ad acta
Das Spiel:
ad
acta
Verlag: BeWitched-Spiele
Autorin:
Anzahl der Spieler: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 45-60 Minuten
Die Besprechung:
WIN-Wertung:
*** SSS II UUU AA
Ad acta, ad acta, …
irgendwie kann ich mir so gar nichts unter dem Titel vorstellen, ein gut
sortiertes Spiel für 2-4 BeamtenanwärterInnen, hmmmm. Ich hatte doch mal Latein
in der Schule, wörtlich übersetzt müsste das heißen „zu den Akten“, na was soll
das schon sein, Beamtentum, Akten, es geht nichts weiter, es wird geschoben und
verschoben, es wird bestochen oder es wird überhaupt nichts gemacht, und
außerdem wird prinzipiell nichts zur richtigen Zeit fertig. Das soll ein
lustiges Spiel sein? Sollte man das Amtswesen wirklich mal von der etwas heiteren Seite betrachten? Dabei vielleicht
auch noch herzhaft lachen können? Lasst es uns probieren!
In dem Spiel „ad acta“ geht
es doch tatsächlich darum, Akten zum richtigen Zeitpunkt eben ad acta zu legen.
Um diesen optimalen Zeitpunkt des Ablegens kämpfen, nein sagen wir sanfter
spielen bis zu 4 Amtsinhaber, die den Bereichen Finanz, Arbeit, Umwelt sowie
dem Rathaus zuzuordnen sind, jeweils leicht an einer bestimmten Farbe zu
erkennen. Jeder Spieler hat als Zeichen seiner Wichtigkeit einen Schreibtisch
vor sich. Da der Schreibtisch etwas sehr Persönliches ist, sieht jeder auch ein
bisschen anders aus (Details darf jeder Leser dann selber entdecken). Allen
gemeinsam ist ein Eingangskorb für eingehende Akten und ein Ausgangskorb für
hoffentlich irgendwann auch wieder ausgehende Akten. Zusätzlich gibt es auf
jedem Schreibtisch auch noch eine Punktetabelle, die besagt, wann welche Akte
optimal abgelegt werden sollte, nur für den Fall, dass sich ein Amtsinhaber =
Spieler dafür interessieren sollte.
Aber wohin nun eigentlich
mit, wenn auch fast unglaublich, fertigen Akten? Abgelegt werden sollen die
Akten an einer zentralen Ablagestelle, der Einfachheit halber einfach in der
Tischmitte positioniert (Die Ämter sind in dem Spiel ja auch sehr knapp
beisammen, man darf sogar den Schreibtisch des anderen einsehen, aber niemals
berühren oder sich gar an einer Akte vergreifen!). Es gibt dort 6 Ablagen, die
zwischen 2 und 4 Akten fassen und in genauer Reihenfolge befüllt werden müssen,
oder dürfen? Wenn ich jetzt noch anmerke, dass jeder Spieler 7 Akten hat, dass
die Ablagen in Summe 20 Akten fassen, dann wird der aufmerksame Leser
feststellen, dass sehr wohl die eine oder andere Akte keinen Platz mehr findet
und dem Reißwolf zum Opfer fallen wird. Jetzt wird´s langsam interessant!
Auf dem Plan in der
Tischmitte sieht man auch noch den Botenwagen, der ist wichtig, denn er
transportiert die Akten von Amt zu Amt und letztendlich zur zentralen Ablage. Außerdem
eine Wertungsleiste und eine Bleistiftspitzzählleiste, mehr dazu später.
Bevor ich nun auf den
Spielablauf genauer eingehe, möchte ich noch das wichtigste Spielmaterial
vervollständigen. Als Zeichen dafür, dass man ja doch an einer Akte gearbeitet
hat oder zumindest so tut als ob, bringt man Vermerke in Form von Büroklammern
an. Für die Mobilisierung von besonderen Arbeitsenergien erhält jeder Spieler 3
naturfarbene Holzchips, pardon, Traubenzuckerstücke. Der Startspieler und
zugleich Bote jeder Runde erhält einen Stempel, und dann gibt es noch in jeder
Amtsfarbe 2 Marker für die Wertungs- und die Bleistiftspitzzählleiste. Ach ja,
und schlussendlich gibt es noch die ach so gefinkelten Maßnahmekarten, 4
identische für jeden Spieler und 4 neutrale sowie 4 neutrale Reaktionskarten.
Grundsätzlich ist es so,
dass jedem Amt 7 Akten zugeteilt sind. Man erkennt die Zugehörigkeit an der
Farbe, die ident ist mit der des Schreibtischs. Im linken oberen Eck haben die
Akten einen Buchstaben, jeweils von A bis G, und dieser Buchstabe bestimmt
auch, in welcher der 6 Ablagestellen die Akte die optimale Punktezahl liefert.
Wahllos herausgegriffen zum Beispiel die Akte mit dem Buchstaben D: Sie bringt
im ersten Stapel nur 1 Punkt, im 3. 7 Punkte und im 5. wieder nur 2 Punkte. Man
sieht schon, es ist gar nicht so einfach, die Akte im wahrsten Sinne des Wortes
rechtzeitig fertig zu haben. Aber besser ein schlechter Zeitpunkt als gar
keiner, denn der Reißwolf kostet für jede Akte einen Minuspunkt.
