ad acta

 

Das Spiel:

ad acta

Verlag: BeWitched-Spiele

Autorin: Andrea Meyer

Anzahl der Spieler: 2-4

Alter: ab 12 Jahren

Dauer: 45-60 Minuten

 

Die Besprechung:

Martina Nowak

 

WIN-Wertung:

*** SSS II UUU AA

 

Ad acta, ad acta, … irgendwie kann ich mir so gar nichts unter dem Titel vorstellen, ein gut sortiertes Spiel für 2-4 BeamtenanwärterInnen, hmmmm. Ich hatte doch mal Latein in der Schule, wörtlich übersetzt müsste das heißen „zu den Akten“, na was soll das schon sein, Beamtentum, Akten, es geht nichts weiter, es wird geschoben und verschoben, es wird bestochen oder es wird überhaupt nichts gemacht, und außerdem wird prinzipiell nichts zur richtigen Zeit fertig. Das soll ein lustiges Spiel sein? Sollte man das Amtswesen wirklich mal von der etwas  heiteren Seite betrachten? Dabei vielleicht auch noch herzhaft lachen können? Lasst es uns probieren!

 

In dem Spiel „ad acta“ geht es doch tatsächlich darum, Akten zum richtigen Zeitpunkt eben ad acta zu legen. Um diesen optimalen Zeitpunkt des Ablegens kämpfen, nein sagen wir sanfter spielen bis zu 4 Amtsinhaber, die den Bereichen Finanz, Arbeit, Umwelt sowie dem Rathaus zuzuordnen sind, jeweils leicht an einer bestimmten Farbe zu erkennen. Jeder Spieler hat als Zeichen seiner Wichtigkeit einen Schreibtisch vor sich. Da der Schreibtisch etwas sehr Persönliches ist, sieht jeder auch ein bisschen anders aus (Details darf jeder Leser dann selber entdecken). Allen gemeinsam ist ein Eingangskorb für eingehende Akten und ein Ausgangskorb für hoffentlich irgendwann auch wieder ausgehende Akten. Zusätzlich gibt es auf jedem Schreibtisch auch noch eine Punktetabelle, die besagt, wann welche Akte optimal abgelegt werden sollte, nur für den Fall, dass sich ein Amtsinhaber = Spieler dafür interessieren sollte.

 

Aber wohin nun eigentlich mit, wenn auch fast unglaublich, fertigen Akten? Abgelegt werden sollen die Akten an einer zentralen Ablagestelle, der Einfachheit halber einfach in der Tischmitte positioniert (Die Ämter sind in dem Spiel ja auch sehr knapp beisammen, man darf sogar den Schreibtisch des anderen einsehen, aber niemals berühren oder sich gar an einer Akte vergreifen!). Es gibt dort 6 Ablagen, die zwischen 2 und 4 Akten fassen und in genauer Reihenfolge befüllt werden müssen, oder dürfen? Wenn ich jetzt noch anmerke, dass jeder Spieler 7 Akten hat, dass die Ablagen in Summe 20 Akten fassen, dann wird der aufmerksame Leser feststellen, dass sehr wohl die eine oder andere Akte keinen Platz mehr findet und dem Reißwolf zum Opfer fallen wird. Jetzt wird´s langsam interessant!

 

Auf dem Plan in der Tischmitte sieht man auch noch den Botenwagen, der ist wichtig, denn er transportiert die Akten von Amt zu Amt und letztendlich zur zentralen Ablage. Außerdem eine Wertungsleiste und eine Bleistiftspitzzählleiste, mehr dazu später.

 

Bevor ich nun auf den Spielablauf genauer eingehe, möchte ich noch das wichtigste Spielmaterial vervollständigen. Als Zeichen dafür, dass man ja doch an einer Akte gearbeitet hat oder zumindest so tut als ob, bringt man Vermerke in Form von Büroklammern an. Für die Mobilisierung von besonderen Arbeitsenergien erhält jeder Spieler 3 naturfarbene Holzchips, pardon, Traubenzuckerstücke. Der Startspieler und zugleich Bote jeder Runde erhält einen Stempel, und dann gibt es noch in jeder Amtsfarbe 2 Marker für die Wertungs- und die Bleistiftspitzzählleiste. Ach ja, und schlussendlich gibt es noch die ach so gefinkelten Maßnahmekarten, 4 identische für jeden Spieler und 4 neutrale sowie 4 neutrale Reaktionskarten.

