Kleopatra und die Baumeister

 

Day of Wonder, Halle 10.1, Nürnberger Spielwarenmesse – ein sehr asketischer, leerer Stand mit ein paar Skizzen und wenig Information über die Neuheit 2006, Kleopatra und die Baumeister. Ein Bauspiel soll es werden, angesiedelt im alten Ägypten, viel mehr war dazu nicht zu erfahren, auch auf der Homepage nur Zeichnungen, also heißt es warten.

 

Das Warten hat nicht lange gedauert, Anfang April kommt das Paket – eine quadratische Schachtel in edlen Ocker- und Brauntönen, unter der Folie wölbt sich der Deckel. Beim Öffnen wird klar warum, die Schachtel ist bis zum letzten Millimeter gefüllt und dann liegen da noch die Stanzbögen und die Regel und ein Katalog obenauf, das Material darunter ist von einem klaren Plastikeinsatz abgedeckt und gesichert. Bei so viel Material lieber vorsichtig angehen, also lesen wir uns zuerst einmal die Regel durch. Sie beginnt wie gewohnt mit der Hintergrundgeschichte:

Kleopatra hat einen Preis für denjenigen Baumeister ausgesetzt, der ihr den schönsten Palast entwirft, viele Baumeister wollen sich ein Stück von Reichtum holen und dementsprechend groß ist der Konkurrenzkampf, so dass Korruption und der Krokodilgott Sobek ins Spiel kommen. Wir nehmen diese Geschichte mal so wie sie gedacht ist, als stimmige Überleitung zum Spiel mit Sphingen und Obelisken.

 

Die nächsten beiden Seiten der Regel sind dem Spielaufbau gewidmet, wir leeren also die Schachtel sorgfältig aus: Zuerst heben wir das Tableau mit den Bauteilen heraus, es fungiert später im Spiel als Steinbruch und hat auch Platz für die Mosaike der Götter, die wir aus dem Stanzrahmen brechen, genau wie die Korruptionsamulette und die Talente als Geldeinheiten in 1er, 2er, 5er und 10er Stückelung. Der leere Schachtelboden wird umgedreht, er stellt den halbfertigen Palast dar, die Spieler müssen ihn im Spielverlauf dann nur noch mit Tor und Säulenwänden sowie dem Thron und seinem Sockel vollenden. Der Garten wird obendrauf gelegt, und der Vorhof des Palastes mit Platz für Sphinx, Obelisken und den Pfad der Kleopatra wird vor dem Palast ausgelegt. Kleopatra steht vor dem ersten Feld des Pfades, und der leere Altar des Hohepriesters liegt vor dem Platz. Nun muss nur noch jeder Spieler sein Material bekommen, eine Pyramide zum Einwerfen der Korruptionsamulette, 5 Talente Anfangskapital, 2 Anubisstatuen und 3 Händler vom Nil.

 

Bisher eine beeindruckende Fülle von Material, und der Kartenstapel hält nun die erste Überraschung für uns bereit. Er besteht aus 75 Standard-Ressourcenkarten, die alles Nötige zum Bau liefern - Handwerker, Steinblöcke, Marmorplatten, Bauholz und Lapislazuli. Dazu kommt noch jede dieser Standardkarten dreimal als Korruptionskarte, markiert mit einem Korruptionsamulett, dafür aber mit doppeltem Wert, also zum Beispiel zwei Handwerker statt einem, und noch insgesamt 11 korrupte Charaktere, genannt Sobek-Anbeter, der Bettler, die Kurtisane, der Gesandte, der Schreiber, der Schmuggler je zwei Mal und dazu einmal der Wesir, alle ebenfalls mit einem oder zwei Korruptionsamuletten bestückt. Vorerst brauchen wir uns um das, was die Karten können nicht zu kümmern, wir mischen den Stapel gut durch, verteilen an jeden Spieler drei Karten und – das ist das Neue – teilen den Stapel in zwei Hälften, die wir nun ineinander mischen, eine Hälfte mit der Rückseite nach oben, die andere mit der Vorderseite nach oben, so dass wir nun einen gemischten Stapel mit zufälliger Verteilung von offenen und verdeckten Karten haben. Von diesem Stapel werden nun die obersten drei Karten so wie sie erscheinen, offen oder verdeckt, als Markt auf den Tisch gelegt.

Und schon können wir spielen, denn das Spiel hat eigentlich nur eine Regel: Wer dran ist geht zum Markt und nimmt Karten oder in den Steinbruch und baut. Alles Weitere sind nur genauere Definitionen dieser Regel.