Das Amt, dem eine Akte
gehört, das ist auch auf der Rückseite der Karten erkennbar, ist auch das
erste, das die Akte bearbeiten muss. A-, B- und C-Akten müssen im Anschluss an
1 weiteres Amt gereicht werden, D-, E-, F- und G-Akten müssen sogar noch 2
weitere Ämter „belästigen“. Wohin und in welcher Reihenfolge ist auf den Karten
sehr gut ersichtlich.
So, jetzt geht es aber
wirklich los: Der Startspieler erhält als Zeichen seiner Funktion den Stempel.
Da er auch zugleich die Rolle des Boten übernehmen muss, obliegt ihm auch die Aktenver-
bzw. Umverteilung. Die Akten werden verdeckt gemischt und entsprechend der
Rückseite an die zugehörigen Ämter verteilt. So wie sie kommen, werden sie in
den Eingangskorb des jeweiligen Spielers gelegt, das heißt, die Akte, die
zuletzt „rein“ kommt, liegt oben und muss demnach auch zuerst bearbeitet
werden. Aha, jetzt weiß ich, wieso ich oft so lange auf einen amtlichen Brief
warten muss, … Die Akten werden so versetzt gelegt, dass die Farbe, der
Buchstabe und die in späterer Folge vielleicht bereits angebrachten Vermerke
gut erkennbar sind. Pro Spielrunde hat jeder Spieler 3 Aktionspunkte, nur der
letzte hat lediglich 2, weil er, wie man sehen wird, einen gewissen Vorteil
hat.
Was kann man nun mit den
Aktionspunkten machen. Man kann für 1 Punkt die oberste – man beachte, die
zuletzt eingetroffene – Akte bearbeiten, d.h. man setzt eine Büroklammer auf
das entsprechende Abzeichnungsfeld und legt die Akte in den Ausgangskorb. Man
kann aber auch für 1 Punkt um Amtshilfe bitten und die oberste Akte auf einem
fremden Schreibtisch bearbeiten lassen, die dann mit entsprechendem Vermerk in
den dortigen Ausgangskorb kommt. Betonung liegt auf bearbeiten lassen, niemals
selbst
Im Anschluss daran folgt
die Botenrunde. Der Bote (=Startspieler) nimmt im Uhrzeigersinn die Akten aus
den Ausgangskörben, beginnend bei sich selber. Er nimmt den ganzen Stapel und
legt ihn in unveränderter Kartenreihenfolge in den Botenwagen auf dem
Spielplan. Obenauf kommt der gesamte Stapel vom nachfolgenden Spieler usw. D.h.
der Stapel des letzten Spielers liegt oben auf. Dann werden die Akten vom Boten
erneut an den nächsten Bearbeiter verteilt, beginnend von oben, Stück für
Stück. Im neuen Amt kommt die Akte unverzüglich in den Eingangskorb, natürlich
oben auf, wo denkt ihr hin! Das wäre doch zu normal, wenn man später
eintreffende Akten unten anreihen würde, oder ist es so wie es ist normal? Es
kann sich ja jeder selbst seine Meinung dazu bilden!
Und was macht der Bote,
wenn die Akte doch tatsächlich alle notwendigen Vermerke erhalten hat? Na dann,
was dann, na dann wird sie von allen Vermerken befreit, um neu bearbeitet
werden zu können, nein, um auf den nächsten freien Platz der zentralen Ablage
zu kommen! Sobald ein Ablagenbereich voll ist, kommt es zu einer
Zwischenwertung entsprechend der Punktetabelle auf den Schreibtischen. Zur
Kennzeichnung der Wertung kommt eine Karte „erledigt“ oben auf. An diesen Akten
wird nichts mehr verändert, auch nicht, wenn ein Amt meint, es hätte doch
lieber anders gehandelt, abgelegt ist und bleibt abgelegt. Schluss, Punkt.
Nach der Botenrunde wird
der Stempel weitergegeben, und die Amtshandlungen können von Neuem beginnen.
So weit der „ganz normale“
Weg der Akten, wären da nicht die Maßnahmekarten! Jeder Spieler hat 4 eigene
Maßnahmekarten, die er für jeweils 2 Aktionspunkte 1x im Spiel verwenden darf.
Da gibt es z.B. das „Telefon“, das im eigenen oder im fremden Amt klingelt und
klingelt und klingelt, weil der Anruf ja so wichtig ist, es geht um eine ganz
ganz dringend zu bearbeitende Akte. Ohne weiteren Aktionspunkt muss eine vom
Aktionskartenspieler bestimmte Akte aus dem Eingangskorb sofort und unverzüglich
bearbeitet werden. Vitamin B wie Bestechung? Ich will das an dieser Stelle
lieber nicht näher hinterfragen.