 

Grundsätzlich ist es so, dass jedem Amt 7 Akten zugeteilt sind. Man erkennt die Zugehörigkeit an der Farbe, die ident ist mit der des Schreibtischs. Im linken oberen Eck haben die Akten einen Buchstaben, jeweils von A bis G, und dieser Buchstabe bestimmt auch, in welcher der 6 Ablagestellen die Akte die optimale Punktezahl liefert. Wahllos herausgegriffen zum Beispiel die Akte mit dem Buchstaben D: Sie bringt im ersten Stapel nur 1 Punkt, im 3. 7 Punkte und im 5. wieder nur 2 Punkte. Man sieht schon, es ist gar nicht so einfach, die Akte im wahrsten Sinne des Wortes rechtzeitig fertig zu haben. Aber besser ein schlechter Zeitpunkt als gar keiner, denn der Reißwolf kostet für jede Akte einen Minuspunkt.

 

Das Amt, dem eine Akte gehört, das ist auch auf der Rückseite der Karten erkennbar, ist auch das erste, das die Akte bearbeiten muss. A-, B- und C-Akten müssen im Anschluss an 1 weiteres Amt gereicht werden, D-, E-, F- und G-Akten müssen sogar noch 2 weitere Ämter „belästigen“. Wohin und in welcher Reihenfolge ist auf den Karten sehr gut ersichtlich.

 

So, jetzt geht es aber wirklich los: Der Startspieler erhält als Zeichen seiner Funktion den Stempel. Da er auch zugleich die Rolle des Boten übernehmen muss, obliegt ihm auch die Aktenver- bzw. Umverteilung. Die Akten werden verdeckt gemischt und entsprechend der Rückseite an die zugehörigen Ämter verteilt. So wie sie kommen, werden sie in den Eingangskorb des jeweiligen Spielers gelegt, das heißt, die Akte, die zuletzt „rein“ kommt, liegt oben und muss demnach auch zuerst bearbeitet werden. Aha, jetzt weiß ich, wieso ich oft so lange auf einen amtlichen Brief warten muss, … Die Akten werden so versetzt gelegt, dass die Farbe, der Buchstabe und die in späterer Folge vielleicht bereits angebrachten Vermerke gut erkennbar sind. Pro Spielrunde hat jeder Spieler 3 Aktionspunkte, nur der letzte hat lediglich 2, weil er, wie man sehen wird, einen gewissen Vorteil hat.

 

Was kann man nun mit den Aktionspunkten machen. Man kann für 1 Punkt die oberste – man beachte, die zuletzt eingetroffene – Akte bearbeiten, d.h. man setzt eine Büroklammer auf das entsprechende Abzeichnungsfeld und legt die Akte in den Ausgangskorb. Man kann aber auch für 1 Punkt um Amtshilfe bitten und die oberste Akte auf einem fremden Schreibtisch bearbeiten lassen, die dann mit entsprechendem Vermerk in den dortigen Ausgangskorb kommt. Betonung liegt auf bearbeiten lassen, niemals selbst Hand anlegen! Die Kollegen machen das, wenn auch manchmal knurrend, doch sicher gerne! Für 2 Aktionspunkte kann man eine der Maßnahmekarten, die ich im Anschluss kurz erklären werde, spielen. Sollte man nicht wirklich arbeiten wollen oder arbeiten lassen wollen, was auch sehr taktisch sein kann, dann kann man übrig gebliebene Aktionspunkte in Bleistiftspitzpunkte investieren. Die wiederum kann man vor Beginn eines Zuges 2:1 in Traubenzucker umwandeln, und dieser Traubenzucker verhilft einem zu extra Aktionspunkten, wann immer man sie brauchen kann, man kann Aktionspunkte so quasi ansparen. Das sind die so genannten Amtshandlungen einer Spielrunde.