 

Geht ein Spieler zum Markt, nimmt er eine der drei Karten oder Kartenreihen komplett auf und legt in jede Reihe eine Karte vom Stapel nach. Überschreitet er damit sein Handkartenlimit von 10 Karten, hat er drei Möglichkeiten: Er reduziert auf 10 Karten und wirft ein Korruptionsamulett in seine Pyramide, oder er behält alle Karten und wirft für jede überzählige Karte ein Korruptionsamulett ein oder er spielt den Schmuggler und darf die Karten straffrei behalten, er muss nur für das Spielen des Schmugglers das auf der Karte abgebildete Korruptionsamulett einwerfen. Damit ist der Zug zu Ende. Die Sobek-Anbeter dürfen übrigens jederzeit während eines Zuges gespielt werden, auch solche, die man soeben erst aufgenommen hat.

 

Entscheidet sich der Spieler für den Gang in den Steinbruch und damit das Bauen, gibt er die entsprechende Anzahl Karten ab und nimmt sich das oder die Elemente seiner Wahl aus dem Steinbruch. Er darf überzahlen, gewechselt wird nicht, er darf aber doppelte Rohstoffkarten auf zwei Elemente verteilen, oder darf statt einer Karte einen seiner Händler abgeben, dieser ersetzt auch einen Handwerker. Für den Bau eines Gebäudes bekommt er die entsprechende Anzahl Talente ausbezahlt, immer den Grundwert des Elements plus einen eventuellen Bonus für den Bau von mehr als einem Element in einem Zug oder für bestimmte Positionen des Elementes. Eine besondere Bedeutung haben die Mosaike der Götter – sie sind übereinander gestapelt, man sieht immer nur das oberste und muss dieses verbauen, außer man setzt den Schreiber ein, er erlaubt für zwei Korruptionsamulette, ein Mosaik aus dem Stapel herauszusuchen und dieses statt des obersten zu verbauen, dabei gibt es Bonuspunkte für überbaute Palmfelder.

 

Die Wahlmöglichkeit für ein Mosaik kann ganz wichtig sein, denn wer durch das Legen eines Mosaiks einen abgegrenzten Bereich schafft, in den kein anderes der Mosaike hineinpasst oder für den das passende Mosaik schon anderswo verbaut wurde, hat ein Heiligtum gebildet und darf eine seiner beiden Anubis-Statuen hineinsetzen und am Ende des Spiels für jedes im Heiligtum enthaltene Gitterfeld ein Korruptionsamulett zurückgeben. Weiters wird nach dem Bau jedes Mosaikteils geprüft, ob das nun zuoberst liegende Element noch auf der freien Fläche gebaut werden kann, wenn nicht kommt es aus dem Spiel und das nun zuoberst liegende Element wird überprüft bis alle aus dem Spiel sind oder ein noch passendes obenauf liegt.

 

Dies ist entscheidend für die Bewegung von Kleopatra, denn kann kein Mosaik mehr gebaut werden, ist die Elementgruppe der Mosaike verbraucht und Kleopatra geht einen Schritt vorwärts. Dies tut sie auch, wenn eine andere Elementgruppe aufgebraucht ist, alle Sphingen, beide Obelisken, alle Säulenwände, beide Torflügel oder der Thron samt Sockel.

 

Egal ob Kleopatra sich bewegt hat oder nicht, wer gebaut hat, würfelt am Ende seines Zuges mit allen noch verbliebenen Hohepriester-Würfeln. Diese haben 5 leere Seiten und ein Hohepriester-Symbol. Jeder Würfel, der nach dem Wurf ein Hohepriester-Symbol zeigt, wird auf den Altar gelegt, die restlichen Würfel bleiben für den nächsten Wurf liegen. Wird das fünfte Symbol gewürfelt, müssen alle Spieler ein Opfer bringen.

Sie nehmen eine beliebige Summe Talente verdeckt in die Hand, wer am meisten geopfert hat, darf drei Korruptionsamulette abgeben, die anderen Spieler nehmen in absteigender Reihenfolge ihrer Gebote eins, zwei, drei oder vier Amulette. Gleichstände werden so aufgelöst, dass alle daran Beteiligten das bessere Ergebnis bekommen, die nächste Stufe oder Stufen entfallen, sind zwei Spieler am Höchstgebot beteiligt, geben beide drei Amulette ab, der Spieler mit dem nächst niedrigen Gebot muss dafür aber schon zwei Amulette nehmen. Dann werden alle fünf Würfel wieder auf die leere Seite gedreht und für den nächsten Wurf bereit gelegt. Alle eingesetzten Talente aller Spieler gehen verloren. Der Schreiber hat auch hier die Möglichkeit einzugreifen: Ohne ein Amulett nehmen zu müssen, kann ein Spieler in seinem Zug einen Würfel auf eine beliebige Seite drehen, kann also ein Opfer herbeiführen oder ein Hohepriester-Symbol wegdrehen, allerdings nicht außerhalb der Zugreihenfolge, um ein unmittelbares Opfer zu vermeiden, das ein anderer Spieler erwürfelt hat.

 

Auch die anderen Sobek-Anbeter haben einiges zu bieten, mit der Kurtisane kann man sich eine Karte aus dem Ablagestapel aussuchen, der Bettler holt von jedem Spieler 2 Talente oder eine Standardressourcenkarte seiner Wahl, der Gesandte fragt Mitspieler nach Ressourcenkarten, für jede akzeptierte Karte nimmt man ein Amulett, und der Wesir bringt die obersten 5 Karten des Nachziehstapels zum Anschauen, für jede behaltene Karte nimmt man ein Amulett.

