Wildlife

 

Das Spiel:

Wildlife

Entwicklungs- und Positionsspiel

Von Wolfgang Kramer

Für 2-6 Spieler ab 10 Jahren

60-90 Minuten

Clementoni, 2002

 

Die Besprechung:

Dagmar de Cassan

Raasdorferstraße 28

2285 Leopoldsdorf

office@spielen.at

 

WIN-Wertung:

* II UU TT AA 4-5 (2-6) h

 

Wildlife – irgendwie dachte ich bei diesem Titel an ein Lehrspiel über wildlebende Tiere oder über die Tierpopulation eines Kontinents und an Naturschutz, da ist mir wohl irgendwie der World Wildlife Fund im Kopf herumgespukt – und damit lag ich natürlich meilenweit daneben, Tiere kommen zwar vor, aber in ganz anderer Funktion.

 

Sie repräsentieren die Konkurrenten unserer Vorfahren vor etwa 2,5 Millionen Jahren im Kampf ums Überleben und die Dominanz in den Lebensräumen. Die Spieler verkörpern Adler, Krokodile, Mammuts, Bären und Schlangen und eben den Urmenschen und konkurrieren um zwölf unterschiedliche Regionen von verschiedenem Geländetyp, jeder Geländetyp ist mit einem großen und einem kleinen Gebiet vertreten. Die Geländetypen sind Wald, Wüste, Savanne, Steppe, Gebirge und Wasser und jedes der Lebewesen  hat in den verschiedenen Geländetypen gewisse Fähigkeiten, aber in denselben Proportionen: immer je 2x keine Aktion, 2x Wandern und je einmal Attackieren und Expandieren, das Mammut zum Beispiel hat keine Aktion in Wasser und Wüste, kann in Wald und Gebirge wandern, in der Savanne expandieren und der Steppe attackieren.

 

Den Kampf ums Überleben und das Spiel gewinnt, wer am Ende die meisten Siegpunkte hat, diese bekommt man bei den Wertungen, und diese werden ausgelöst, wenn ein Lebewesen das letzte Feld eines Gebietes belegt. Die 4., 8. und 11. Wertung sind große Wertungen, bei diesen großen Wertungen gibt es Punkte für Nahrungsvorräte, Mehrheiten an Lebewesen in jedem Gebiet und die größten zusammenhängenden Gruppen und die Fähigkeit der eigenen Spezies.

 

Dieses letztendlich Punkte bringende Legen der Tierplättchen muss aber gut überlegt und gut vorbereitet werden, denn mit meinen grundlegenden Fähigkeiten komme ich nicht weit. Also muss ich im Lauf des Spiels meine Art entwickeln, meine Herden bewegen usw.

 

Das kann ich aber alles nicht willkürlich und nach meinem Gutdünken, sondern das Geschehen wird von Karten diktiert, die ich auf der Hand habe, 10 Stück davon, und diese Karten bringen auch das Glückselement ins Spiel.

 

Da diese Karten das Herzstück des Spiels sind, sei ihnen hier ein wenig mehr Raum gewidmet als den anderen Komponenten des Spiels. Die meisten Karten sind Geländekarten, hat man in dem auf der Karte abgebildeten Gebiet eine Fähigkeit, kann man eigene Lebewesen bewegen, eigene Lebewesen einsetzen oder fremde Lebewesen aus besetzten Gebieten verdrängen, aber erst wenn das Gebiet vollständig besetzt ist, also nach einer Wertung. Diese verdrängten Tiere scheiden aus!

Die Karten mit dem Rad-Symbol bedeuten Anpassung in einem beliebigen Gebiet, man verbessert sich immer eine Stufe, von Keine Aktion auf Wandern, von Wandern auf Expandieren, von Expandieren auf Attackieren.

Mit der Pfeilkarte nimmt man sich eine Fähigkeitskarte aus dem Vorrat, wenn es keine gewünschte mehr gibt, von einem Mitspieler, die Fähigkeit kann sofort eingesetzt werden. Diese Karten sind sehr stark, man kann damit z.B. jedes Mal 2 Erfolgs-Punkte vorwärts ziehen, wenn man dran ist, andere Lebewesen rauswerfen, auch wenn die Region noch nicht voll ist, oder man kann eine Karte zusätzlich ausspielen, oder kann Platz mit einem anderen Lebewesen tauschen oder sich gegen das Hinauswerfen oder Tauschen verteidigen.

Die Karte mit dem Blitz entspricht einem Joker, die Karten mit Text sind Ereigniskarten.

