 3

Interaktion (braun): 2

Geschicklichkeit (grün): 0

Action (dunkelgrün): 0