 

Im Anschluss daran folgt die Botenrunde. Der Bote (=Startspieler) nimmt im Uhrzeigersinn die Akten aus den Ausgangskörben, beginnend bei sich selber. Er nimmt den ganzen Stapel und legt ihn in unveränderter Kartenreihenfolge in den Botenwagen auf dem Spielplan. Obenauf kommt der gesamte Stapel vom nachfolgenden Spieler usw. D.h. der Stapel des letzten Spielers liegt oben auf. Dann werden die Akten vom Boten erneut an den nächsten Bearbeiter verteilt, beginnend von oben, Stück für Stück. Im neuen Amt kommt die Akte unverzüglich in den Eingangskorb, natürlich oben auf, wo denkt ihr hin! Das wäre doch zu normal, wenn man später eintreffende Akten unten anreihen würde, oder ist es so wie es ist normal? Es kann sich ja jeder selbst seine Meinung dazu bilden!

 

Und was macht der Bote, wenn die Akte doch tatsächlich alle notwendigen Vermerke erhalten hat? Na dann, was dann, na dann wird sie von allen Vermerken befreit, um neu bearbeitet werden zu können, nein, um auf den nächsten freien Platz der zentralen Ablage zu kommen! Sobald ein Ablagenbereich voll ist, kommt es zu einer Zwischenwertung entsprechend der Punktetabelle auf den Schreibtischen. Zur Kennzeichnung der Wertung kommt eine Karte „erledigt“ oben auf. An diesen Akten wird nichts mehr verändert, auch nicht, wenn ein Amt meint, es hätte doch lieber anders gehandelt, abgelegt ist und bleibt abgelegt. Schluss, Punkt.

 

Nach der Botenrunde wird der Stempel weitergegeben, und die Amtshandlungen können von Neuem beginnen.

 

So weit der „ganz normale“ Weg der Akten, wären da nicht die Maßnahmekarten! Jeder Spieler hat 4 eigene Maßnahmekarten, die er für jeweils 2 Aktionspunkte 1x im Spiel verwenden darf. Da gibt es z.B. das „Telefon“, das im eigenen oder im fremden Amt klingelt und klingelt und klingelt, weil der Anruf ja so wichtig ist, es geht um eine ganz ganz dringend zu bearbeitende Akte. Ohne weiteren Aktionspunkt muss eine vom Aktionskartenspieler bestimmte Akte aus dem Eingangskorb sofort und unverzüglich bearbeitet werden. Vitamin B wie Bestechung? Ich will das an dieser Stelle lieber nicht näher hinterfragen.

 

Der „Durchzug“, eine weitere Aktionskarte, ist auch so eine Sache, wenn es so richtig zieht, vielleicht dann, wenn ein Beamter auf die Idee kommt, Frischluft in den Raum zu lassen, um effektiver arbeiten zu können, genau dann passiert es, alle Akten auf einem Schreibtisch fliegen durcheinander und auf den Boden. Wirklich zu blöd, aber der Aktionskarten spielende Beamte eilt zu Hilfe, hebt alles vom Boden auf, und übergibt dem etwas verdutzten Amtsinhaber einen fein säuberlich – vielleicht nicht so ganz nach seinem wie nach einem anderen Geschmack – sortierten Aktenstapel in seinen Eingangskorb zurück. Wie kann man bei so viel Hilfsbereitschaft schon böse sein?

 

Als 3. Aktionskarte gibt es den „Sonderboten“: Für den Fall, dass etwas einmal wirklich dringend ist, es könnte ja vorkommen, kann man einen Sonderboten rufen, der eine bestimmte Akte sofort aus irgendeinem Ausgangskorb in den nächsten Eingangskorb, oder wenn sie schon alle Vermerke hat, sofort in die zentrale Ablage bringt.