Der „Durchzug“, eine
weitere Aktionskarte, ist auch so eine Sache, wenn es so richtig zieht,
vielleicht dann, wenn ein Beamter auf die Idee kommt, Frischluft in den Raum zu
lassen, um effektiver arbeiten zu können, genau dann passiert es, alle Akten
auf einem Schreibtisch fliegen durcheinander und auf den Boden. Wirklich zu
blöd, aber der Aktionskarten spielende Beamte eilt zu Hilfe, hebt alles vom
Boden auf, und übergibt dem etwas verdutzten Amtsinhaber einen fein säuberlich
– vielleicht nicht so ganz nach seinem wie nach einem anderen Geschmack –
sortierten Aktenstapel in seinen Eingangskorb zurück. Wie kann man bei so viel
Hilfsbereitschaft schon böse sein?
Als 3. Aktionskarte gibt es
den „Sonderboten“: Für den Fall, dass etwas einmal wirklich dringend ist, es
könnte ja vorkommen, kann man einen Sonderboten rufen, der eine bestimmte Akte
sofort aus irgendeinem Ausgangskorb in den nächsten Eingangskorb, oder wenn sie
schon alle Vermerke hat, sofort in die zentrale Ablage bringt.
Und schließlich die letzte
Aktionskarte namens „Rücksprache“ hilft, wenn man sich nicht sicher ist, ob der
letzte Vermerk wirklich gerechtfertigt ist, ob der Chef die Akte nicht
vielleicht doch noch einmal einsehen soll. In diesem Fall ruft man eine Akte
aus einem beliebigen Ausgangskorb zurück, indem man den Vermerk entfernt und
legt sie zuunterst – richtig gelesen – in den Eingangskorb zurück. Ist doch
klar, dass der Chef momentan keine Zeit hat, die Akte noch einmal zu
bearbeiten.
Damit nur ja nicht allzu
schnell Routine in die Amtshandlungen einkehrt, gibt es noch 4 neutrale
Maßnahmekarten, die jeder Spieler für 2 Aktionspunkte einsetzen darf, aber jede
Karte gibt es nur 1x. Wenn sich z.B. hohe Persönlichkeiten wie die
„Ministerpräsidentin“ ankündigen, steigt die Arbeitsmoral fast ins Uferlose! In
allen 4 Ämtern wird sofort die unterste
Akte im Eingangskorb bearbeitet. Die sollte doch öfter kommen!
Den „Erlass: Per sofort“
kann man wie einen „Sonderboten“ oder wie das „Telefon“ einsetzen, wenn der
„Irrläufer“ gespielt wird, dann war wohl wieder der Bote schuld, der eine Akte
in einen falschen Eingangskorb gelegt hat, sie kommt unverzüglich unbearbeitet
in den Ausgangskorb des selben
Schreibtisches, und wenn schließlich der Feierabend naht und der Bote noch
nicht zu sehen ist, dann kann man mit „Weglegen“ den eigenen Ausgangskorb
räumen, schaut doch besser aus, und die bearbeiteten Akten oben in einen
anderen Ausgangskorb legen. Der Kollege sorgt dann dafür, dass der Bote, sollte
er doch noch kommen, alle Akten mitnimmt!
Ja, und damit das Spiel
noch realitätsnaher wird, gibt es schließlich noch neutrale Reaktionskarten,
die man kostenlos außer der Reihe gegen Maßnahmekarten spielen kann, die da
wären: „Dienstschluss“ gegen
„Sonderboten“, „Eilt!“ gegen die „Rücksprache“, „Klimaanlage“ gegen „Durchzug“
und schließlich „Voicemail“ gegen „Telefon“. Die Karten werden entweder
aufgehoben oder abgeschwächt.
Wann ist das Spiel zu Ende?
Entweder, wenn der letzte Ablagenbereich ausgewertet wurde oder wenn ein
Amtsinhaber 36 Siegpunkte erreicht hat. Für alle noch im Spiel befindlichen
Akten bekommt der Besitzer einen Siegpunkt abgezogen, der Reißwolf freut sich,
und dann, ja dann gewinnt, wie nicht anders zu erwarten, der Spieler mit den
meisten Siegpunkten.
Das Spiel lässt sich auch
zu dritt mit einem unbesetzten Schreibtisch spielen, aber auch zu zweit, wobei
jeder Spieler dann 2 Schreibtische hat und es einige Regelabänderungen gibt.
Laut Autorin ist ad acta zu zweit noch taktischer spielbar.
So, und jetzt wollen sicher
alle wissen, wie mir das Chaos in den Ämtern mit all seinen Intrigen und
Raffinessen gefallen hat, wollt ihr es wirklich wissen? Also gut: Ich finde ad
acta wirklich Spitze! Es funktioniert, es ist lustig, es ist so
wirklichkeitsnah, und je länger man spielt, desto mehr Mechanismen kommen einem
aus der Wirklichkeit bekannt vor. Wie ich bei einem Spiel mit Kollegen aus
Deutschland feststellen konnte, ist das Amtswesen in Österreich und in
Deutschland offenbar sehr sehr ähnlich. Ich gratuliere der Autorin zu diesem
wirklich gelungenen Spiel zu einem Thema, von dem ich nie gedacht hätte, dass
man daraus ein lustiges Spiel machen kann. Aber es ist eines!