 

Hier haben wir auch – neben dem Glückselement – das einzige wirkliche Problem des Spiels, wenn man keine Pfeilkarten erwischt, dann kann man eigentlich nur mehr das Geschehen am Rande verfolgen, weil man nicht mithalten kann und keine Chance hat zu gewinnen.

 

Aber jetzt zum eigentlichen Spiel:

Der Spieler am Zug spielt nacheinander 3 Karten aus und kann in beliebiger Reihenfolge Aktionen aufgrund der gespielten Karten ausführen, Wandern, Aktionen entsprechend der Fähigkeitskarten ausführen, Nahrungspunkte umtauschen und am Ende Wildlifekarten nachziehen. Damit hat man grundsätzlich drei Aktionen, dabei gilt aber die Einschränkung, dass mindestens eine der drei Karten versteigert werden muss, man kann auch mehrere Karten versteigern, aber einzeln, die Bezahlung erfolgt mit Nahrungspunkten. Nahrungspunkte erwirbt man durch Zurückgehen auf der Erfolgsskala und kann umgekehrt auch Erfolgspunkte für Nahrung kaufen. Und Wandern bedeutet nicht nur die Bewegung eines einzelnen Lebewesens auf ein benachbartes Feld! Innerhalb einer Herde kann ein Tier auf ein beliebiges, der Herde benachbartes Feld springen! Und das kann böse Überraschungen bringen!

 

So entwickelt man sich also so gut man kann, setzt seine Tiere ein und muss sehr genau darauf achten, wie viele Felder in einem Gebiet noch frei sind, denn bei den kleinen Wertungen, die immer dann ausgelöst werden, wenn das letzte Feld in einem Gebiet besetzt wird, punktet nur derjenige Spieler, der die Wertung auslöst, sonst niemand! Aber allzu sehr darf man die Mehrheiten in den Gebieten auch nicht außer Acht lassen, sonst gerät man bei den großen Wertungen zu sehr ins Hintertreffen. Ausgleichend wirken hier die speziellen Fähigkeiten, vor allem wenn man sie jemandem wegnehmen kann, denn die Regel schreibt vor, dass man sie dem an Punkten Führenden wegnehmen muss – aber andererseits bringen diese Karten auch gewaltige Vorteile, ohne sie hat man wie gesagt keine Chance auf den Sieg.

 

Also steckt man im Grunde im ewig gleichen Dilemma dieser Spiele – zu wenig Möglichkeiten mit den knappen Ressourcen und das Problem der Versteigerung macht die Sache auch nicht einfacher, denn da kann ein Spieler plötzlich sehr massiv ins Geschehen eingreifen und man sollte darauf achten, den anderen Spielern nicht zu gute Karten anzubieten.

 

An Ausstattung und Spielplan gibt es wenig auszusetzen, die Unterscheidbarkeit ist an sich recht gut, nur mit den Anpassungen der Fähigkeiten hapert es ein wenig, da muss man mit Argusaugen darauf achten, wo sich bei welchem Spieler etwas ändert, grade noch war Wasser für den Adler ziemlich unbrauchbar und jetzt, wo man Wasser verkaufen muss, weil man mit der Karte nichts anfangen kann, liegt beim Adler plötzlich „Wandern“ auf dem Wasserfeld! Gut, wenn man dann Adleraugen hat!

 

Die Regel ist sehr sehr sequentiell aufgebaut und nicht unbedingt eine der übersichtlichsten aus der Feder von Wolfgang Kramer, aber man gewöhnt sich daran, und sie lässt keine Frage offen. Hat man das Spiel öfters gespielt, sollte man auch die Varianten probieren, sie machen das Spiel taktischer.

 

Apropos öfter spielen – das sollte man mit Wildlife unbedingt tun, es ist eines jener Spiele, die – zumindest mir – immer besser gefallen, je öfter ich sie spiele. Beim ersten Mal war ich irgendwie enttäuscht, es lief ein bisschen an mir vorbei und es dauerte mir auch zu lange, bis ich wieder dran kam, weil man – außer dem Bieten um die Karten – ja bei den Zügen der anderen Spieler absolut nicht agieren kann außer sich zu verteidigen, wenn man die passende Karte hat. Aber mehr mehreren Partien lernt man das Spiel schätzen, obwohl ich wie gesagt bis jetzt der Überzeugung bin, dass man ohne Pfeilkarten und damit die Sonderfähigkeiten nicht viel zu melden hat.  Wie gesagt, ausprobieren, öfter spielen und immer mehr genießen. Es lohnt sich!