 

Und schließlich die letzte Aktionskarte namens „Rücksprache“ hilft, wenn man sich nicht sicher ist, ob der letzte Vermerk wirklich gerechtfertigt ist, ob der Chef die Akte nicht vielleicht doch noch einmal einsehen soll. In diesem Fall ruft man eine Akte aus einem beliebigen Ausgangskorb zurück, indem man den Vermerk entfernt und legt sie zuunterst – richtig gelesen – in den Eingangskorb zurück. Ist doch klar, dass der Chef momentan keine Zeit hat, die Akte noch einmal zu bearbeiten.

 

Damit nur ja nicht allzu schnell Routine in die Amtshandlungen einkehrt, gibt es noch 4 neutrale Maßnahmekarten, die jeder Spieler für 2 Aktionspunkte einsetzen darf, aber jede Karte gibt es nur 1x. Wenn sich z.B. hohe Persönlichkeiten wie die „Ministerpräsidentin“ ankündigen, steigt die Arbeitsmoral fast ins Uferlose! In allen 4 Ämtern wird sofort die unterste  Akte im Eingangskorb bearbeitet. Die sollte doch öfter kommen!

 

Den „Erlass: Per sofort“ kann man wie einen „Sonderboten“ oder wie das „Telefon“ einsetzen, wenn der „Irrläufer“ gespielt wird, dann war wohl wieder der Bote schuld, der eine Akte in einen falschen Eingangskorb gelegt hat, sie kommt unverzüglich unbearbeitet in den Ausgangskorb des  selben Schreibtisches, und wenn schließlich der Feierabend naht und der Bote noch nicht zu sehen ist, dann kann man mit „Weglegen“ den eigenen Ausgangskorb räumen, schaut doch besser aus, und die bearbeiteten Akten oben in einen anderen Ausgangskorb legen. Der Kollege sorgt dann dafür, dass der Bote, sollte er doch noch kommen, alle Akten mitnimmt!

 

Ja, und damit das Spiel noch realitätsnaher wird, gibt es schließlich noch neutrale Reaktionskarten, die man kostenlos außer der Reihe gegen Maßnahmekarten spielen kann, die da wären: „Dienstschluss“  gegen „Sonderboten“, „Eilt!“ gegen die „Rücksprache“, „Klimaanlage“ gegen „Durchzug“ und schließlich „Voicemail“ gegen „Telefon“. Die Karten werden entweder aufgehoben oder abgeschwächt.

 

Wann ist das Spiel zu Ende? Entweder, wenn der letzte Ablagenbereich ausgewertet wurde oder wenn ein Amtsinhaber 36 Siegpunkte erreicht hat. Für alle noch im Spiel befindlichen Akten bekommt der Besitzer einen Siegpunkt abgezogen, der Reißwolf freut sich, und dann, ja dann gewinnt, wie nicht anders zu erwarten, der Spieler mit den meisten Siegpunkten.

 

Das Spiel lässt sich auch zu dritt mit einem unbesetzten Schreibtisch spielen, aber auch zu zweit, wobei jeder Spieler dann 2 Schreibtische hat und es einige Regelabänderungen gibt. Laut Autorin ist ad acta zu zweit noch taktischer spielbar.

 

So, und jetzt wollen sicher alle wissen, wie mir das Chaos in den Ämtern mit all seinen Intrigen und Raffinessen gefallen hat, wollt ihr es wirklich wissen? Also gut: Ich finde ad acta wirklich Spitze! Es funktioniert, es ist lustig, es ist so wirklichkeitsnah, und je länger man spielt, desto mehr Mechanismen kommen einem aus der Wirklichkeit bekannt vor. Wie ich bei einem Spiel mit Kollegen aus Deutschland feststellen konnte, ist das Amtswesen in Österreich und in Deutschland offenbar sehr sehr ähnlich. Ich gratuliere der Autorin zu diesem wirklich gelungenen Spiel zu einem Thema, von dem ich nie gedacht hätte, dass man daraus ein lustiges Spiel machen kann. Aber es ist eines!