 

Hier muss man der Redaktion bzw. den Autoren des Spiels ein ganz großes Lob aussprechen: Die für jeden Spieler vorhandenen Übersichtskarten liefern eine fantastische Zusammenfassung des Spiels und die Sobek-Anbeter erklären sich durch den Text selbst, man braucht nicht in der Regel nachzuschauen, um sie einsetzen zu können. Auch Baukosten und Talentertrag für die einzelnen Bauelemente und die Folgen des Hohepriester-Opfers sind bestens erklärt.

 

Erreicht Kleopatra das Wegfeld 5, sind also fünf der sechs Elementgruppen verbaut, endet das Spiel sofort. Jeder Spieler darf aus seiner Pyramide so viele Amulette zurückgeben, wie in seinen Heiligtümern Felder enthalten sind und nimmt noch ein Amulett für jede in seiner Hand verbliebene Korruptionskarte, egal ob Ressource oder Charakter. Dann zählt jeder seine Korruptionsamulette, der Spieler mit den meisten davon wird von Kleopatras Lieblingskrokodil gefressen und scheidet aus, die verbliebenen Spieler bekommen für jeden ihnen verbliebenen Händler noch drei Talente, der reichste Spieler gewinnt.

 

Meistens gibt es an diesem Punkt das große Aha-Erlebnis, denn niemand schafft es wirklich, bei den Korruptionsamuletten mitzuzählen, bei den eigenen nicht, und bei denen der anderen Spieler schon gar nicht, aber das ist nur eine von den vielen Unwägbarkeiten im Spiel. Was man baut, hängt von den Karten ab, die man hat, und das hängt davon ab, was in der Auslage liegt, und das ist oft gar nicht oder nur zum Teil zu sehen, je nachdem ob die Karten offen oder verdeckt liegen. Wer das Glück hat den Schmuggler zu erwischen kann möglicherweise sehr viel auf einmal bauen, manchmal wartet man rundenlang auf die eine passende Karte und muss womöglich zuschauen, dass das geplante Element von jemand anderem verbaut wird. Soll man für eine mögliche Opferung Geld scheffeln, das dann doch nicht gebraucht wird, weil nie die Hohepriester-Symbole gewürfelt werden, hab ich genügend Platz im Heiligtum um ein kleines Opfer zu riskieren?

 

Hier stellt sich auch ein wenig die Frage nach der Zielgruppe, für ein einfaches Familienspiel erscheint es auf den ersten Blick, und der ist oft entscheidend, doch eher komplex, und für die so genannten Vielspieler mag der Glücksfaktor ein Manko sein. Wer sich aber an dieser grundsätzlichen und doch sehr Spielbestimmende Zufallskomponente der Kartenverteilung nicht stört, bekommt mit Kleopatra und die Baumeister ein sehr schönes rundes Spiel, bei dem alle Mechanismen sehr gut zusammenspielen. Die Regeln lassen nicht die geringste Frage offen, allerdings muss man manchmal nach der Antwort suchen, da die Regel quasi nichtsequentiell geschrieben ist, so findet man die Erklärung für die Bildung eines Heiligtums unter der Beschreibung der Bauelemente. Die Ausstattung des Spiels kann man eigentlich nur sehr unelegant aber treffend mit WOW beschreiben, sie ist wunderschön und funktionell zugleich und bietet auch eine Herausforderung beim Wiedereinräumen allen Materials. Ein Spiel zum Anschauen, Angreifen, und Wiederspielen. Kein großes Spiel, aber ein tolles Spiel!

 

Spieler         : 3-5

Alter            : ab 10 Jahren

Dauer          : ca. 60 Minuten

Verlag          : Days of Wonder 2006

  www.daysofwonder.com

Vertrieb        : Piatnik

Autor           : Bruno Cathala und Ludovic Maublanc

Grafik          : Julien Delval

Preis            : ca. € 40,00

 

Genre                    : Bau- und Entwicklungsspiel

Zielgruppe             : Familie, Freunde

Mechanismen         : Karten sammeln, damit Palastteile bauen

 

Strategie                : **

Taktik                    : ***

Glück                    : ******

Interaktion             : ****

Kommunikation      : ***

Atmosphäre           : *******

 

Kommentar            :

Extrem schönes Material

Üppige Ausstattung

An sich einfache Regeln

Regeln nichtlinear geschrieben

 

Wenn Sie Spiele mit Kartensammel- und -tauschmechanismus und hohem Glücksfaktor mögen, wird Ihnen „Kleopatra und die Baumeister“ gut gefallen.

 

Dagmar de Cassan:

Kleopatra ist ein sehr schönes, gelungenes Spiel, bei dem alle Mechanismen wunderbar ineinander greifen.